Aubry siegt, Royal droht

Paris. Der Nationalrat der französischen Sozialisten (PS) hat die frühere Arbeitsministerin und heutige Bürgermeisterin von Lille, Martine Aubry (58), zur neuen Parteichefin erklärt

Paris. Der Nationalrat der französischen Sozialisten (PS) hat die frühere Arbeitsministerin und heutige Bürgermeisterin von Lille, Martine Aubry (58), zur neuen Parteichefin erklärt. Bei der von Chaos und Streit überschatteten Stichwahl um den Parteivorsitz habe Aubry nach gründlicher Überprüfung einen Vorsprung von 102 Stimmen vor der früheren Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal erzielt, stellte der Nationalrat gestern Abend fest. Anhänger Royals forderten eine neue Abstimmung der Parteibasis. Die Wahl galt als Vorentscheidung für die Kür des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten 2012.Aubry rief die Parteimitglieder auf, sich hinter sie zu stellen und für eine Neugründung der Partei zu arbeiten. Die Tochter des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors vertritt einen klassischen sozialdemokratischen Kurs. Der bisherige Parteichef François Hollande erklärte, die PS sei "noch nie in einer so schwierigen Lage gewesen".Aubry erhielt nach Angaben des PS-Wahlprüfungsausschusses 67451 Stimmen. Für Royal, die im Wahlkampf einen Bruch mit der traditionellen Parteilinie propagiert hatte, stimmten 67349 Parteimitglieder. Damit hat sich Aubrys Vorsprung nach der von Royal angefochtenen ersten Auszählung sogar um 60 Stimmen vergrößert. Nach der Urwahl der Parteivorsitzenden waren Aubry zunächst bei 135000 abgegebenen Stimmen 42 Stimmen Vorsprung zugesprochen worden. Unregelmäßigkeiten nährten jedoch den Verdacht des Wahlbetrugs. Noch gestern Morgen stritt Royal ihrer Rivalin den Sieg ab. Mitarbeiter Royals drohten, die Wahl gerichtlich anzufechten. Aubrys Anhänger konterten mit einer Anzeige wegen Verleumdung.Es wird nun spekuliert, die PS könne sich spalten. Der Zentrumspolitiker François Bayrou erklärte, die PS sei am Ende eines Zyklus angelangt. Politologen erklärten aber eine Spaltung für unwahrscheinlich, weil die PS eine Funktionärspartei geworden sei und ihre Bürgermeister und Abgeordneten wegen des Mehrheitswahlrechts bei einer Spaltung um ihre Mandate fürchteten. dpaMeinung

Selbstmörderisches Verhalten

Von SZ-Mitarbeiterin Gesche Wüpper Mit der Weigerung, die Wahl von Martine Aubry zur neuen Parteivorsitzenden der Sozialisten anzuerkennen, gräbt sich Ségolène Royal ihr eigenes Grab. Sollte sie nun auch noch dagegen klagen, käme das einem Selbstmord erster Klasse gleich. Denn sie stärkt mit ihrem zweifelhaften Verhalten vor allem die Konkurrenten - ihre eigenen, aber auch die ihrer Partei. Am meisten profitiert Staatspräsident Nicolas Sarkozy von dem verbiesterten Machtkampf, dem sie sich verschrieben hat. Sollte er sich 2012 erneut zur Wahl stellen, braucht er wohl keinen starken sozialistischen Gegner zu fürchten. Zentrumspolitiker wie François Bayrou und der Linksextreme Olivier Besancenot dürften ebenfalls Nutzen aus der von Royal provozierten Situation ziehen und enttäuschte Wähler der Sozialisten anlocken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort