CDU im Wahlkampf Die Union probt Ernstfall an der Haustür

Berlin · Die CDU geht im Bundestags-Wahlkampf zu den Wählern nach Hause. Dafür werden im Konrad-Adenauer-Haus Szenarien durchgespielt.

 CDU-Generalsekretär Peter Tauber stellt in der Parteizentrale in Berlin die Plakate für den Bundestagswahlkampf vor. Dabei setzt die Union besonders darauf, potenzielle Wähler zu Hause zu besuchen.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber stellt in der Parteizentrale in Berlin die Plakate für den Bundestagswahlkampf vor. Dabei setzt die Union besonders darauf, potenzielle Wähler zu Hause zu besuchen.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Der Wutbürger hat einen Bauch, schütteres Haar und trägt ein bräunliches Shirt. Dieser Mann erscheint auf der digitalen Haustür und legt gleich los: „Das ist doch alles eine Soße“, schimpft er auf die Parteien. „Hauen Sie ab!“ Da gibt es für den christdemokratischen Wahlkämpfer nur noch eins: Ruhig bleiben, mit ein paar netten Worten geordnet den Rückzug antreten. So wird im Konrad-Adenauer-Haus der CDU für den Ernstfall geübt.

Allerdings ist das nur eine von mehreren Begegnungen der inszenierten Art. Denn auch freundlich und zugewandt kann man an der Bildschirm-Pforte empfangen werden – beispielsweise mit der Einladung einer gemütlichen Dame zum Kuchen. Dann heißt es: Höflich ablehnen, weil man ansonsten zu viel Zeit verliert. Und natürlich daran erinnern, doch bitteschön die CDU zu wählen. Die Union glaubt zu wissen, wie man den Urnengang am 24. September erfolgreich stemmen kann – von Tür zu Tür. Darum dreht sich fast alles in der Wahlkampfzentrale der Christdemokraten.

Wer der so wichtigen Schaltstelle einen Besuch abstatten will, muss mit dem Fahrstuhl in die zweite Etage fahren. Dann kommt er erst einmal an Wahlplakaten aus früheren Zeiten vorbei. Mit Helmut Kohl („Weltklasse für Deutschland“), Edmund Stoiber („Zeit für Taten“) und natürlich mit Angela Merkel („Ein neuer Anfang“). Wände wurden hier beseitigt oder verrückt, Glasscheiben eingezogen – das ist der „Maschinenraum“, die Einsatzzentrale. Alles ist hier etwas hipper als sonst bei den Konservativen. Die Offenheit soll inspirieren, es gibt einige Sitzecken zum flinken Meinungsaustausch, es gibt Sofas, viel Technik, ein kleines Fernsehstudio – und eine riesige Schultafel. Dann doch wie früher. Darauf kann jeder mal schnell eine kreative Idee fixieren. Eine hängt an der Wand, ein Spruch: „Cool bleiben und Kanzlerin wählen.“

Eigentlich sind es drei Zentralen in einer, die Generalsekretär Peter Tauber in der zweiten Etage vereint hat: Ein Team der Hamburger Agentur „Jung von Matt“ ist vertreten, das auf Plakaten, in Filmchen und im Netz die Kanzlerin volksnah, emotional und zugleich kampfeslustig erscheinen lassen soll. Hier finden auch die Gegnerbeobachtung und die Suche nach Falschnachrichten statt, auf die man sofort reagieren muss. Dazu die Online-Redaktion und das eigentliche Herzstück der Wahlkampfzentrale: „Connect17“.

So nennt sich das Unterstützernetzwerk, das von der Jungen Union betrieben wird. Dahinter verbergen sich Aktivisten um Conrad Clemens, den 33-jährigen Bundesgeschäftsführer der JU. Die halbe Etage hat der erst 42-jährige Tauber den jungen Leuten als digitalen Spielplatz in Start-Up-Optik eingerichtet. Samt Hausattrappe zum Üben. Sie organisieren den Haustürwahlkampf, sie beantworten Fragen am Telefon oder online und sie planen Schulungen. Drei digitale Haustüren sind im Land unterwegs, um Parteigänger für den Umgang mit dem Wähler von Angesicht zu Angesicht fit zu machen. Über 5000 haben sich bereits schulen lassen. Die Mobilisierung ist immens.

Immer noch ist man im „Maschinenraum“ überrascht vom Erfolg des Konzeptes. Denn neu ist der Haustürwahlkampf nicht. Aber die Union hat ihn geschickt professionalisiert, mit einer App für die Bewertung des Tête-à-Têtes mit dem Bürger, mit Standortanalysen, wo das Klingeln an der Tür sinnvoll ist und wo nicht. SPD-Hochburgen gehören nicht dazu. „Das kann keiner mehr in den verbleibenden Wochen kopieren“, schwärmt JU-Mann Clemens. Was freilich nicht stimmt. Die SPD verfolgt ein ganz ähnliches Konzept. Mit ganz ähnlicher Technik.

Tauber berichtet stolz, unter den CDU-Mitgliedern sei durch die App, die auch ein Ranking enthält, ein regelrechter Wettbewerb entstanden. Manch einer habe 17 Besuche in einer Stunde geschafft. Dass jemandem dabei mal regelrecht „Hass“ entgegenschlagen sei, sei eine absolute Ausnahme. Die Erfolge bei den Landtagswahlen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen führt Tauber nicht nur, aber auch auf dieses Mittel zurück. Insgesamt will die CDU für ihren Wahlkampf 20 Millionen Euro ausgeben, um wieder die 40-Prozent-Marke zu knacken. Von der CSU kommen auch noch einige Millionen dazu.

Ob die Parteivorsitzende und Kanzlerin höchstpersönlich in den Haustürwahlkampf einsteigt? Die Frage überrascht Tauber etwas. Er antwortet: „Angela Merkel ist ganz begeistert von dem Projekt.“ Aber selber irgendwo klingeln wird sie nicht. Dafür schaut sie aber ab und an in der Wahlkampfzentrale vorbei.

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