Atommüll in Deutschland Mit der Suche nach dem Endlager wird jetzt ernst gemacht

Berlin · Deutschland forscht nach einem sicheren Ort für seinen Atommüll – immer noch. Ein neuer Fahrplan wird nun konkret. Geprüft wird im ganzen Land.

 Der Salzstock Gorleben schied nach jahrzehntelangen Diskussionen um die Endlager-Suche aus. Ein neuer Standort soll bis 2031 gefunden sein.

Der Salzstock Gorleben schied nach jahrzehntelangen Diskussionen um die Endlager-Suche aus. Ein neuer Standort soll bis 2031 gefunden sein.

Foto: dpa/Philipp Schulze

(SZ/dpa) Niemand in Deutschland will ein atomares Endlager bei sich haben; der Standort Gorleben ist gescheitert, weil er nicht durchsetzbar war. Eine neue, ergebnisoffene Suche im ganzen Land soll nun die Lösung bringen, das entsprechende Gesetz wurde im Frühjahr verabschiedet. Und damit wird es jetzt ernst. Viele Regionen könnten betroffen sein.

Der erste Schritt wurde gestern in Berlin verkündet: Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit startet ab August mit einem neuen Verfahren für die Genehmigung von Tiefenbohrungen. Jede bergbauliche Aktion unterhalb von 100 Metern, ob es eine Wasser-, Öl- oder Geothermiebohrung ist, braucht dann nicht nur das Ja der zuständigen Landes-Bergbaubehörde, sondern auch die Zustimmung des dem Umweltministerium unterstehenden Bundesamtes. Und das wird immer dann Nein sagen, wenn das Vorhaben eine mögliche geologische Formation für ein künftiges Endlager berühren würde. Es ist praktisch eine Veränderungssperre für den Untergrund in ganz Deutschland. Er rechne mit bis zu 5000 Prüf-Anträgen, sagte Behördenchef Wolfram König. Alle Entscheidungen werden im Internet veröffentlicht – für jeden Bürger einsehbar. Gegen die Bescheide können die betroffenen Firmen im Zweifelsfall klagen.

Wohl um zu erwartende Aufregungen zu zerstreuen, betonte König, dass eine Ablehnung von Bauvorhaben keinesfalls schon bedeute, dass dort ein Endlager hinkomme. Sie bedeute nur, dass hier potentiell eine Schicht sei, deren Dichtigkeit nicht von vornherein durch Abbau beeinträchtigt werden solle. Umgekehrt habe eine Bohr-Genehmigung auch nicht zur Folge, dass eine Gegend schon ausgenommen sei von der Endlagersuche. Ein solches Endlager könne dort trotzdem entstehen, zum Beispiel weil die richtigen Gesteinsschichten viel tiefer liegen, oder weil sie sich in der Nähe befinden. Allerdings will die Behörde auch verhindern, dass einzelne Bundesländer anfangen, nun ausgerechnet jene Gegenden mit vielen Bohrungen zu perforieren, die später für ein Endlager in Frage kämen – und sich so aus dem Rennen nehmen. Denn zu den Anforderungen an das Endlager für stark strahlenden Atommüll, der eine Million Jahre eingelagert werden soll, gehört, dass die Gesteinsschichten dicht sein müssen. Bestehende Genehmigungen sind von dem neuen Verfahren nicht berührt, sie gelten weiter.

In Frage kommt für die Endlagerung zum einen Salzgestein, dass es fast nur in Niedersachsen gibt. Dann Tonschichten, die in ganz Norddeutschland sowie in Baden-Württemberg verbreitet sind. Außerdem Granit, das etwa in Bayern vorkommt. In Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen und im Saarland gibt es kaum geeignete Gesteinsformationen. Mehr Klarheit wird es in der kommenden Legislaturperiode geben. Dann will die mit der Suche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) den Kreis der in Frage kommenden Gebiete stark eingrenzen. Bohrungen in allen ausgeschiedenen Regionen unterliegen dann nicht mehr dem neuen Genehmigungsverfahren. Dafür dürfte die Aufregung in den verbleibenden Gegenden umso größer sein. Ein von Ex-Umweltminister Klaus Töpfer geleitetes Gremium aus Wissenschaftlern und Bürgern begleitet den ganzen Prozess.

Nach den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um Gorleben hatten sich Parteien und Experten auf einen Neustart bei der Endlager-Suche geeinigt. Das neue Standortauswahl-Gesetz ist seit Mai in Kraft. Ziel ist, bis 2031 ein Endlager zu finden und es bis Mitte des Jahrhunderts fertig zu haben.

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