Herr Hauk, was hat Sie dazu bewegt, eine Karriere als Koch einzuschlagen?
„Spitzengastronomie ist wie ein Virus“ Zweibrücker Sternekoch Thorsten Hauk verrät, welches Gericht für ihn bis heute unübertrefflich ist
Interview | Zweibrücken/Rothenburg ob der Tauber · Von Fine Dining bis zum Space Food für Astronauten: Thorsten Hauk stammt aus Zweibrücken und hat in der Fasanerie seine Ausbildung zum Koch gemacht. Inzwischen arbeitet der 44-Jährige in der Villa Mittermeier in Rothenburg ob der Tauber. Dieses Jahr hat er einen Michelin-Stern erhalten. Wir haben mit ihm über den Erfolg, seine Inspirationen und seine Gerichte gesprochen.
Thorsten Hauk: Eigentlich ganz lustig. Das war ein Schülerpraktikum in der neunten Klasse. Das war im IT-Bereich in einem kleinen Laden in Zweibrücken. Da war ich zwei Tage dort und am dritten bin ich nicht mehr hin, weil ich nichts machen durfte und es dadurch langweilig war. In den Sommerferien darauf hatte ich dann einen Ferienjob am Neudahner Weiher. Da wollte ich eigentlich nur zwei Wochen etwas Geld verdienen. Aber das war so cool, dass ich es die ganzen Sommerferien gemacht habe. Und dann habe ich im Anschluss meine Bewerbung als Koch geschrieben. Das waren die ersten Erfahrungen, bei denen ich gelernt habe, was es heißt, in der Küche und im Team zu arbeiten.
Von Zweibrücken nach Rothenburg ob der Tauber. Wie kam es dazu?
Hauk: 2012 habe ich nach einer neuen Perspektive gesucht. Bei Führungskräften in der Bewirtung funktioniert das ganz oft über Beziehungen. Oliver Speh hat mir dann einen Job in der Villa Mittermeier vermittelt. Dann bin ich hierher gefahren, habe mir das angeguckt und relativ schnell einen guten Draht zum Christian, also zum Chef, gehabt. Dann habe ich mich entschieden, das Projekt anzugehen. Ich hätte aber vor zwölf Jahren nie gedacht, dass ich nach zwölf Jahren immer noch hier bin. Das ist für einen Koch eine extrem lange Zeit. Das liegt aber an dem breiten Portfolio und extrem spannende Sachen, die wir machen. Beispielsweise haben wir hier im Haus die Gerichte für den ISS-Aufenthalt von Alexander Gerst entwickelt (ISS = Internationale Raumstation, Anm. d. Red.).
Vor Kurzem haben Sie den Michelin-Stern erhalten. Wie und wo haben Sie davon erfahren?
Hauk: Erfahren habe ich erst recht spät davon. Ich sag mal, wenn man die Ambition hat, einen Stern zu kriegen, hat man auch eine Erwartungshaltung. Unser Restaurant hat eine große Entwicklung gemacht in den vergangenen Jahren. Ende Januar war es dann offiziell, dass der Michelin-Stern am 26. März in Hamburg vergeben wird, der Termin ist nicht rot im Kalender, aber rot im Hinterkopf. In der Regel bekommt man am Mittwoch oder Donnerstag davor eine Mail. Die kam aber am Mittwoch nicht. Die kam am Donnerstag nicht. Da habe ich freitags gedacht: So langsam kriegst du jetzt schlechte Laune. Dann kam mittags ein Anruf von einer unbekannten Handynummer. Das war ein netter Herr von der Michelin-Redaktion, der mich darauf hingewiesen hat, dass ich eine Mail bekommen habe, auf die ich nicht geantwortet habe. Und in der Tat hat unser Outlook diese Mail-Adresse auf der Blacklist gehabt. Die war noch nicht einmal im Spam-Ordner, sondern ist gar nicht bei uns angekommen. Das war noch ein bisschen Zusatzspannung.
Was war das für ein Gefühl?
Hauk: In dem Moment ist das ein Wechselbad der Gefühle, weil es der Stern ist. Bei allen Auszeichnungen, die es bei uns in der Branche gibt, ist es die Einzige, die niemand diskutiert. Der Michelin-Stern ist das fachliche Siegel dafür, dass du gut bist. Das war schon emotional. In der Mail steht aber nicht, dass man einen Stern kriegt. Es ist nur eine Einladung zur Zeremonie in Hamburg, die für den Küchenchef plus eine Begleitperson ist. Dann hab ich mal meinen Chef gefragt, ob er mit will. Dazwischen liegen vier Tage voller Ungewissheit.
Wie erging es Ihnen nach dem Erhalt des Sterns?
Hauk: Überwältigend war die Resonanz, die wir darauf gekriegt haben. Sowohl von den Gästen, aber auch auf Social Media – enorm viele Kommentare und Glückwünsche. Aber auch Briefe vom Oberbürgermeister bis zum Landrat oder von Drei-Sterne-Köchen, die einem sozusagen in die Familie aufnehmen.
Was hat sich seitdem für Sie verändert?
Hauk: Wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, muss ich jetzt viele Leute grüßen, die ich vorher nicht gegrüßt habe. Also ja, man merkt schon, dass man mehr Aufmerksamkeit bekommt. Aber im Grunde hat sich für mich nichts verändert. Wir haben uns super gefreut, sehen den Stern aber auch mit Demut. Wir heben jetzt nicht ab, sondern versuchen, das Gleiche zu machen wie vorher. Dafür haben wir ihn ja auch gekriegt.
War es schon immer ein Traum von Ihnen, einen Stern zu erhalten?
Früher habe ich immer gesagt, nach der Ausbildung will ich aufs Schiff. Durch Zufall konnte ich meine Bewerbung für die Bühlerhöhe einem Klassenkameraden, der seine Ausbildung bei Klaus Erfort im Saarland gemacht hat, mitgeben. Nach der Ausbildung bin ich dann auf die Bühlerhöhe. Das war eine andere Welt. In Zweibrücken war die Fasanerie das erste Haus am Platz, aber das war alles noch relativ normal. Als ich zur Bühlerhöhe gekommen bin, bin ich erst einmal 500 Meter durch den Hotelpark gefahren. Dann gehst du rein und du wirst direkt von drei Leuten empfangen. Das ist eine andere Welt. Diese Spitzengastronomie ist wie ein Virus. Es ist ein Streben nach Exzellenz. Da wird das Thema Stern schnell präsent, weil es die ultimative Auszeichnung ist. Und es war nie wieder Thema, ob ich aufs Schiff will oder nicht.
Gibt es ein Erlebnis, das Sie als junger Koch geprägt hat?
Hauk: Ich bin seit 1996 Koch, in der Zeit erlebt man schon viele Sache. Eine ganz spannende Anekdote, die mir erst im Nachhinein bewusst wurde: Zwei Wochen nach dem Erhalt des Sterns sind wir mit dem Team Essen gegangen. Da musste ich zurückdenken an 1999, als Klaus Erfort auf der Bühlerhöhe seinen ersten Stern gekriegt hat. Und wir waren auch eingeladen zum Essen damals. Da sind genau 25 Jahre dazwischen. Und ich weiß noch, welches Gefühl das für mich war, als junger Koch da eingeladen gewesen zu sein. Ein Menü im Sternerestaurant leistet sich ein junger Koch eher nicht.
Als Küchenchef lastet viel Verantwortung auf Ihnen. Wie schaffen Sie es, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen?
Hauk: Das funktioniert in der Tat mit jedem Jahr Erfahrung besser. Die Zeiten, in denen cholerische Küchenchefs Pfannen durch die Gegend geschmissen haben und herumgebrüllt haben, die sind schon länger vorbei. Auch in der Gastronomie gibt es moderne Teamführung. Man muss seinem Team Vertrauen schenken und ihm den Rücken stärken. Jeder in meinem Team weiß, dass er Fehler machen darf, wenn er es mit der richtigen Haltung tut. Dieser Druck ist dann gar nicht mehr so hoch, weil du eine Gemeinschaft hast, die funktioniert, und das Ergebnis auf dem Teller liegt. Und das ist das, was zählt, in unserem Job. Unterm Strich geht es darum, ein tolles Essen zu kochen, das die Leute begeistert. Und wenn man dabei noch Spaß hat und lachen kann, dann bin ich der Überzeugung, dass man einen noch besseren Job machen kann.
Was ist denn für Sie gutes Essen?
Hauk: Gutes Essen kann ganz einfach sein. Ein hochwertiges Lebensmittel, das muss kein Luxusprodukt sein, sondern ein Gemüse vom Markt, mit Sorgfalt und Liebe zubereitet. Das ist die Grundlage. Wenn dann noch gute Gesellschaft und ein guter Wein dazu kommen, rundet es die ganze Sache noch ab.
Haben Sie ein Lieblingsgericht?
Hauk: Herren und Damen, sogenannte Verheiratete von meiner Mama. Ich liebe aber auch Nudeln mit Haschee. Bis heute habe ich es aber noch nicht geschafft, das Haschee von meiner Oma in nur annähernd der Qualität zu kochen, obwohl ich die gleichen Zutaten verwende. Lieblingsgerichte sind für mich Gerichte von Oma und Mama, die mich an die Kindheit erinnern und Emotionen in mir wecken.
Was oder wer hat Ihre Karriere am meisten beeinflusst?
Hauk: Da sind im Endeffekt zwei Küchenchefs: Klaus Erfort. Ich habe eine solide Ausbildung in der Fasanerie gemacht, aber der Klaus Erfort hat mir ein Handwerk-Rüstzeug gegeben, mit dem man wuchern kann. Für mich ist das bis heute der talentierteste Koch, den ich je kochen gesehen habe. Das in Kombination mit Vjekoslav Pavic, der jetzt in Pirmasens in der Brasserie kocht und bis heute noch ein guter Freund ist. Er war auch im letzten Jahr bei uns zum Essen und sein positives Feedback hat mir die Gewissheit: Wir sind auf einem guten Weg. Die wichtigste Person ist aber meine Mama. Ohne sie wäre ich heute wohl kein Koch, weil sie gesagt hat: „Du gehst auf die Arbeit, kneif die Arschbacken zusammen.“
Auf was legen Sie beim Kochen einen besonderen Wert?
Hauk: Die Qualität der Grundprodukte – egal, ob es eine Linse ist, ein Gemüse oder ein Stück Fisch. Die versuchen wir in der besten Qualität zu kriegen. Und wir versuchen mit Lebensmitteln zu arbeiten, die etwas „Out of the Box“ sind. Das allerwichtigste ist der gute Geschmack. Der steht über allem. Wir versuchen geradlinig und verständlich zu kochen. Das Wichtigste bei uns sind wahrscheinlich die Soßen, die sind wie die Seele eines Gerichts.
Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Gerichte?
Hauk: Das ist ganz unterschiedlich. Wir gehen zu anderen Köchen essen, die uns interessieren. Das ist Input. Als ich meine Ausbildung gemacht habe, hast du drei Abende die Backstube geputzt, damit man vom Chef-Patissier ein Schokoladenmousserezept abschreiben durftest. Heute gebe ich das in Google ein und habe direkt eine Bewertung dahinter. Wir leben in einer Welt, in der Informationen so frei zugänglich sind, dass man sich auf ganz vielen Ebenen inspirieren lassen kann. Das kann auch etwas sein, was gar nichts mit Kochen, sondern mit der Konsumgesellschaft zu tun hat.
Woran erkennt man Ihre Gerichte? Wie sieht Ihre persönliche Handschrift auf?
Hauk: Ich selbst erkenne meine Gerichte. Würde es jemand anderes erkennen, hätte ich nicht einen Stern, sondern drei.
Von der ersten Idee für ein Gericht bis zum Anrichten: Was ist für Sie der künstlerischste Teil?
Hauk: Der Kreativprozess ist in der Tat eine der größten Herausforderungen. Wie kriege ich eine gute Idee auf den Teller? Diese Prozesskette aufzusetzen und zu standardisieren wäre ein Wunsch. Dadurch, dass ich ein sehr junges Team habe, kommt damit auch Inspiration. Wie der Teller zum Schluss aussieht, das ist dann etwas, was oft im letzten Moment passiert. Der Hauptkreativpunkt ist, wie das Ganze dann schön in Szene gesetzt wird auf dem Teller. Oder auch die ein oder andere überraschende Komponente im Gericht zu haben. Der Kreativmoment kommt dann, wenn man mal Ruhe hat. Unter der Dusche kommen oft gute Ideen oder abends vor dem Schlafen gehen. Je mehr das Team mitgenommen wird und hinter einem Gericht stehen, desto sicherer kann ich mir sein, dass die Qualität stimmt.
Wie groß ist Ihr Team bei der Villa Mittermeier?
Hauk: Mein Team besteht aus fünf Männern und Frauen, von denen zwei in der Ausbildung und drei ausgelernt sind.
Wie wichtig ist ein gutes Team für Sie?
Hauk: Das ist das A und O. Ohne das Team geht nichts. Das, was beim Gast ankommt, ist Teamwork. In den seltensten Fällen habe ich einen Handgriff von dem Essen, das bei den Gästen ankommt, selbst gemacht. Aber ich habe den Prozess begleitet. Das ist ein Moderieren, ein Coachen und individuelle Fürsorge am Menschen, denn jeder Mensch ist unterschiedlich. Der älteste Koch nach mir ist 28, dann geht es runter bis 17.