Europa-Staatsminister Roth über die Folgen für Deutschland und Europa

Berlin · Der Staatsminister im Auswärtigen Amt und Regierungsbeauftragte für die deutsch-französischen Beziehungen, Michael Roth (SPD), mahnt im Gespräch mit unserem Korrespondenten Werner Kolhoff zu Besonnenheit bei der Reaktion auf die Anschläge von Paris.



Was heißt jetzt Solidarität mit Frankreich?
Michael Roth:
Jede Kerze, die irgendwo für die Opfer angezündet, und jede Blume, die irgendwo abgelegt wird, ist ein Zeichen dafür, wie eng unsere Länder miteinander verbunden sind. Auch und vor allem emotional. Solche Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls verdeutlichen: das ist ein Anschlag auf unsere gemeinsamen Werte in Europa. Wir müssen diese Auseinandersetzung gegen Terroristen, die unsere freiheitliche Art des Lebens angreifen, gemeinsam führen.

Was heißt das, muss Deutschland wieder, wie nach den Angriffen 2001 in New York, uneingeschränkte Solidarität zeigen, auch militärisch?
Michael Roth:
Die Franzosen müssen sich auf Deutschland, Europa und die internationale Gemeinschaft verlassen können. Noch ist es aber zu früh, abschließende Entscheidungen darüber zu treffen, wie und in welchem Umfang man nach dem Pariser Anschlag gegen den IS vorgehen soll. Aber wir werden alles prüfen, was nötig ist, und dies auf das Engste mit unseren französischen Partnern abstimmen. Dabei kann es nicht nur um militärische Aktivitäten gehen. Wir müssen uns mit diesem Terrorismus auch diplomatisch und kulturell auseinandersetzen. Schließlich greift er unsere Werte und Europa als Gemeinschaft von Freiheit und Demokratie an.

Kann es bei der deutschen Zurückhaltung im Kampf gegen den IS bleiben?
Michael Roth:
Ich sehe keine deutsche Zurückhaltung. Wir helfen den Kurden im Kampf gegen den IS mit Ausbildung und Waffen, und wir nutzen den gesamten Instrumentenkasten der Außenpolitik. So engagiert sich Deutschland besonders stark für eine Lösung des Syrien-Konfliktes.

Müssen die deutschen Sicherheitsbehören aufgerüstet werden?
Michael Roth:
Wir sind schon seit Jahren potenzielle Zielscheibe des Terrors und entsprechend vorbereitet. Ich sehe deshalb keine akute Notwendigkeit, Gesetze abermals zu verschärfen. Aber wir müssen besonders wachsam sein und diese Wachsamkeit muss mit Besonnenheit gepaart sein. Der schwierigste Kampf ist vielleicht der gegen die Angst der Menschen. Wir müssen den Bürgern deutlich machen: Auch freiheitliche, offene Gesellschaften wie die unsrige können Sicherheit gewährleisten. Allerdings ist immer klar: Noch so hohe Zäune, noch so strenge Sicherheitsmaßnahmen können uns nicht zu hundert Prozent vor diesen Massenmördern schützen.

CSU-Mann Markus Söder sagt, dies ändere in Sachen Flüchtlingspolitik alles. Ändert das alles?
Michael Roth:
Ich halte es für sehr gefährlich, einen Zusammenhang zwischen den Flüchtlingen und diesem furchtbaren Terrorakt herzustellen. Die Menschen, die zu uns kommen, fliehen doch auch vor dem Terror des IS oder der Taliban. Jetzt alle Flüchtlinge unter einen Generalverdacht zu stellen, ist verantwortungslos.

Muss aber nicht wenigstens mehr Kontrolle erfolgen?
Michael Roth:
Selbstverständlich. Wir müssen wissen, wer zu uns kommt und wie er zu uns kommt. Darauf sind unsere Anstrengungen in der EU gerichtet. Wir müssen Flüchtlinge beispielsweise frühzeitig und umfassend registrieren. Und selbstverständlich muss es auch darum gehen, unsere europäischen Außengrenzen gemeinsam zu schützen.

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