Canan Bayram „Jamaika würde die Gräben noch vertiefen“

Berlin · Die Ströbele-Nachfolgerin als direkt gewählte Grünen-Abgeordnete in Berlin ist gegen ein Bündnis mit Union und FDP.

 Canan Bayram von den Grünen gewann in Berlin ein Direktmandat.

Canan Bayram von den Grünen gewann in Berlin ein Direktmandat.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Die 51-jährige türkischstämmige Rechtsanwältin Canan Bayram hat im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg das einzige Bundestags-Direktmandat für die Grünen verteidigt. Ihr Partei­freund Hans-Christian Ströbele, der den Wahlkreis seit 2002 gewonnen hatte, trat nicht mehr an. Bayram zählt zum linken Parteiflügel. Einer möglichen Jamaika-Koalition hat Bayram bereits eine Absage erteilt.

Frau Bayram, wie fühlt man sich als einzige direkt gewählte Abgeordnete der Grünen?

BAYRAM Natürlich bin ich sehr froh darüber, denn ich war ja nicht auf der Landesliste vertreten. Und es ist schon eine Ehre, als Nachfolgerin von Hans-Christian Ströbele diesen ganz besonderen Wahlkreis im Bundestag zu vertreten.

Sie gelten als radikale Linke, haben den beiden Spitzenkandidaten Göring-Eckardt und Özdemir „das Charisma von CDU-Ortsvereinsvorsitzenden“ bescheinigt. Sehen Sie sich als Störfaktor in Ihrer künftigen Fraktion?

BAYRAM Sie spielen auf eine von mir zitierte Bemerkung einer älteren Dame an, die in meinem Wahlkreis schon lange bei den Grünen dabei ist. In dem Gespräch mit ihr ging es um die Frage, wofür die Grünen eigentlich noch stehen. Auch ich bin der Auffassung, dass sich die Grünen wieder schärfer profilieren müssen.

Offenkundig waren Personal und Programm der Grünen aber erfolgreich. Denn die Partei hat beim Wahlergebnis zugelegt.

BAYRAM Aber wir sind doch unter unserem Wahlziel geblieben. Wir sind weder zweistellig, noch drittstärkste Kraft geworden. Das Programm war gut, aber den beiden Spitzenkandidaten ist es nicht gelungen, dieses Programm in den wesentlichen Aussagen bei den Menschen rüberzubringen.

Ein mögliches Jamaika-Bündnis mit Union und FDP haben Sie bereits abgelehnt. Warum?

BAYRAM Weil ich mir nicht vorstellen kann, wie es in dieser Konstellation gelingen soll, eine Lösung für die Probleme der Menschen anzubieten und weil wir CSU-CDU-FDP-Politik mittragen und verantworten müssten, die wir eigentlich kritisieren sollten. Die Union wurde abgestraft, sie hat viele Stimmen verloren. Und mit einer erstarkten FDP, die genau die gegenteiligen Positionen von uns vertritt bei den Themen Migration, Mieten, Umwelt und auch bei der sozialen Frage, geht das schon gar nicht.

Aber die Verhandlungen haben noch nicht einmal begonnen. Sollen die Grünen gleich in die Opposition gehen?

BAYRAM Nein. Aber ich sage, eine Jamaika-Koalition würde die Gräben in der Gesellschaft noch vertiefen. Man kann doch zum Beispiel nicht ernsthaft erwarten, dass sich der Osten von der FDP in sozialen Fragen vertreten fühlt.

Wenn „Jamaika“ scheitert, sind Neuwahlen nahliegend. Glauben Sie, dass die Grünen dann besser abschneiden?

BAYRAM Entweder Jamaika oder Neuwahlen – das ist doch einer sehr verkürzte Debatte. Da sollten sich alle Demokraten doch etwas mehr anstrengen. Wir müssen darüber reden, welche Politik wir brauchen, um das Land als Ganzes voranzubringen. Selbst die Jamaika-Befürworter schließen ja ein Scheitern nicht aus. Und das letzte Wort über ihre künftige politische Rolle ist sicher auch bei der SPD noch nicht gesprochen.

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