EU streitet um einheitliches Asylrecht

Brüssel. Im Streit um ein neues europäisches Asylrecht hat vor allem Berlin am Freitag schwere Geschütze gegenüber der EU-Kommission aufgefahren. "Die Pläne werden zu längeren Verfahren, zu höheren Kosten und zu einer Sogwirkung führen", sagte Innen-Staatssekretär Ole Schröder (Foto: SZ)

Brüssel. Im Streit um ein neues europäisches Asylrecht hat vor allem Berlin am Freitag schwere Geschütze gegenüber der EU-Kommission aufgefahren. "Die Pläne werden zu längeren Verfahren, zu höheren Kosten und zu einer Sogwirkung führen", sagte Innen-Staatssekretär Ole Schröder (Foto: SZ). Für Verärgerung sorgen vor allem Vorschläge, Asylbewerbern spätestens nach einem Jahr Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren und den Familiennachzug nicht mehr nur auf Ehepartner und Kinder zu begrenzen, sondern auch Geschwister einzubeziehen. "Der Kern des deutschen Asylrechtes darf nicht angetastet werden", sagte der stellvertretende Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber.

In Brüssel reagierte man mit Kopfschütteln auf die "Unterstellungen". "Unser Vorschlag zur Familienzusammenführung bezieht sich ausschließlich auf minderjährige Brüder und Schwestern minderjähriger Asylbewerber", erklärte Jens Mester, Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Auch von einer Forderung nach "Zugang zu den Sozialsystemen" der EU-Staaten könne "keine Rede" sein. "Natürlich sollen Asylbewerber menschenwürdig aufgenommen werden, wobei die Sozialhilfe für Einheimische in manchen Fällen zu berücksichtigt ist."

Bis 2012 wollen die 27 Mitgliedstaaten ein gemeinsames Asylrecht verabschieden. Zentrales Anliegen ist die Vereinheitlichung der Verfahren sowie eine gemeinsame Definition dessen, wer als Flüchtling anerkannt werden soll. Zwar hat man sich bereits auf bestimmte Standards beispielsweise für alleinstehende Kinder geeinigt, trotzdem bleiben Knackpunkte. Weber: "Vor allem die ausgedehnten Widerspruchsmöglichkeiten, die die Kommission einführen will, sind nicht praxisgerecht, weil sie die Verfahren verlängern." So wird etwa der Vorschlag, jedem Asylbewerber einen Rechtsbeistand und einen Übersetzer zur Seite zu stellen sowie durch eine ärztliche Untersuchung seine "Verfahrensfähigkeit" feststellen zu lassen, von den Mitgliedstaaten abgelehnt. In Berlin befürchtet man außerdem, dass Brüssel die bisherige Praxis stoppen wolle, bei der Asylbewerber an Flughäfen innerhalb der Transitzonen festgehalten und gegebenenfalls auch sofort wieder zurückgeschickt werden. Barroso-Sprecher Mester: "An der deutschen Transit-Regelung wird nicht gerüttelt. Es bleibt dabei: An den Grenzen werden Asylanträge untersucht und auch entschieden."

In vielen Punkten haben Mitgliedstaaten, Parlament und Kommission auch schon Einigkeit erzielt - etwa bei der Anerkennung von bereits abgeschlossenen Verfahren eines Mitgliedslandes durch alle anderen. Damit soll verhindert werden, dass ein Asylbewerber "sein Glück" immer wieder an einer anderen EU-Grenze versuchen kann.

Die EU-Staaten haben im vergangenen Jahr 78 800 Menschen als Flüchtlinge anerkannt - rund 3000 mehr als 2008. Etwas mehr als ein Viertel aller Asylbewerbungen ist erfolgreich. Deutschland liegt mit einer Anerkennungsquote von rund einem Drittel über dem EU-Durchschnitt. Insgesamt wurden 261 000 neue Asylanträge in der EU gestellt.

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