Unabhängigkeits-Streit „Viva España“ in Kataloniens Hauptstadt

Barcelona · Hunderttausende protestieren in Barcelona für die Einheit Spaniens. Geht es nach ihnen, soll Regionalpräsident Puigdemont hinter Gitter.

 Demonstranten schwenken am Sonntag in Barcelona spanische und katalanische Flaggen bei einer großen Kundgebung für die Einheit des Landes.

Demonstranten schwenken am Sonntag in Barcelona spanische und katalanische Flaggen bei einer großen Kundgebung für die Einheit des Landes.

Foto: dpa/Santi Palacios

(dpa) Barcelonas Innenstadt ist in ein Fahnenmeer getaucht. Diesen Sonntag sind es aber nicht nur die gelb-rot gestreiften katalanischen Flaggen, die in der Sonne flattern. Viele der geschätzten 300 000 Demonstranten halten die spanische Nationalfahne hoch. Sie sind in Barcelona auf die Straße gegangen, um für die Einheit Spaniens zu demonstrieren.

Bei ihrem Marsch durch das Zentrum der katalanischen Hauptstadt skandierten sie unter anderem „Viva España“, „Ich bin Spanier“ oder „Barcelona gehört zu Spanien“. Sie forderten auch die Festnahme des von der spanischen Zentralregierung abgesetzten separatistischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont. Viele fühlen sich von den Separatisten betrogen. In Umfragen vor dem umstrittenen Referendum vom 1. Oktober hatte es keine Mehrheit für eine Abspaltung gegeben.

Katalonien sei „schwer krank“, meint der 42-jährige Techniker Iñaki González. „Die Unabhängigkeit, die sie einführen wollen, ist nur für eine Partei, nicht für uns alle.“ Für María Sánchez ist es ihre erste Demonstration: Das Vorgehen der Regionalregierung am Freitag habe sie dazu gebracht, auf die Straße zu gehen, sagt die 33-jährige Erzieherin. Sie fühlt sich ratlos und betrübt. „Ich weiß nicht, was aus uns werden soll.“

Das Regionalparlament hatte am Freitag einen Unabhängigkeitsbeschluss verabschiedet. Daraufhin stellte Madrid die autonome Gemeinschaft Katalonien am Samstag unter Zwangsverwaltung und kündigte Neuwahlen an. Ministerpräsident Mariano Rajoy beauftragte nach Medienberichten seine Vizechefin Soraya Sáenz de Santamaría mit der Übernahme der täglichen Amtsgeschäfte in der Region.

Auf der Demonstration fasst Teilnehmer Miguel Ángel die Stimmung der Einheitsbefürworter zusammen. „Freitag war ein Verrat an der Verfassung, diese Leute sind Verbrecher“, sagt er und schwenkt eine spanische Flagge. Ob sich etwas verändert habe? Nein, meint er. Und außerdem sei ihm die Republik Katalonien egal. „Es ist sowieso eine Bananenrepublik“.

Zu der Kundgebung in Barcelona hatte die pro-spanische Sociedad Civil Catalana (SCC) unter dem Motto „Wir sind alle Katalonien!“ aufgerufen. Man wolle dafür arbeiten, dass es zu einer Versöhnung zwischen Unionisten und Separatisten komme, teilte die Organisation mit. „Unsere Zukunft ist besser innerhalb Spaniens und innerhalb Europas. Deswegen sind wir heute hier“, sagte die Sprecherin der liberalen Ciudadanos, Inés Arrimadas. Die Partei war 2006 in Katalonien als Gegenbewegung zu separatistischen Gruppen der Region gegründet worden und ist inzwischen die viertstärkste Kraft im Madrider Parlament.

Nach Medienberichten könnte der Generalstaatsanwalt am heutigen Montag die Festnahme Puigdemonts anordnen. Sollte er wegen Auflehnung gegen die Staatsgewalt oder Rebellion verurteilt werden, drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft. Puigdemont hatte am Samstag angedeutet, dass er seine Amtsenthebung durch die Zentralregierung nicht anerkennt. Er rief die Unabhängigkeitsbefürworter zum friedlichen „demokratischen“ Widerstand auf. Gegen den abgesetzten Regionalpräsidenten richtet sich die Wut vieler Demonstranten: „Puigdemont muss ins Gefängnis“, fordern sie vor dem Sitz der Regionalregierung. „Ihr habt uns die Demokratie gestohlen“, steht auf Plakaten.

Bei der Neuwahl am 21. Dezember haben die Separatisten laut einer in der Zeitung „El Mundo“ veröffentlichten Umfrage schlechte Karten: Demnach müssen sie mit einem Verlust der Mehrheit im Regionalparlament rechnen. Würde jetzt gewählt, kämen die drei nach Unabhängigkeit strebenden Parteien zusammen auf höchstens 42,5 Prozent der Stimmen. Sie würden damit auf 65 Sitze kommen. Für die absolute Mehrheit sind in Barcelona mindestens 68 Sitze nötig.

Demonstrant Miguel Ángel sieht dem Urnengang besorgt entgegen. Konflikt werde es sicher geben, vor allem, wenn die Separatisten nicht einlenken, sagt der 39-Jährige. „Ich fürchte, dass es zu Gewalt kommen kann.“

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