Fernduell zweier Männer

Berlin · Der frühere BKA-Präsident Jörg Ziercke hat den Vorwurf des Geheimnisverrats im Edathy-Untersuchungsausschuss weit von sich gewiesen. Der ehemalige SPD-Abgeordnete leide unter Realitätsverlust.

Sebastian Edathy kontert gleich am Anfang seiner Befragung: "Ich habe nichts zu korrigieren und keine Abstriche zu machen", sagt der unter Kinderporno-Verdacht stehende, ehemalige SPD-Abgeordnete. Vor ihm hat der Untersuchungsausschuss des Bundestages freilich jemanden vernommen, der das ganz anders sieht: den ehemaligen BKA-Chef Jörg Ziercke . Beide begegnen sich nicht. Es wird ein Fernduell zweier Männer , die sich nicht ausstehen können.

Ziercke betritt den Saal des Untersuchungsausschusses pünktlich um 13 Uhr, kerzengerade steht er am Zeugentisch und wartet, bis das Blitzlichtgewitter vorbei ist. Dann holt er seine Erklärung aus der Aktentasche, wichtige Passagen sind mit Textmarker unterstrichen. Der Mann mag es präzise, so fällt auch sein Bericht aus. Edathy hatte Ziercke im Dezember schwer belastet. Der einstige BKA-Präsident habe den damaligen SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann über die Kinderporno-Ermittlungen informiert, und der wiederum dann ihn, so Edathy. Vorwürfe, die auch strafrechtlich relevant sind, so sie denn bewiesen werden. Und die Ziercke die Pension kosten könnten. Während Edathy abgeschottet in einem Nebenraum wartet, fährt der 67-Jährige im Stile einer Dampfwalze über den einstigen SPD-Innenpolitiker hinweg. Ziercke wirft Edathy "Realitätsverlust" und Rachemotive vor. Er lebe wie so viele Konsumenten von Kinderpornos in zwei Welten. Die ganze Geschichte sei eine einzige Inszenierung, um Schuld abzuwälzen. Dann fragt Ziercke: "Wie verrückt ist das denn eigentlich?" Er habe Edathy wegen seiner "Arroganz und Überheblichkeit" im NSU-Untersuchungsausschuss nicht ausstehen können, dessen Vorsitzender der frühere Parlamentarier war. Auch den Vorwurf, er habe mit einem Tipp Schaden von der SPD abwenden wollen, weist Ziercke entschieden zurück. Der Image-Schaden für die Partei "war doch von mir nicht aufzuhalten", betont das SPD-Mitglied. Ziercke ergänzt: Über 40 Jahre sei er Polizeibeamter gewesen, er habe sich immer professionell verhalten.

Ominöses Telefongespräch

Deswegen hätten er und der Innenpolitiker Michael Hartmann, mit dem er ein enges Verhältnis hatte, auch nicht über laufende Verfahren gesprochen. Das sei zwischen beiden "eine rote Linie" gewesen.

Heikel wird es für Ziercke, als es um das ominöse Telefongespräch mit dem jetzigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann geht. Er erklärt, Oppermann habe ihn gebeten, zu bestätigen, dass gegen Edathy ermittelt werde. Er habe darauf geantwortet: "Das kommentiere und dementiere ich nicht." Im Innenausschuss hatte Ziercke auf dem Höhepunkt der Affäre im Frühjahr 2014 von "dementieren" nicht gesprochen - für die meisten Ausschussmitglieder kommt es einer Bestätigung gleich, wenn man sagt, das dementiere man nicht. Das kann noch ein Nachspiel für Ziercke haben.

Aber von wem könnte - wenn überhaupt - Edathy dann gewarnt worden sein? Edathy sagt bei seiner Vernehmung, die bis spät in den Abend andauert: "Ich kann nicht ausschließen, dass Hartmann mich belogen hat."

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