Flüchtlingskrise Der harte Mann der italienischen Linken

ROM Marco Minniti ist es fast schon gewohnt, dass auf seinen Amtsantritt turbulente Ereignisse folgen. Als der Italiener aus Reggio Calabria 1998 erstmals Staatssekretär wurde, betraute man ihn sogleich mit dem diplomatisch komplizierten Fall Abdullah Öcalan. Der international gesuchte PKK-Führer war im September desselben Jahres in Rom festgenommen worden.

 Der italienische Innenminister Marco Minniti.

Der italienische Innenminister Marco Minniti.

Foto: dpa/Riadh Dridi

ROM Marco Minniti ist es fast schon gewohnt, dass auf seinen Amtsantritt turbulente Ereignisse folgen. Als der Italiener aus Reggio Calabria 1998 erstmals Staatssekretär wurde, betraute man ihn sogleich mit dem diplomatisch komplizierten Fall Abdullah Öcalan. Der international gesuchte PKK-Führer war im September desselben Jahres in Rom festgenommen worden.

Nur Tage nachdem Minniti im Dezember 2016 italienischer Innenminister wurde, erschoss ein italienischer Polizist bei Mailand den Terroristen Anis Amri, der Tage zuvor bei einem Terroranschlag in Berlin zwölf Menschen getötet hatte. Inzwischen ist der 61-jährige Minniti ein gutes halbes Jahr im Amt und steht weiter im Zentrum des politischen Tagesgeschäfts in Rom.

Der Grund dafür sind Italiens Versuche, die Überfahrten von Flüchtlingen über das Mittelmeer einzugrenzen. Minniti trieb einen vom Verteidigungsministerium koordinierten Einsatz der italienischen Marine vor Libyen voran. Er lässt, obwohl er nicht für die Außenpolitik der Regierung verantwortlich ist, Emissäre in Libyen verhandeln, mit dem Ziel, die Südgrenze des außer Kontrolle geratenen Landes besser zu sichern.

Vor allem aber ließ der Innenminister seine Mitarbeiter einen Verhaltenskodex für die Hilfsorganisationen ausarbeiten, die im Mittelmeer Flüchtlinge retten. Nur drei von acht NGOs unterzeichneten das Papier, das Minniti zufolge garantieren soll, dass die Retter nicht mit Schlepperorganisationen zusammen arbeiten. Kritiker hingegen vermuten, der Kodex habe nicht zuletzt den Zweck, die Rettungsoperationen der privaten Helfer zu erschweren. Deren Schiffe werden in Italien zunehmend als „Mittelmeer-Taxis“ für Flüchtlinge diskreditiert, weil sie das Treiben der Schlepper begünstigten.

Politiker verschiedener Couleur schüren die Ängste in der Bevölkerung vor unkontrollierter Einwanderung. Nicht zuletzt deshalb ist auch die italienische Mitte-Links-Regierung unter Zugzwang. Minniti ist derjenige in der Regierung, der mit seiner Kompetenz auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik den Eindruck vermitteln soll, Italien habe die Situation im Griff. Dass die Zahl der bis August aus Libyen nach Italien gekommenen Flüchtlinge (etwa 95 000) sich knapp unter dem Niveau des Vorjahres bewegt, sei das Verdienst Minnitis, heißt es offiziell.

Der Sohn eines Luftwaffe-Generals aus Süditalien wäre selbst gerne Pilot geworden, seine Mutter stellte sich allerdings quer. Minniti studierte stattdessen Philosophie und machte in der Kommunistischen Partei Italiens Karriere. Unter den Ministerpräsidenten Massimo D‘Alema, Romano Prodi, Enrico Letta und Matteo Renzi trug Minniti Regierungsverantwortung und war zuletzt Geheimdienst-Koordinator. Premier Paolo Gentiloni berief ihn schließlich in das Amt des Innenministers. Als solcher gibt der Spionage-Fan Minniti nun den harten Mann der Linken.

Doch auch innerhalb der Regierung stößt das kompromisslose Durchgreifen des Ministers aus Skepsis. Der Streit um den Umgang mit den Hilfsorganisationen geht offenbar so weit, dass Minniti am Montag eine Kabinettssitzung desertierte und intern mit seinem Rücktritt drohte. Sogar Staatspräsident Sergio Mattarella stärkte dem Innenminister sogleich öffentlich den Rücken. Minniti ist nicht nur einer der Hoffnungsträger in der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) von Parteichef Matteo Renzi, sondern rangiert in Beliebtheits-Ranglisten ganz vorne. Nicht wenige trauen ihm in Zukunft das Amt des Ministerpräsidenten zu.

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