Europäer unerwünscht?

Bern · Die Schweizer stimmen am Sonntag darüber ab, ob die Zahl der Zuwanderer begrenzt werden soll. Der Ausgang ist höchst ungewiss. Auch viele Deutsche müssten den Traum von einem Job im Alpenland aufgeben.

Die Sächsische Schweiz beiderseits der Elbe in Sachsen gehört zu Europas schönsten Landschaften. Das hat fast 1200 Einwohner Sachsens innerhalb nur eines Jahres nicht davon abgehalten, in die echte Schweiz umzuziehen. Allein 2012 suchten fast 21 000 Deutsche in der Eidgenossenschaft ihr Glück. Gleich nach den USA ist die Schweiz das beliebteste Auswanderungsland der Deutschen.

Das könnte sich ändern, denn an diesem Sonntag stimmen die Eidgenossen über eine Volksinitiative gegen "Masseneinwanderung" ab. Urheber ist die national-konservative Schweizerische Volkspartei (SVP). Sollte die Initiative angenommen werden, müsste Bern in Brüssel auf eine Änderung des 1999 unterzeichneten Abkommens über Personenfreizügigkeit dringen und wieder Obergrenzen für die Zuwanderung auch aus der EU festlegen.

Das könnte auch viele Bundesbürger treffen, die von einem Job in der Schweiz träumen. Rund 300 000 Deutsche leben bereits in der Alpenrepublik. Nach den Italienern bilden sie die zweitgrößte Ausländergruppe. Viele Deutsche kämen mit guten geisteswissenschaftlichen oder technischen Ausbildungen, sagt der Geschäftsführer der Deutsch-Schweizer Handelskammer in Zürich, Ralf Bopp. "Rund 80 000 Personen wandern jährlich mehr in unser Land ein als aus", rechnet die SVP vor. Jährlich entstehe neu eine Stadt in der Größe von Luzern oder St. Gallen. Ein solcher Bevölkerungszuwachs werde höchstens von Indien übertroffen. Mit einer millionenschweren Kampagne versucht die Wirtschaft, die SVP auszubremsen. Der Fachkräftemangel werde sich verschärfen, wenn Unternehmen sich nicht mehr frei aus dem Pool der EU-Arbeitskräfte bedienen könnten. Zudem drohe ein Imageschaden, warnt Elisabeth Zölch Bührer, Arbeitgeber-Präsidentin der Uhrenindustrie.

Sorgen machen sich Politiker von den Grünen bis zu den Christdemokraten wegen der "Guillotine-Klausel" in den sieben Verträgen mit Brüssel. Sie regeln die Sonderbeziehung der Schweiz zur EU. Wird einer verletzt, können die anderen ausgesetzt werden. Unmissverständlich wies EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bereits darauf hin, dass man der Schweiz bekanntlich einen privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit 500 Millionen Konsumenten gewährt. Jeden dritten Franken verdiene man im Handel mit der EU, rechnete der Unternehmerverband Economiesuisse vor.

Bislang sah es so aus, als würden die Schweizer das Ansinnen der SVP zurückweisen. Doch laut Umfragen ist die einst klare Mehrheit der Ablehner auf nur noch 50 Prozent geschrumpft.

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Auf einen BlickSchweiz: Fast jeder vierte der gut acht Millionen Schweizer Einwohner ist kein Eidgenosse, sondern Einwanderer (23,3 Prozent). Zwei Drittel davon stammen aus der EU - die meisten aus Italien, Deutschland und Portugal. Deutschland: Mit einem Ausländeranteil von rund neun Prozent (7,2 Millionen) liegt Deutschland EU-weit im oberen Mittelfeld. Die meisten Einwanderer kommen aus der Türkei (1,6 Millionen), Polen und Italien (je rund 530 000). Österreich: Von den rund 8,5 Millionen Einwohnern ist jeder neunte ein Ausländer (11,6 Prozent). Frankreich: Die Ausländerquote liegt bei sechs Prozent. dpa

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