Interview mit Hubertus Heil „Die SPD hat klare Konzepte, die CDU/CSU nicht“

Berlin · Der SPD-Generalsekretär spricht über die Umfragekrise seiner Partei, Martin Schulz und den Gegenwind aus der Wirtschaft.

Am Sonntag trifft sich die SPD in Dortmund zum Parteitag, um ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl zu beschließen. Mit Spannung wird die Rede von Kanzlerkandidat Martin Schulz erwartet, denn nach anfänglichem Höhenflug befindet sich die Partei in den Umfragen wieder im Keller. Generalsekretär Hubertus Heil glaubt weiter, dass 30 Prozent plus X drin sind. Schulz habe mehr zu bieten als Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU).

Herr Heil, was ist für Sie ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl?

HEIL Wenn die SPD stärkste Kraft und Martin Schulz Bundeskanzler wird.

Das heißt, 30 Prozent plus X?

HEIL Das ist drin.

Im Moment bewegt sich die SPD keineswegs in diesen Sphären. Wie wollen Sie die Kanzlerin noch packen?

HEIL Das Rennen ist vollständig offen. Wir haben bei allen Landtagswahlen erlebt, dass sie am Ende anders ausgegangen sind, als wenige Monate vorher prognostiziert wurde. Es geht um eine Richtungsentscheidung für Deutschland, um Zukunfts- und Gerechtigkeitsfragen. Und darum, wie Europa zusammenhält. Die SPD hat klare Konzepte, die CDU/CSU und Frau Merkel nicht.

Frau Merkel setzt auf den Faktor Stabilität in unsicheren Zeiten. Den hat Herr Schulz nicht zu bieten.

HEIL Ich sehe das anders. Es wird nicht mehr reichen, wenn Frau Merkel wie in den vergangenen Wahlkämpfen politischen Fragen ausweicht. Ihr Versuch, alles einzunebeln, ist auch ein Stück Demokratieverachtung. Merkel erklärt damit die Menschen für unmündig. Die Bürgerinnen und Bürger wollen aber Orientierung, zumal es nach Brexit und Trump auch international um große Fragen geht.

Aber wenn Sie schon Trump und Brexit ansprechen, Merkel steht genau für das Gegenteil.

HEIL Die Äußerungen von Frau Merkel zu Herrn Trump waren nur zaghaft. In Wahrheit läuft sie ihm hinterher. Ein Beispiel dafür ist der Unionsvorschlag, jährlich zusätzlich 30 Milliarden Euro im Bundeshaushalt für Rüstung zu veranschlagen, nur weil Herr Trump das fordert. Das ist gefährlicher Unfug. Außerdem hat die Kanzlerin keine Idee, wie sie Europa zusammenhalten will. Da hat Martin Schulz deutlich mehr zu bieten durch seine Erfahrung und seine Leidenschaft für Europa.

Der Parteitag morgen soll die Wende bringen. Wären Ihnen 100 Prozent fürs Wahlprogramm peinlich?

HEIL Ach, ich rechne mit einer großen Mehrheit und großer Geschlossenheit. Aber wir sind eine Partei, die um Lösungen ringt. Wir sind der Kontrast zur Union, die ihr Programm lediglich in einer Vorstandsklausur besprechen will.

Müssen Sie beim Thema Vermögenssteuer nicht auf den linken Flügel zugehen?

HEIL Wir wollen die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen und große Vermögen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen. Wir zielen vor allem auf die vermögensbezogenen Steuern ab, die wir haben. Zum Beispiel die Erbschaftssteuer. Da gibt es bislang Ausnahmetatbestände für sehr Reiche, die nicht gerechtfertigt sind. Omas und Opas kleines Häuschen bleibt freigestellt.

Nochmal: Keine Vermögenssteuer mit der SPD?

HEIL Die klassische Vermögensteuer steht im Grundsatzprogramm der SPD. Aber sie steht kurzfristig nicht auf der Tagesordnung.

Die Wirtschaft behauptet, Ihr Kandidat habe keinen Respekt vor der Lebensleistung anderer. Was sagen Sie dazu?

HEIL Das behauptet die Initiative soziale Marktwirtschaft, ein Zusammenschluss sehr reicher Menschen. Diese marktradikale Lobbygruppe verdreht die Dinge. Sie ist lediglich eine Vorfeld­organisation von Frau Merkel. Tatsache ist, dass man den Spitzensteuersatz von 45 Prozent als Alleinstehende bei einem zu versteuernden Einkommen von 76 200 Euro erreicht. Und die Reichensteuer gibt es ab 250 000 Euro.

Warum sagen Sie nicht Soli-Abschaffung für alle? Macht Frau Merkel auch.

HEIL Wir haben die Abschaffung des Soli in zwei Schritten im Programm. Wir fangen bei unteren und mittleren Einkommen an. Das muss auch solide gegenfinanziert werden. Frau Merkel hat das nur mit einem Satz angekündigt. Die Union hat gar kein Steuerkonzept.

Ist Rot-Rot-Grün die einzige Alternative für die SPD zur großen Koalition?

HEIL Wir machen keinen Koalitions­wahlkampf. Wer nach der Wahl mit uns koalieren will, muss auf uns zugehen und bereit sein, tatsächlich Verantwortung zu übernehmen.

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