„Die EU wäre ohne Briten anders, aber nicht besser“

Der CDU-Europaabgeordnete David McAllister hält im Auftrag der Kanzlerin Kontakt mit den abgedrifteten Briten. Der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen, der neben der deutschen auch die britische Staatsbürgerschaft hat, rät im Gespräch mit SZ-Korrespondent Christopher Ziedler dazu, die Kritik Londons an der EU ernst zu nehmen.

Herr McAllister, wem drücken Sie die Daumen? David Cameron , dessen Tories einst mit Ihrer CDU verbandelt waren? Oder Ed Miliband , der als Labour-Premier kein EU-Referendum will?

McAllister: Ich wünsche mir eine Regierung in London, die stabil und handlungsfähig ist, die erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik fortsetzt und Sorge trägt, dass Großbritannien dauerhaft in der EU bleibt.

Wer das ist, wäre Ihnen also egal?

McAllister: Nein. Es gibt viel Übereinstimmung zwischen der CDU und den Konservativen, wenn auch nicht bei Fragen der weiteren europäischen Integration. Daher haben sie ja leider vor Jahren die Fraktionsgemeinschaft im Europaparlament verlassen.

Ich hätte auf Miliband als Ihren Favoriten getippt, weil mit ihm ein britischer Austritt vorerst vom Tisch wäre.

McAllister: Nein. Das von Cameron in Aussicht gestellte Referendum und der Wunsch nach einem neuen Verhältnis zur Gemeinschaft sind zu respektieren. Ich bin nicht immer mit Vorschlägen aus London einverstanden, manche ärgern mich auch. Die Briten stellen jedoch kritische Fragen, auf die die EU eine überzeugende Antwort geben muss. Miliband will ein Referendum, falls es weitere Kompetenzübertragungen von der nationalen Ebene auf die EU gibt.

Wie könnte Europas Antwort denn aussehen?

McAllister: Die neue britische Regierung ist am Zug, konkrete Vorschläge zu machen. Erst wenn schwarz auf weiß etwas vorliegt, können wir uns Gedanken machen, ob und - wenn ja - wie wir den Briten entgegenkommen und wo eben nicht. Wir sollten in jedem Fall bereit sein, ihre Vorschläge sachlich zu prüfen, wie man die EU effizienter und bürgernäher organisieren kann. London wird aber akzeptieren müssen, dass wir zum Beispiel in der Eurozone zu einer weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit kommen werden.

Soll man Reisende nicht ziehen lassen?

McAllister: Die EU wäre ohne Großbritannien eine andere, aber keine bessere. Die Briten haben den Binnenmarkt "miterfunden", sind treibende Kraft beim Freihandel, haben einen hervorragenden diplomatischen Dienst, Europas beste Streitkräfte und enge Beziehungen zu den USA. Neben ökonomischen Vorteilen für beide Seiten gibt es also viele gute Gründe, warum sie in der europäischen Familie bleiben sollten.

Die Deutschen brauchen sie besonders dringend, oder?

McAllister: Wir haben gerade in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ein hohes Maß an Übereinstimmung. Wir sollten uns positiv einschalten, wenn es zum Referendum kommt. Ein EU-Austritt träfe uns ganz direkt. Es gilt, ein klares Signal auszusenden und den Briten zuzurufen: Wir möchten, dass ihr bleibt!

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