Gentests für Medikamente

Essen. Wenn heute ein Arzt seinem Patienten erstmals ein Medikament verschreibt, kann er nicht sicher sein, dass sich die erwartete Wirkung auch tatsächlich einstellt

Essen. Wenn heute ein Arzt seinem Patienten erstmals ein Medikament verschreibt, kann er nicht sicher sein, dass sich die erwartete Wirkung auch tatsächlich einstellt. Denn die so genannte Ansprechrate, die beschreibt, ob das Mittel bei allen Patienten anschlägt, liegt gegenwärtig bei 50 bis 60 Prozent, so Professor Winfried Siffert vom Institut für Pharmakogenetik des Universitätsklinikums Essen. Für diesen schlechten Wert gebe es mehrere mögliche Ursachen. Es könne am Wirkstoff liegen, an der Dosierung, aber auch am Erbgut des Patienten. Die Vorhersage, ob ein bestimmter Wirkstoff für einen speziellen Patienten in Frage kommt, will der Arzneimittel-Experte nun mit neuen Gentests verbessern.Den ersten Test, der auf Veränderungen im Gen "GNAS" anspricht, hat die Uniklinik für ein Schlankheitsmittel mit dem Wirkstoff Sibutramin entwickelt. Dieses Medikament erhöht das Sättigungsgefühl. Allerdings kann die Substanz als Nebenwirkung auch den Blutdruck erhöhen und Herzrasen auslösen. "Wir konnten zeigen, dass abhängig von den Erbanlagen manche Medikamente keinen Nutzen bringen, sondern sogar gefährlich sein können", so Winfried Siffert. 85 Prozent TrefferquoteIn einer Studie untersuchten die Mediziner 110 übergewichtige Patienten. Sie konzentrierten sich dabei auf eine Veränderung im Gen "GNAS", die Auswirkungen auf die Fettverbrennung und die Herzfrequenz hat. Alle Patienten mussten sich einem einjährigen Fitness-Programm unterziehen, mehr Sport treiben, weniger essen - und dazu regelmäßig ihre Pillen schlucken. Doch nur in der Hälfte der Tabletten steckte der Wirkstoff Sibutramin, die anderen Pillen erhielten ein wirkungsloses Scheinmedikament, ein Placebo. Das Ergebnis sei verblüffend gewesen, so Siffert. Etwa der Hälfte der Patienten sei das Abnehmen allein durchs Fitnesstraining und die Änderung des Lebensstils gelungen. Der Wirkstoff half ihnen kein Gramm weiter. Dafür traten bei ihnen Nebenwirkungen des Medikaments sehr deutlich zu Tage: Herzfrequenz und Blutdruck stiegen. Die andere Hälfte der Patienten wiederum nahm dank des Wirkstoffs Sibutramin doppelt so stark ab. Bei diesen Patienten seien auch die Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen weniger ausgeprägt gewesen. Für Siffert ist deshalb klar: "Gentests können künftig helfen, für jeden übergewichtigen Patienten die optimale Therapie zu bestimmen und gefährliche Nebenwirkungen zu vermeiden." Den so genannten Bio-Markern, die solche Analysen möglich machen, sagt der Essener Pharmakogenetiker eine große Zukunft voraus. Mit Sicherheit werde es solche Untersuchungen künftig auch für andere Wirkstoffe geben. Das werde den Medizinern die Arbeit zwar nicht erleichtern, aber die Ansprechrate der Medikamente deutlich erhöhen. Der Essener Forscher geht davon aus, dass die Quote von heute knapp 60 Prozent auf bis zu 85 Prozent gesteigert werden kann. byl

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