Bankenexperte Gerke erläutert "Stresstest" für Banken

Berlin · Wolfgang Gerke, Bankenexperte und Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, sieht den jüngsten Bankenstresstest mit gemischten Gefühlen. Darin steckten auch politische Interessen. Mit Wolfgang Gerke sprach der Berliner SZ-Korrespondent Stefan Vetter.

Herr Gerke, welche Aussagekraft messen Sie dem Stresstest zu?
Gerke: Der Test ist besser als sein Vorgänger, weil er von einem härteren Szenario im Hinblick auf Konjunktureinbrüche ausgeht. Er unterstellt auch kritischere Situationen für die Anlagen der Banken. Aber er ist immer noch zu großzügig gewesen, was die Möglichkeit der Insolvenz eines europäischen Landes angeht. In dem Stresstest stecken auch politische Interessen. Man will einfach nicht zugeben, dass Griechenland vor einer Pleite steht.

Das heißt, die ganze Wahrheit über den Zustand der europäischen Banken legt auch dieser Test nicht offen?
Gerke: Einerseits war dieser Test zu wenig stressig, andererseits wurde er nicht allen Banken ganz gerecht. Wie etwa mit der Landesbank Hessen-Thüringen, also der Helaba, verfahren wurde, mindert die Testqualität. Denn wenn man nur aus formalen Gründen die stillen Einlagen nicht berücksichtigt, dann straft man eine Bank ab, die hervorragend durch die Finanzkrise gekommen ist. Das spricht gegen die Form dieses Stresstests.

Was passiert mit den Banken, die den Test nicht bestanden haben?
Gerke: Diese Banken sind aufgefordert, einen Plan vorzulegen, um einen solchen Stresstest künftig zu bestehen. Das bedeutet, sie müssen sich von riskanten Aktivitäten trennen, neues Kapital aufnehmen und sich möglicherweise beim Staat Unterstützung holen.

Und am Ende muss wieder der Steuerzahler bluten?
Gerke: Richtig, das ist leider nicht nur durch den Stresstest so. Die ganze Rechnung der Finanzkrise ist ja auf den Steuerzahler abgeladen worden. So gesehen leistet der Stresstest hoffentlich einen Beitrag dazu, dass Banken künftig so aufgestellt werden, dass sie keine Politik mehr zu Lasten des Steuerzahlers machen können.

Halten deutsche Banken eigentlich noch griechische Staatsanleihen?
Gerke: Ja, aber nicht in großem Maße. Dramatisch wäre es, würde Italien in Schwierigkeiten geraten, was aber nach den grundlegenden Daten nicht gerechtfertigt wäre. Dort sind deutsche Banken und Versicherungen wesentlich stärker engagiert als in Griechenland.

Von den griechischen Papieren droht also keine Gefahr für deutsche Banken?
Gerke: Die Banken sind darauf vorbereitet, dass eine Abwertung der Anleihen realistisch ist. Das sieht man daran, dass die Commerzbank, die sich in Griechenland noch engagiert, einen Schuldenschnitt für das Land gefordert hat. Das ginge nicht, wenn die Bank das nicht verkraften würde.

Viele Experten sehen in Eurobonds, also gemeinsamen Staatsanleihen des Euro-Raums die Lösung, um Spekulanten am Markt das Handwerk zu legen. Aber die Bundesregierung lehnt das vehement ab. Ist das klug?
Gerke: Das ist sehr klug, denn Eurobonds wären der automatische Weg zu billigem Geld für alle Euro-Länder. Ganz gleich, ob sie gut oder schlecht wirtschaften. Das wäre der Eintritt in die Transferunion.

Ihre Alternative?
Gerke: Aus meiner Sicht gibt es nur eine Lösung, nämlich Griechenland zur Drachme zurückzuführen und ein sofortiger Schuldenschnitt. Wir sparen Griechenland kaputt. Stattdessen brauchen wir einen Marshallplan für Athen. Länder, die die Euro-Stabilitätskritierien zu sehr vernachlässigen, müssen aus der Währungsunion ausgeschlossen werden.

In dem Falle wären die Turbulenzen an den Finanzmärkten sicher gewaltig.
Gerke: Es gibt keinen schmerzlosen Weg aus der Misere. Gegenwärtig verschieben wir die Turbulenzen nur auf der Zeitachse.

Erstmals haben Ratingagenturen auch den USA mit einer Herabstufung gedroht. Was geschieht, wenn das Land zahlungsunfähig wird?
Gerke: Die Ratingagenturen haben bislang sehr einseitig operiert. Die USA hätten längst herabgestuft werden müssen, wenn sie mit den gleichen Kriterien wie die Euro-Länder beurteilt worden wären. Wenn die USA ihre Haushaltprobleme jetzt nicht in Angriff nehmen, wird das eine internationale Finanzkrise auslösen, die die Lehman-Pleite in den Schatten stellt. Das können die USA nicht zulassen.

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