„Da sind noch viele Fragen offen“

Berlin · Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat vor Asylmissbrauch gewarnt und einen Vorschlag zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag angekündigten Neuregelung bei der doppelten Staatsbürgerschaft unterbreitet. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Michael Hartmann, sieht die Pläne kritisch, wie er im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter verdeutlichte:

Herr Hartmann, die Klage über Armutszuwanderung und Asylmissbrauch schien bislang eher eine Domäne der CSU zu sein. Bläst der Innenminister jetzt ins gleiche Horn?
Michael Hartmann: Offenbar will der Innenminister seine Schäfchen zusammen halten. Und dazu gehört neben seiner Partei, der CDU, nun mal auch die CSU. Ich hoffe, dass sich diese Melodie nicht fortsetzt, oder gar zuspitzt. Bislang kenne ich Herrn de Maiziere als abwägenden Politiker, der nicht zu den Scharfmachern gehört. Diesem Ruf sollte er auch weiter gerecht werden.

Der Minister hat das umstrittene Buch Ihres Parteifreundes Thilo Sarrazin, in dem vor einer Überfremdung durch Migranten gewarnt wird, ausdrücklich als Gewinn für die Zuwanderungsdebatte gelobt.
Hartmann: Die Debatte um Sarrazin und sein Buch "Deutschland schafft sich ab" hat in erster Linie üble Emotionen geweckt. Denn es war eine Debatte auf dem Rücken von Menschen, die in Deutschland eigentlich willkommen sein sollten. Am Ende hat diese Debatte nicht genützt, sondern geschadet.

Tatsache ist, dass die Zahl der Asylbewerber deutlich steigt und längst nicht alle von ihnen politisch verfolgt sind. Brauchen wir substanzielle Änderungen beim Zuwanderungsrecht?
Hartmann: Unser Zuwanderungsrecht ist alles andere als ein gelungenes Beispiel für eine Willkommenskultur. Wenn der Innenminister dagegen Änderungen plant, wird er die SPD an seiner Seite haben. Wer sich allerdings über problematische Einzelaspekte beklagt, wie zum Beispiel die leichte Erlangung eines Gewerbescheins für Ausländer, der darf die Kommunen nicht damit allein lassen. Die Städte und Gemeinden brauchen hier auch Hilfen vom Bund. Am Ende muss es allerdings immer darum gehen, die Fluchtursachen zu bekämpfen und nicht die Flüchtlinge.

Nach der Koalitionsvereinbarung soll es für "in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern" künftig eine dauerhafte doppelte Staatsbürgerschaft geben. Experten sehen verfassungsrechtliche Probleme bei der Umsetzung. Sie auch?
Hartmann: Der Anspruch, hier geboren zu sein, ist unproblematisch. Bei "aufgewachsen" wird es schon schwieriger. Denn was heißt das? Wo beginnt das? Und wie regelt man das so, dass kein bürokratisches Monster entsteht, oder eine Ungleichbehandlung? Diese Nuss muss noch geknackt werden.

Der Innenminister hat jetzt vorgeschlagen, entweder eine Meldebescheinigung für den Doppelpass gelten zu lassen, oder den Nachweis eines Schulabschlusses in Deutschland. Wäre die Nuss damit nicht geknackt?
Hartmann: Die Gefahr der Ungleichbehandlung ist mit dem Vorstoß offenkundig nicht gebannt. Es kann gute Gründe geben, warum jemand in Deutschland keinen Schulabschluss erreicht. Das können soziale, aber auch familiäre Umstände sein. Zu fragen wäre auch, welcher Schulabschluss gelten soll. Der von der Hauptschule? Oder der Berufsabschluss? Auch erreicht einer den Abschluss vielleicht erst im zweiten oder dritten Anlauf. Was gilt dann? Da sind noch viele Fragen zu beantworten.

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