„Wir müssen christliche Flüchtlinge aufnehmen“

Saarbrücken · Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) ist entsetzt über das Vorgehen der ISIS-Terroristen gegen Christen in Mossul. Der 61-Jährige hatte sich erst kürzlich aktiv, aber vergeblich für die Freilassung verschleppter Schülerinnen in Nigeria eingesetzt. Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff sprach mit dem gläubigen Katholiken aus München über islamistische Exzesse und die jüngsten antijüdischen Demonstrationen.

Was ist Ihre Empfindung angesichts der Vertreibung der Christen aus Mossul?
Singhammer: Das ist eine der schlimmsten Nachrichten der letzten Jahre. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Christen dort seit vielen Jahrhunderten friedlich mit Muslimen zusammengelebt haben. Das ist nun brutal beendet worden.

Sollte Deutschland jetzt kurzfristig ein Kontingent von christlichen Flüchtlingen aus Syrien aufnehmen, wie es schon 2008 nach einem Vorschlag Wolfgang Schäubles diskutiert wurde?
Singhammer: Ja, wir müssen christliche Flüchtlinge aufnehmen. Vor allem auch deshalb, weil die Betroffenen in dem zunehmend christenfeindlichen Umfeld aus überwiegend islamischen Staaten kaum eine sichere Zuflucht finden. Gleichzeitig müssen wir aber genau darauf achten, dass die Täter im Zuge einer solchen Aktion nicht auch bei uns unterschlüpfen.

Die Islamisten von ISIS berufen sich auf ihre Religion. Viele Menschen in Deutschland sagen schon: Der Islam ist intolerant. Ist er das?
Singhammer: Ich halte nichts von Pauschalbeurteilungen. Aber unbestritten sind die Islamiten, die in Mossul Christen vertreiben und töten, intolerant. Ich habe vor drei Wochen Nigeria besucht und mit Müttern der über 200 verschleppten Mädchen gesprochen. Etwa ein Drittel der Frauen waren selbst Muslime. Die Terroristen machen wenig Unterschied bei der Religionszugehörigkeit.

Haben Sie eigentlich Neuigkeiten über den Verbleib der Schülerinnen?
Singhammer: Leider sind sie noch nicht zurück. Es gab im Gegenteil noch weitere Entführungsaktionen. Es ist eine ganz schlimme Situation für die verzweifelten Eltern.

Einige der irakischen und syrischen ISIS-Kämpfer sind in Deutschland aufgewachsen. Müssen ihre Elternhäuser und deren Umfeld mehr tun, um so etwas zu verhindern?
Singhammer: Auf alle Fälle. Und Deutschland muss bei der Vergabe der deutschen Staatsangehörigkeit vorsichtiger sein. Leute, die sich islamistischen Haltungen verschrieben haben und in Länder des Nahen Ostens fahren, um dort Andersgläubige zu massakrieren, oder die so etwas unterstützen, dürfen nicht Deutsche werden.

Erwarten Sie von den Muslimen in Deutschland ein klares Wort zur Christenverfolgung im Irak und anderswo?
Singhammer: Es wäre sehr hilfreich, wenn die muslimischen Organisationen einmal Klartext reden würden und sich für die Christen und gegen deren Vertreibung aktiv einsetzen. Das sollte auch ein Thema der nächsten Islamkonferenz sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine intolerante Art des Denkens, die sich auf Religion beruft, zu uns nach Deutschland importiert wird.

Bei Demonstrationen gegen Israels Vorgehen in Gaza wurden Juden beschimpft oder gar körperlich angegriffen. Wie soll der Staat darauf reagieren?
Singhammer: Es ist unerträglich, wenn antijüdische Parolen gerufen werden, wie das offenkundig in Berlin und anderen Orten geschehen ist. Sofern die Täter nicht deutsche Staatsangehörige sind, sage ich: Wir wollen nicht, dass Menschen hier ein Aufenthaltsrecht bekommen und es dann für solche Aktionen missbrauchen. Leute, die eine solche antijüdische Grundhaltung haben, missbrauchen ihr Gastrecht mit solcher Art von Demonstrationen, und die wollen wir in Deutschland nicht haben.

Ist der radikale Islamismus auf dem Vormarsch, und wie muss sich Europa dazu verhalten?
Singhammer: Meine Gesprächspartner in Westafrika haben die Befürchtung geäußert, dass sich eine Sichel des Terrors von der Sub-Sahara bis in den Irak bilden könnte, und warnen Europa davor. Europa, auch Deutschland, muss die Kräfte der Toleranz stärken, so wie es jetzt auch in der neuen Afrika-Strategie der Bundesregierung angelegt ist. Mit Armutsbekämpfung, mit Bildung, mit Hilfen zur friedlichen Konfliktlösung.

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