Die Schlacht um Tripolis
Tripolis/Madrid. "Gaddafi, wo bist Du?", brüllen die Demonstranten. "Komm her, wenn Du ein Mann bist!" Zehntausende marschieren durch die Straßen zum berühmten Grünen Platz in der Hauptstadt Tripolis. Manche sind mit Baseballschlägern oder mit Steinen bewaffnet. Verbrennen Bilder des Diktators Muammar al-Gaddafi (68)
Tripolis/Madrid. "Gaddafi, wo bist Du?", brüllen die Demonstranten. "Komm her, wenn Du ein Mann bist!" Zehntausende marschieren durch die Straßen zum berühmten Grünen Platz in der Hauptstadt Tripolis. Manche sind mit Baseballschlägern oder mit Steinen bewaffnet. Verbrennen Bilder des Diktators Muammar al-Gaddafi (68). Werfen Brandsätze gegen Polizeistationen, das Staatsfernsehen und gegen das Parlament, das Feuer fängt.Die Prostete gegen Libyens Despoten, die im Laufe der Woche wie ein Flächenbrand durch den Wüstenstaat jagten, sind im Machtzentrum Libyens angekommen. Sie lassen wenig Zweifel daran, dass der "Bruder Führer" die Kontrolle über sein Öl-Wüstenreich verloren hat. Die Antwort Gaddafis ließ nicht lange auf sich warten, wie Augenzeugen im arabischen TV-Sender Al-Dschasira berichteten: Schüsse peitschen über den Grünen Platz. Bewaffnete Milizen greifen an. Mindestens 61 Tote habe es in der Nacht zum Montag allein in Tripolis gegeben, berichten Ärzte.
Während Gaddafis Schergen versuchen, mit brutaler Gewalt das Übergreifen der landesweiten Revolution auf die Hauptstadt zu stoppen, verteidigt Gaddafi-Sohn Saif al-Islam im Staats-TV das harte Vorgehen: "Wir werden bis zu letzten Minute kämpfen, bis zur letzten Kugel." Der Aufstand sei "eine Verschwörung gegen Libyen" gesteuert von der Opposition "in Europa und den USA", um das Land zu spalten. Er warnt die 6,5 Millionen Libyer vor "Bürgerkrieg und Chaos", dann droht er: Entweder Gespräche über Reformen "oder Krieg".
Der 38-jährige Gaddafi-Spross, der lange Zeit als Nachfolger an der Staatsspitze und im Westen sogar als Hoffnungsträger gehandelt wurde, dementierte Gerüchte, wonach der Diktator bereits ins Ausland geflüchtet sei: Sein Vater "führe den Kampf an".
Trotz aller Ungewissheit festigt sich der Eindruck, dass der Aufstand gegen Gaddafi im ganzen Land immer mehr Unterstützung findet. Und dass Gaddafis Regime die Luft ausgeht. Dutzend libysche Diplomaten und Regierungsmitglieder verkündeten in den letzten Stunden ihren Rücktritt. Es gebe einen Machtkampf unter Gaddafis Söhnen, heißt es. Auch mehrere große Volksstämme, in die sich Libyens Gesellschaft aufteilt, kehren Gaddafi den Rücken: Die Tuareg, mit etwa 500 000 Menschen einer der tonangebenden Stämme im Wüstenstaat, stellte sich auf die Seite der Opposition. Und die größte Volksgruppe im Land, der Warfalla-Stamm, kehrte dem Regime ebenfalls den Rücken.
Auf einen Blick
Das Auswärtige Amt hat sich angesichts der gewaltsamen Unruhen in Libyen "voller Sorge" über das Schicksal deutscher Staatsbürger in dem nordafrikanischen Land gezeigt. "Das Auswärtige Amt ist voll damit beschäftigt, alles zu organisieren, um unsere eigenen Landsleute dort in Sicherheit zu bringen", sagte Staatsminister Werner Hoyer (FDP). "Die Sicherheit der deutschen Staatsbürger ist gegenwärtig unsere erste Herausforderung." Nach den Worten Hoyers halten sich derzeit noch "hunderte" Deutsche in dem Land auf. dpa