Verteidigung Von der Leyens Haus sieht sich gut gerüstet

Berlin · An den jüngsten Rüstungsreformen scheiden sich in Berlin die Geister.

Hat es nach all den Rüstungsskandalen einen Kulturwandel im Verteidigungsministerium gegeben? Läuft die Kontrolle der milliardenteuren Beschaffungen endlich besser? Das Ministerium selbst findet, dass ihm eine grundlegende Reform gelungen sei; die Opposition und die noch mitregierende SPD sind nicht überzeugt.

Der überteuerte Lufttransporter A400M, die nicht zulassungsfähige Drohne Euro-Hawk und das schlecht schießende Sturmgewehr G36 waren nur die Spitze eines Eisberges schlechter Nachrichten, der 2013 die Amtsübernahme durch Ursula von der Leyen (CDU) begleitete. Die neue Ministerin ließ von externen Beratern ein Gutachten erstellen und holte von McKinsey Katrin Suder (45) als beamtete Staatssekretärin. Die Managerin sollte die internen Prozesse umstellen, das Controlling revolutionieren und dem Beamtenapparat so etwas wie betriebswirtschaftliches Denken beibringen.

Im Ministerium glaubt man drei Jahre nach dem Start des Reformprogramms namens „Agenda Rüstung“, dass das gelungen ist und man künftig auch steigende Wehretats bewältigen kann. So werden Projekte jetzt häufiger europaweit ausgeschrieben oder in internationaler Kooperation gemacht. Etwa ein deutsch-norwegisches U-Boot oder der von Angela Merkel und Emmanuel Macron erst am Donnerstag in Paris vereinbarte Bau eines gemeinsamen Kampfflugzeuges. Die nationale Industrie wird nur noch bei wenigen Schlüsseltechnologien bevorzugt. Intern wurden die Verantwortlichkeiten besser geklärt, die Hierarchien abgeflacht. Die Ministerin wird nun halbjährlich über den Fortschritt aller Projekte unterrichtet. Zudem wurden die Verträge mit der Industrie überarbeitet und härtere Vertragsstrafen eingebaut.

Im Ergebnis glaubt man im Ministerium eine „Trendwende Material“ erreicht zu haben und verweist darauf, dass dem Verteidigungsausschuss in der zurückliegenden Periode 77 Beschlussvorlagen mit einem Gesamtvolumen von über 30 Milliarden Euro unterbreitet werden konnten, eine Verdopplung. Darunter 131 „Boxer“-Fahrzeuge, 104 Leopard-Panzer und fünf neue Korvetten. Insgesamt seien fast 38 000 Kaufverträge abgeschlossen worden. Allein in diesem Jahr gibt die Bundeswehr fünf Milliarden Euro für militärische Beschaffungen aus, weitere sechs Milliarden für Materialerhalt oder Forschung. Tendenz in den nächsten Jahren: Steigend.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, erkannte die Erfolge teilweise an. „Transparenz und Controlling haben sich verbessert“, sagte er der SZ. Doch fehlten im Beschaffungswesen derzeit 1500 Juristen, IT-Fachleute und Ingenieure. Es sei unverständlich, warum sich das zuständige Bundesamt in Koblenz darum nicht rechtzeitig gekümmert habe. Außerdem habe das Ministerium etliche vergaberechtliche Prozesse verloren. „Manchmal hat man den Eindruck, dass man neue Wettbewerber heraushalten will“, sagte Arnold.

Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger kann einen grundlegenden Wandel nicht erkennen. Nach wie vor seien weder die Bedürfnisse der Soldaten noch die der Steuerzahler das entscheidende Kriterium bei Rüstungsaufträgen, „sondern Wünsche von Koalitionsabgeordneten und der Industrie“. Brugger verwies etwa auf die nachträgliche Beschaffung von fünf weiteren Korvetten „die vor allem ein irrsinnig teures Wahlkreisgeschenk für die Koalitions-Haushälter waren“ sowie auf die anhaltenden Probleme beim A400 M. Bruggers Bilanz: „Es gab nur viele schöne Worte und ein paar gut klingende Studien“.

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