Front National auf dem Vormarsch

Paris. Eine "rote Welle" hat Frankreich überrollt, politisch wohlgemerkt: Nachdem seit der Präsidentschaftswahl ein Sozialist im Élysée-Palast sitzt, die Linken die meisten großen Städte, den Senat und die Regionen kontrollieren, übertrugen ihnen die Franzosen bei der Parlamentswahl am Sonntag auch die Mehrheit in der Nationalversammlung

Paris. Eine "rote Welle" hat Frankreich überrollt, politisch wohlgemerkt: Nachdem seit der Präsidentschaftswahl ein Sozialist im Élysée-Palast sitzt, die Linken die meisten großen Städte, den Senat und die Regionen kontrollieren, übertrugen ihnen die Franzosen bei der Parlamentswahl am Sonntag auch die Mehrheit in der Nationalversammlung. Mit ihren engsten Verbündeten besetzen die Sozialisten künftig 314 der insgesamt 577 Sitze, gegenüber nur noch 229 Sitzen für die bürgerlich-konservative Partei UMP und deren Alliierte. Ein Erfolg für Präsident François Hollande, der über eine absolute Mehrheit verfügt und nicht auf Bündnispartner angewiesen ist. Doch die rote Welle verfolgt ein Schatten in blauer Farbe - "Marine-blau". So nennt die Vorsitzende des Front National (FN), Marine Le Pen, die rechtsnationale Bewegung, die sie in Frankreich so stark gemacht hat wie nie zuvor, auch nicht unter ihrem Vater, Parteigründer Jean-Marie Le Pen. Galt der alte Haudegen, der die Gaskammern der Nazis verharmloste und wiederholt wegen rassistischer Äußerungen verurteilt wurde, vielen als unwählbar, so gibt seine 43-jährige Nachfolgerin der Partei ein moderneres Image. "Entteufelung" nennt sie es selbst. In Le Pens Warnungen vor zu vielen Muslimen und Einwanderern und dem Einsatz für Wirtschaftsprotektionismus und die "kleinen Leute" finden sich immer mehr Wähler wieder. Haben die Sozialisten in den vergangenen fünf Jahren alle Wahlen gewonnen, so hieß die zweite Siegerin stets Le Pen. Auch jetzt. Ein durchschlagender Erfolg wie bei der Präsidentschaftswahl gelang ihr nicht, wo sie mit 17,9 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft wurde. Doch schickt der Front National erstmals seit 24 Jahren wieder zwei Abgeordnete in die Nationalversammlung: den Anwalt Gilbert Collard und die 22-jährige Jura-Studentin Marion Maréchal-Le Pen, Enkelin des Parteigründers. Gewählt wurde zudem der Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Orange, Jacques Bompard, der zwar nicht dem Front National angehört, ihm aber nahesteht. Der Wiedereintritt ins Parlament habe Symbolkraft, sagt der Politikwissenschaftler Sylvain Crépon. Dennoch bedeute es einen Rückschlag für Le Pen, in ihrer Hochburg im Pas-de-Calais ihrem sozialistischen Rivalen Philippe Kemel um nur 118 Stimmen zu unterliegen. Le Pen will das knappe Wahlergebnis anfechten.Unabhängig von dem Ergebnis scheint der Fortschritt ihrer Partei ungebrochen - vor allem die Konservativen setzt sie unter Druck, die sich schwer tun mit einer Abgrenzung der Rechten von der extremen Rechten. Ihnen verspricht sie den "baldigen politischen Tod". Nicolas Sarkozys Strategie, sie abzudrängen mit der Besetzung von deren Themen, ist gescheitert. "Zu sehr dem Front National hinterherzulaufen, macht ihn erst glaubwürdig. Das ist indiskutabel", erklärte Ex-Haushaltsminister François Baroin. "Sarkozysten" wie Ex-Ministerin Nadine Morano, die erklärt hatte, Werte mit dem FN zu teilen, wurden abgewählt. Nun steht der UMP eine ideologische Debatte bevor - bei der sie sich von ihrem Schatten befreien muss, der marineblaue Farbe trägt. hol

Foto: dpa

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