Österreichs Rentensystem „Als Vorbild schlechthin kann Österreich nicht gelten“

Berlin · Rentenexperte Rürup warnt Deutschland davor, sich am System des Nachbarn zu orientieren. Es sei „finanzwirtschaftlich weniger nachhaltig“.

 Er hat Rentenpolitik-Geschichte geschrieben: Bert Rürup.

Er hat Rentenpolitik-Geschichte geschrieben: Bert Rürup.

Foto: dpa/Foto: Uwe Anspach

In der Debatte über die Zukunft der gesetzlichen Rente in Deutschland dient häufig Österreich als Vorbild. Die Linkspartei lobt es sogar ausdrücklich in ihrem Wahlprogramm. Der Präsident des Handelsblatt Research Institutes und einstige Mitschöpfer der rot-grünen Rentenreformen, Bert Rürup, sieht das Modell allerdings mit Skepsis.

Was halten Sie grundsätzlich vom Rentensystem Österreichs?

RÜRUP Das derzeitige Pensionssystem in Österreich ist zweifellos generöser als das deutsche. Bei gleichen Bruttolöhnen ist beim Renteneintritt die Jahresrente eines vormaligen österreichischen Arbeitnehmers etwa 40 Prozent höher als die eines deutschen Zugangsrentners. In Österreich sind allerdings auch die Beitragssätze höher. Hinzu kommt ein Bundesbeitrag, der auch aus einer höheren Einkommensteuer finanziert wird. Die Folge ist, dass das österreichische Pensionssystem finanzwirtschaftlich weniger nachhaltig ist als das deutsche.

Wie das? Auch in Deutschland wird die Rentenkasse mit Beiträgen und Steuergeldern finanziert.

RÜRUP Richtig, aber der Anteil der Bundeszuschüsse in Relation zu den Rentenausgaben ist geringer. Außerdem folgt die Festsetzung festen Regeln und nicht nach der Kassenlage.

Gibt es noch andere Haken?

RÜRUP Anders als in Deutschland orientieren sich die jährlichen Pensionsanpassungen in Österreich nicht an der Entwicklung der Löhne, sondern an der der Verbraucherpreise. Dadurch wird lediglich der Realwert der Pensionen zum Zeitpunkt des Renteneintritts stabilisiert. Anders als in Deutschland werden die Pensionäre dort also nicht an den Reallohnsteigerungen als Folge des Produktivitätswachstums beteiligt. Dadurch fallen die Bezüge der Ruheständler im Vergleich zu denen der Beschäftigten kontinuierlich zurück.

Wegen des schrittweisen Absenken des Rentenniveaus in Deutschland hinken die Altersbezüge den Löhnen auch immer stärker hinterher.

RÜRUP Der Einbau von Bremsfaktoren in die Rentenanpassungsformel war eine klare Entscheidung zur Entlastung künftiger Beitragszahler. Anders als in Österreich erhöht sich aber dennoch auch in Zukunft die reale Kaufkraft der Rentner in Deutschland. Nur eben langsamer als die der Beschäftigten.

Also gibt es gar nichts, was man sich abschauen kann?

RÜRUP Im Detail durchaus, zum Beispiel der Pensionszuschlag für die Bezieher niedriger Alterseinkommen. Als Vorbild schlechthin kann das österreichische System aber nicht gelten. Es ist im internationalen Vergleich sehr teuer und trägt viel zu der wenig zukunftsorientierten Struktur des österreichischen Staatshaushalts bei. Zudem ist ökonomisch unstrittig, dass ein Altersvorsorgesystem, das aus einer Mischung aus umlagefinanzierten Renten und kapitalgedeckten Ergänzungssystemen besteht, die bessere Lösung ist als ein System, das nur auf das Umlageverfahren oder nur auf Kapitaldeckung setzt. Hier ist Österreich ebenfalls deutlich im Nachteil.

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