Brüssel rügt die „Methode Pofalla“

Brüssel · In ihrem ersten „Korruptionsbekämpfungsbericht“ lobt die EU-Kommission den bundesrepublikanischen Kampf gegen Korruption und Bestechlichkeit – trotz einiger „Defizite“ wie die fehlende Wartezeit für Politiker.

Sumpf, Filz und Vetternwirtschaft - mehr als jeder zweite EU-Bürger geht davon aus, dass sowohl in der Gemeinschaft wie auch im eigenen Land Korruption und Bestechlichkeit an der Tagesordnung sind. Auch 59 Prozent der Bundesbürger glauben nicht an eine weiße Weste von Politikern und Managern. Diese Ergebnisse einer Eurostat-Umfrage sind Bestandteil des ersten "EU-Korruptionsbekämpfungsberichtes", den die Brüsseler Kommission gestern vorstellte. "Bestechlichkeit untergräbt das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen und den Rechtsstaat, schädigt die europäische Wirtschaft und vermindert die dringend benötigten Steuereinnahmen", stellte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström fest. Sie bezifferte den jährlich entstehenden Schaden für die EU-Staaten auf 120 Milliarden Euro. Mehr noch: Da es in vielen Bereichen der öffentlichen Auftragsvergabe an Kontrollmechanismen fehle, müssten die Bürger der betroffenen Länder zwischen 20 und 25 Prozent zu viel zahlen, weil Gelder unter der Hand fließen. Das gilt jedoch nicht für die deutschen Bürger. "Deutschland belegt, was die Korruptionsbekämpfung angeht, international einen der oberen Ränge", heißt es in dem Papier. Ombudsmänner in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften, Korruptionsermittlungen durch das Bundeskriminalamt - all das seien Mittel, um die Bestechlichkeit in den Griff zu bekommen. Bei der Eurostat-Umfrage gaben 92 Prozent der Bundesbürger an, nicht von Korruption betroffen zu sein - ein europäischer Spitzenwert. Dennoch gibt es Kritik. Vor allem die fehlenden Karenzzeiten für Politiker, die in die Wirtschaft wechseln wollen, bezeichnete die Kommissarin als Defizit, ohne jedoch die beiden aktuellen Fälle zu nennen: Ex-Kanzleramtschef Roland Pofalla, der im Anschluss an seinen politischen Job für die Deutsche Bahn AG arbeiten wollte. Und der ehemalige Staatsminister Eckart von Klaeden, der sich von Daimler abwerben ließ. Für EU-Kommissare gilt eine "Abkühlphase" von 18 Monaten, Deutschland hat bisher keine vergleichbare Regelung. Darüber hinaus fordert Brüssel von der Bundesrepublik strafrechtliche Regeln für bestechliche Abgeordnete.

Besonders schlecht schneiden Kroatien, Tschechien, Litauen, Bulgarien, Rumänien und Griechenland in dem Bericht ab. Athen fällt sogar bei der eigenen Bevölkerung durch: 99 Prozent der befragten Hellenen gaben an, ihr Land sei korrupt, fast 20 Prozent bestätigten, in den vergangenen zwölf Monaten zur Zahlung von Bestechungsgeldern aufgefordert worden zu sein.

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Auf einen BlickIn allen 28 EU-Ländern gibt es laut der EU-Kommission Korruption. Zu den Musterschülern gehören neben Schweden auch Dänemark und Finnland. Am unteren Ende der Skala rangieren südeuropäische Staaten wie Griechenland oder Italien, wo 99 beziehungsweise 97 Prozent Korruption für weit verbreitet halten. Besonders schlecht schneidet Rumänien ab, wo Korruption laut Bericht "System bedingt" ist. dpa

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