6300 Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet

Rom/Paris/Athen · Fast 2000 Menschen sind in diesem Jahr schon im Mittelmeer ertrunken. Dennoch wagen immer mehr Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt. Allein an diesem Wochenende brachten Küstenwachschiffe Tausende in Sicherheit.

Marine- und Küstenwachschiffe haben am Wochenende im Mittelmeer mehr als 6300 Bootsflüchtlinge gerettet. Das teilten die italienische und griechische Küstenwache gestern mit. Mindestens zehn Flüchtlinge starben bei der Überfahrt. Sieben wurden tot in zwei voll besetzten Schlauchbooten vor der libyschen Küste entdeckt. Drei weitere Flüchtlinge ertranken, als sie ins Meer sprangen, um einen Schlepper zu erreichen, der ihnen zu Hilfe eilen wollte, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete.

Rettung auch in der Ägäis

Mehrere Schiffe waren laut Ansa im Einsatz, um die mehr als 270 übrigen Migranten von den drei Schlauchbooten zu retten. Zwei von ihnen waren 45 und 35 Seemeilen (83 und 64) Kilometer nordöstlich der libyschen Hauptstadt Tripolis in Seenot geraten, eins befand sich 35 Seemeilen nördlich der libyschen Stadt Suwara. Allein am Samstag wurden nach italienischen Angaben bei 17 Einsätzen 3700 Bootsflüchtlinge gerettet, gestern wurden weitere acht Schlauchboote und fünf Schiffe mit insgesamt mehr als 2100 Menschen entdeckt.

Die griechische Küstenwache griff in der Ägäis knapp 530 weitere Migranten auf. Sie kamen auf den Inseln Lesbos, Chios, Farmakonisi, Samos und Kos an, wie die Küstenwache mitteilte. Die meisten Migranten stammten aus Syrien, Somalia und Afghanistan, berichteten örtliche Medien. Durch die Ägäis führen Routen, über die Schleuserbanden Migranten nach Europa bringen. Die Aufnahmelager in Griechenland sind überfüllt. Die meisten dieser Migranten versuchen, anschließend nach Mitteleuropa zu gelangen. Schleuserbanden machten zurzeit ein "Bombengeschäft", sagte gestern ein Offizier der Küstenwache.

Inzwischen beteiligen sich auch Schiffe aus Frankreich und Deutschland an den Such- und Rettungsaktionen im Rahmen der EU-Grenzschutzmission "Triton". Das französische Patrouillenboot "Commandant Birot", das sich an der Rettungsaktion der Italiener beteiligte, kam am Samstag nördlich der lybischen Küste drei Flüchtlingsbooten in Seenot zu Hilfe. Wie die See-Präfektur für das Mittelmeer in Toulon mitteilte, nahm das Kriegsschiff 217 Menschen an Bord. Sie sollten den italienischen Behörden übergeben werden. Am Freitag erreichten auch zwei Schiffe der Deutschen Marine, die ebenfalls bei der Rettungsaktion mithelfen sollen, das Mittelmeer. Auch nach dem Flüchtlingsunglück im Mittelmeer mit vermutlich rund 800 Toten vor zwei Wochen geht die Zahl der Überfahrten nicht zurück. Tausende Migranten machen sich derzeit vor allem von Libyen aus auf den Weg über das Mittelmeer nach Europa.

Nach dem Drama mit Hunderten Toten im April hatten die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel einen Ausbau der Seenotrettung und die Bekämpfung der Schleuser beschlossen. In den ersten vier Monaten dieses Jahres kamen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration im Mittelmeer bereits 1780 Flüchtlinge ums Leben.

Meinung:

Ohnmächtiges Europa

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Seenotrettung funktioniert. Das ist eine gute Nachricht. Die politischen Fragen aber bleiben. Wie viele Flüchtlinge sollte die EU aus moralischen Gründen aufnehmen? Wie viele kann das reiche Europa integrieren? Wie viele will es trotz wachsenden innenpolitischen Widerstands hereinlassen? Doch welche Antworten die Politiker auch hierauf finden, die entscheidenden Probleme können sie nicht lösen. Solange Kriege wie in Syrien andauern, der islamistische Terror wütet, Staaten wie Libyen zerfallen und Regime wie in Eritrea ihre Völker quälen, werden Menschen in die EU zu fliehen versuchen. Und das Sterben wird weitergehen - wenn nicht im Mittelmeer, so davor auf dem mörderischen Weg zu den Booten.

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