Poetische Entdeckungsreise

Saarbrücken · Léopold Senghor (1905-2001) gilt als Vater der senegalesischen Demokratie, vor allem aber war er ein großer Dichter. „Senghor“ ist der Titel der neuen Produktion der Künstlergruppe Die Redner, die morgen in Saarbrücken Premiere hat.

 Auf den Spuren Léopold Senghors: Florian Penner (l.) und Oliver Strauch im Senegal. Foto: Redner

Auf den Spuren Léopold Senghors: Florian Penner (l.) und Oliver Strauch im Senegal. Foto: Redner

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Frankfurter Buchmesse 1968: Während in der Paulskirche der Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verliehen wird, prügeln vor der Kirche Polizisten auf Demonstranten ein. Angeführt wird die aufgebrachte Menge von einem gewissen Daniel Cohn-Bendit. Ihr Furor richtet sich gegen den Preisträger: Léopold Sédar Senghor, Dichter, Philosoph und senegalesischer Staatspräsident. "Handlanger der Imperialisten" rufen die Demonstranten, "ein Mann, dessen Leben der Freundschaft und dem Frieden zwischen den Völkern gewidmet ist", sagt die Jury.

Heute, fast 50 Jahre später, zweifelt niemand mehr an den Verdiensten Senghors, die weniger in seinem politischen Wirken liegen: zwar gilt er als Vater der senegalesischen Demokratie, doch regierte er das Land von 1960 bis 1980 ausgesprochen autoritär. Nein, Respekt erwarb sich Senghor vor allem als Dichter und intellektueller Wegbereiter eines Dialogs der Kulturen. "Er war ein Politiker, der sich vor allem künstlerisch für den Frieden einsetzte, das ist außergewöhnlich", findet auch Florian Penner von der Saarbrücker Künstlergruppe Die Redner. In ihrer neuen Produktion "Senghor" befasst sich die Gruppe mit dem dichtenden Politiker. Morgen feiert das Stück in Saarbrücken Premiere.

Seit 2010 arbeiten die Redner am Senghor-Projekt. Dass es nun auf die Bühne kommt, war noch vor Kurzem alles andere als sicher. Schockiert vom tragischen Unfalltod ihres Kollegen und Freundes Claas Willeke im Oktober 2013, wussten Bassist Penner und Schlagzeuger Oliver Strauch erst nicht, ob sie die Gruppe zu zweit überhaupt weiterführen wollen. "Wir haben uns dann bewusst entschieden, im Gedenken an Claas weiterzumachen", sagt Strauch.

Roter Faden der neuen Produktion, an der Willeke noch mitschrieb, ist die Dankesrede Senghors in Frankfurt. Darin spricht er von der "négritude", jener literarisch-philosophischen Bewegung, die er mitbegründete, die dem eurozentrischen Vorurteil eines kulturell wertlosen Afrikas etwas entgegenhielt, die ein "schwarzes Selbstbewusstsein" formulierte. Senghors Sprache ist poetisch, er zitiert Goethe und formuliert die Notwendigkeit eines "Netzes gegenseitiger Verantwortung und Bindungen". Es war diese Suche nach Verständigung mit den Kolonialmächten, die manchem Kritiker Senghors missfiel.

Kennedy, Brandt, de Gaulle - nach der Bearbeitung der Reden westlicher Staatsgrößen gehen die Redner mit "Senghor" einen neuen Weg. "Zum ersten Mal steht kein Star im Mittelpunkt, sondern jemand, den man entdecken kann", sagt Penner. Auch sie selbst hätten Senghor erst "kennenlernen" müssen. Als das Goethe-Institut Dakar den Auftrag für das Projekt erteilte, sei ihr Bild von der Person noch recht vage gewesen, erzählt Strauch.

2011 flogen die beiden - ohne Claas Willeke - in den Senegal, knüpften Kontakte zu Musikern, arbeiteten mit ihnen an Senghors Texten und Gedichten. Während die erste Reise noch einem "Crashkurs in Afrikanisch" (Strauch) glich, konnten die Musiker ein Jahr später bereits auf Erfahrungen zurückgreifen. "Es gab viele Anknüpfungspunkte: die Tradition mündlicher Überlieferung zum Beispiel, die kulturelle Bedeutung der Trommeln - das passt gut zu unseren Projekten", sagt Strauch. Bei ihrer zweiten Reise nahmen die beiden Kameramann Philipp Majer mit, der Bilder für einen Dokumentarfilm drehte, dessen Bilder auch in der Live-Show eine Rolle spielen. Man sieht darin etwa, wie Strauch und Penner, gekleidet im Stil der 60er-Jahre, durch die Straßen von Dakar schlendern, Senghors Geburtsort Joal besuchen oder den Pop-Star Youssou N'Dour interviewen.

Auch Daniel Cohn-Bendit gibt ihnen ein Interview. Dass es den Rednern gelang, den heutigen EU-Politiker vor die Kamera zu holen, ist ein Coup. Denn geht es um "68", ist der sonst so redselige "Danny" ziemlich ruhig geworden. Wer Senghor einen Friedenspreis verleihe, könne auch "Hitler, Ulbricht oder den Massenmörder Johnson" auszeichnen, sagte Cohn-Bendit seinerzeit. Wie er es heute sieht? Am Freitagabend kommt er zu Wort.

Premiere morgen im Saarbrücker Römerkastell, Beginn: 20 Uhr, weitere Aufführung: Samstag, 20 Uhr. Infos und Karten: www.die-redner.de

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