„Wir vergeben Chancen“

Berlin · Die Wirtschaft benötigt nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, mehr Planungssicherheit bei der Beschäftigung von Flüchtlingen. Vor allem bei der Reform des Bleiberechts gebe es weiter Handlungsbedarf, so Schweitzer im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Schweitzer, werden Flüchtlinge und Einwanderer immer wichtiger für den deutschen Arbeitsmarkt?
Eric Schweitzer:
Hier müssen wir klar unterscheiden: Flüchtlinge kommen aus Angst um Leib und Leben, Zuwanderer zum Beispiel aus Spanien, weil sie hier gute Arbeitsmarktperspektiven sehen. Richtig ist, dass wir mit Blick auf die demografische Entwicklung künftig stärker auf Fachkräfte aus dem Ausland setzen müssen. Gleichzeitig sollten wir den schutzbedürftigen Flüchtlingen Perspektiven bieten und ihnen hierzulande eine Ausbildung und Arbeit ermöglichen. Wir dürfen aber nicht so tun, als müssten Flüchtlinge unser Fachkräfteproblem lösen. Am besten wäre es natürlich, es bestünde kein Grund zur Flucht.

Die Debatte darum ist allerdings verworren. Welche rechtlichen Änderungen muss es aus ihrer Sicht dringend geben?
Eric Schweitzer:
Flüchtlinge mit Bleibeperspektive müssen während einer Ausbildung sicher vor Abschiebung sein. Unternehmen und Azubis brauchen hier Rechts- und Planungssicherheit. Dies sollte auch für eine anschließende mindestens zweijährige Beschäftigung gelten. Die kürzlich beschlossene Reform des Bleiberechts hat leider keine zufriedenstellende Lösung gebracht. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf. Wir vergeben Chancen, wenn wir Talente nicht nutzen und gleichzeitig viele tausend Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben.

In welchen Berufen könnten Flüchtlinge besonders gut Fuß fassen?
Eric Schweitzer:
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Es hängt natürlich stark von der Qualifizierung ab. Ganz wichtig für eine Ausbildung und Beschäftigung sind natürlich Sprachkenntnisse. Das gilt auch für die Integration im Betrieb und in der Gesellschaft. Ein frühzeitiger Zugang zu Sprach- und Integrationskursen ist deshalb das A und O.

Derzeit gibt es viel Angriffe auf Flüchtlingsheime in Deutschland. Schadet das dem Wirtschaftsstandort Deutschland?
Eric Schweitzer:
Die Angriffe verurteile ich auf das Schärfste. Wir brauchen eine Willkommenskultur, die in der Gesellschaft verankert ist. Ich sage das auch aus Eigeninteresse, denn die Unternehmen sind immer stärker auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen.

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