„Frau Le Pen wartet nur darauf“

Berlin · Der Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, David McAllister (CDU), warnt die Briten: Bei einem Brexit würde Großbritannien erheblich an Einfluss verlieren. Auch seien die ökonomischen und sicherheitspolitischen Folgen gravierend, so der frühere niedersächsische Ministerpräsident im Gespräch mit unserer Zeitung. McAllister ist Sohn einer Deutschen und eines Briten und besitzt auch die britische Staatsbürgerschaft.



Herr McAllister, wem würde ein Brexit mehr schaden - Großbritannien oder der EU?
David McAllister:
Das wäre für alle Beteiligten von erheblichen Nachteilen. Aber die Konsequenzen träfen das Vereinigte Königreich schwerwiegender.

Welche meinen Sie?
David McAllister:
Man kann es so zusammenfassen: Innerhalb der EU ist Großbritannien stärker, sicherer und wirtschaftlich besser gestellt. Denn ein Ausscheiden könnte auch ein Verlassen des Binnenmarktes zur Folge haben, was erhebliche wirtschaftliche Nachteile brächte. Darüber hinaus darf man die sicherheitspolitischen Konsequenzen nicht unterschätzen: Terrornetzwerke agieren international. London hätte einen erschwerten Zugang zu wichtigen europäischen Datenbanken. Generell würde das Vereinigte Königreich erhebliche politische Mitgestaltungmöglichkeiten in Brüssel verlieren.

Wolfgang Schäuble sagt: "Drin heißt drin, raus heißt raus". Ist dem so?
David McAllister:
Die Grundlage für einen Austritt ist Artikel 50 des EU-Vertrages. Er sieht vor, dass in einer zweijährigen Periode das formelle Ausscheiden des Landes abgewickelt und zugleich ein neuer Rechtsrahmen für die künftigen Beziehungen zur EU verabschiedet wird. Das ist sehr knapp bemessen, um eine neue Basis für die Zusammenarbeit mit dem Binnenmarkt der anderen 27 EU Staaten zu finden. Das wäre alles sehr langwierig und kompliziert mit zu erwartenden Finanzmarktturbulenzen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Wie könnte man unentschlossene Briten noch ködern, für einen Verbleib in der EU zu stimmen?
David McAllister:
Diese Entscheidung am 23. Juni ist fundamental. Es kommt auf jede Stimme an. Den Wählern sollte ruhig und faktenbasiert erläutert werden, dass ihr Land erheblich an Gestaltung- und Einflussmöglichkeiten verlieren würde. Man kann die EU nur als Mitglied aktiv verbessern. Unabhängig vom Ausgang des Referendums ist eine Debatte über die politische Zukunft Europas geboten. Ergebnisoffen sollte das Verhältnis zwischen der EU und den Mitgliedstaaten überprüft werden. Es gilt dabei was EU-Kommissionspräsident Juncker gesagt hat: Die Europäische Union muss sich um die großen und wesentlichen Themen kümmern, und nicht um die Kleinigkeiten.

Würde ein Brexit die Radikalen in Europa stärken?
David McAllister:
Frau Le Pen vom Front National in Frankreich wartet nur darauf. Allerdings war schon vor der Debatte über das Referendum ein besorgniserregender Anstieg der radikalen Kräfte zu beobachten. Sie würden versuchen, das Votum am 23. Juni als Bestätigung ihres Kurses zu interpretieren. Auch deshalb hoffe ich, dass die Briten für den Verbleib in der EU stimmen.

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