Neues Schutz-Konzept für Zweibrücken Ziel: Mit Hochwasser leben, Schäden minimieren

Zweibrücken · Das Zweibrücker Hochwasser- und Starkregenvorsorgekonzept nimmt auch die Bürger in die Pflicht. Denn verhindern lasse sich Hochwasser nicht. Deutlich äußert sich der Konzept-Macher zur Idee, einen See anzulegen.

 Vor allem der Schwarzbach (im Bild) und Hornbach, aber auch immer mehr Starkregen sorgen für relativ große Hochwasser-Gefahr in Zweibrücken. Der hilft jetzt ein neues Schutz-Konzept vorzubeugen.

Vor allem der Schwarzbach (im Bild) und Hornbach, aber auch immer mehr Starkregen sorgen für relativ große Hochwasser-Gefahr in Zweibrücken. Der hilft jetzt ein neues Schutz-Konzept vorzubeugen.

Foto: Sebastian Dingler

Nach vierjähriger Arbeit ist das Zweibrücker Hochwasser-Vorsorgekonzept fertig. Wegen der wachsenden Bedrohungen durch Starkregen wird nun auch der im Konzept-Namen genannt. Zwar enthält das Konzept (einschließlich eigener Berichte für die Vororte) 900 Seiten und eine Vielzahl von Vorschlägen. Doch wer die Hoffnung hegte, das Konzept werde einen Stein der Weisen finden, um Hochwasser zu stoppen, wird enttäuscht. Das wurde bei der Konzeptvorstellung am Mittwoch bei einem Pressegespräch und im Stadtrat deutlich.

Konzept-Macher Martin Cassel (Wasser-Projektleiter bei „Obermeyer Infrastruktur“ in Kaiserslautern) sagte, Überflutungen könnten durch technische Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden. „Mit dem Wasser leben, Schäden minimieren“, fasste Cassel deshalb die Strategie zusammen. „Da müssen auch Private was machen.“ Das Konzept hebt hervor: „Hochwasser- und Starkregenvorsorge sind Gemeinschaftsaufgaben von Betroffenen, Kommunen und dem Staat!“ Cassel erläuterte: „Klassischen Hochwasser-Schutz gibt es schon längere Zeit nicht mehr. Es gibt nun Hochwasser-Management und Hochwasser-Vorsorge.“

Wenn Wasser 20 bis 30 Zentimeter hoch auf der Straße stehe, hülfen auch größere Kanäle nicht: „So große Rohre können Sie nicht bauen!“

Deshalb gelte es, die Bevölkerung immer wieder für den Selbstschutz zu sensibilisieren (Anfang 2020 gab es hierzu schon zwei gut besuchte Workshops). Teils ließen sich Häuser durch kostengünstige Maßnahmen vor teuren Schäden durch Wasser-Einbruch schützen, etwa Hochmauern von Lichtschächten oder vorgesetzte wasserdrucksichere Kellerfenster. Auch Elementarschaden-Versicherung und Nutzen von Warn-Apps seien wichtig.

Könnte eine Katastrophe wie im Ahrtal auch in Zweibrücken passieren? Auf diese Merkur-Frage antwortete Cassel differenziert. Es gebe in Zweibrücken mit Schwarzbach und Hornbach zwei „große Gewässer“. Wenn hohe Pegelstände und Starkregen zusammenkommen, seien durchaus erhebliche Überflutungen möglich. „Das sollten wir im Blick haben.“ „Dann ist die City unter Wasser“, verwies Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) auf die „Maximalereignis“-Hochwasserprognosekarte in dem neuen Konzept. Auch 1993 standen große Teile der Fußgängerzone unter Wasser, erinnerte Cassel. Allerdings drohten Zweibrücken deutlich geringere Schäden als im Ahrtal. Dort nämlich seien aufgrund der felsigen Geographie und engen Bebauung die Fließgeschwindigkeiten viel höher, weshalb sogar Gebäude mitgerissen wurden.

Eine geringere Stufe ist ein „Jahrhundertereignis“. Aber auch das heißt nicht, dass es nur einmal pro Jahrhundert stattfinden kann – man kann auch zweimal hintereinander eine 6 würfeln, verdeutlichte Cassel. Von Jahrhundertereignissen bedrohte Gebiete dürfen gesetzlich nicht mehr oder nur mit Ausnahmegenehmigung bebaut werden. Das Beispiel Ahrtal zeige, dass es sehr wichtig wäre, sich auch für Extrem- und Maximalereignisse vorzubereiten, unter anderem damit nicht wie im Ahrtal die Infrastruktur (Strom, Wasser, Abwasser) zusammenbricht. Dort wurden auch als gar nicht gefährdet definierte Bereiche überflutet. Wenn die Abwasser-Entsorgung nicht funktioniere, „kann es zu Krankheitsausbrüchen kommen, dann sind wir ganz schnell auf dem Weg von Entwicklungsländern“.

Das neue Zweibrücker Konzept empfiehlt zur Vermeidung großflächiger Stromausfälle, mehr Schutzmaßnahmen zu prüfen – insbesondere für die hochwassergefährdete wichtige Umspannstation im Bombachtal, aber auch für die am Wolfsloch. Auch bei hochwasserbedingten Stromausfällen sei die Bevölkerung gefragt, vorbereitet zu sein – etwa durch Batterie-Reserven, geladene Handys oder kurbelbetriebene Radios.

Der öffentlichen Hand empfiehlt das Konzept natürlich ebenfalls etliche Maßnahmen. Etwa die Optimierung der Feuerwehreinsatz-Planung, Gewässermaßnahmen wie Renaturierungen oder Treibgut-Rückhalt, „hochwasserangepasstes Planen, Bauen und Sanieren“ in Flusstälern und starkregengefährdeten Gebieten. OB Wosnitza geht davon aus, dass dies auch zu „Einschränkungen“ führen wird, die Architekten, Planer und Häuslebauer berücksichtigen müssen.

Besonders hochwassergefährdet sind laut der Karten die Zweibrücker City, Rimschweiler (wo der Hornbach „bis an den alten Ortsrand ausufern“ könne, so Cassel) und Oberauerbach.

Vor allem im vergangenen Jahrzehnt gebe es immer öfter Starkregen, teils auch nur auf einzelne Orte begrenzt, erklärte der Experte. Seit vier Jahren existieren deshalb auch Starkregen-Karten, die zeigen, wo von Hängen Wasser abfließt und so die Überflutungsgefahr verstärkt – beispielsweise in Mittelbach-Hengstbach, aber sogar in Höhenorten wie Mörsbach, wo dadurch Straßen- und Keller-Überflutungen drohten.

Cassel riet deshalb in dem Pressegespräch, bei der Bauleitplanung zu beachten: „Hanglagen dürfen nicht verbaut werden.“ Merkur-Nachfrage: Gefährdet oder behindert das die in Hanglage geplanten Großprojekte auf dem Ex-Parkbraurei-Gelände und am Kirchberg oberhalb von Ixheim? Nein, versichert Wosnitza: „Wir haben uns das natürlich angeguckt. Am Kirchberg ist der Kanal nochmal sauber freigeschnitten worden, damit Wasser sicher abfließen kann.“ Cassel verwies darauf, dass für Bebauungsplänen immer auch die mögliche Versiegelung geregelt werde. Dabei gelte es zu schauen, welche Bereiche frei bleiben müssen. Aber: „Man kann ein Neubaugebiet erschließen. Es kommt darauf an, wie!“ Hierzu gebe man auch Hinweise. Selbst an großen Gewässern sei Bauen nicht ausgeschlossen: „Schauen Sie sich die Niederländer an, da gibt es sehr kreative Lösungen.“

Als „nicht durchdachten Vorschlag“ bezeichnete Cassel die gerade wieder vorgebrachte Idee unter anderem der Wahlkreis-Bundestagsabgeordneten Anita Schäfer (CDU) und 2007 des damaligen Verbandsbürgermeisters Kurt Pirmann (SPD), mit einem (auch touristisch nutzbaren) See im Hornbachtal die Hochwassergefahr zu reduzieren. Cassel: „Der See müsste ja leer sein, damit er Hochwasser aufnehmen kann.“ Hätte das Ahrtal vorher einen See gehabt, wären dort die Wasserfluten jetzt, wo es zum „See“ wurde, noch größer. Selbst kleinere Rückhaltebecken – die Cassels Konzept an sich durchaus als „Handlungsfeld“ beschreibt, wo man noch Verbesserungen prüfen solle – sieht der Fachmann nur sehr begrenzt wirksam: „Das ist wie bei einer Badewanne – wenn sie voll ist, läuft es über!“ Und jetzt bei dem Eifel-Hochwasser hätten Talsperren sogar kurz vor dem Brechen gestanden: „Dann droht ein Tsunami und die Schäden sind noch viel, viel größer.“ Hinzu komme ein psychologischer Faktor: Das Gefühl, geschützt zu sein – und selbst weniger Vorsorge leisten zu müssen – „kann böse nach hinten losgehen“.

Zahlen, wie viele Gebäude und Menschen durch Hochwasser in Zweibrücken gefährdet sind, wurden für das Schutzkonzept nicht ermittelt, antworteten Cassel und Wosnitza dem Merkur. Begründung: Dies wäre wenig aussagekräftig und könne Bürger in falscher Sicherheit wiegen, da nicht klar sei, vor welcher Hausnummer Hochwasser ende. Eine Merkur-Recherche in online abrufbaren Hochwasserkarten zeigt aber: Bei einem Jahrhundertereignis wären in Zweibrücken 2326 Menschen betroffen, das sind sieben Prozent der Bevölkerung. In dem von dem Ahrtal-Katastrophe besonders betroffenen Dorf Schuld lag die Hochwasserkarte-Prognose mit fünf Prozent (34 Betroffene) sogar noch darunter. Man bereite sich aber auch in Zweibrücken auf ein „Worst-Case-Szenario“ vor, berichtete der Zweibrücker Brand- und Katastrophenschutz-Inspekteur Frank Theisinger. Besonders in den Blick genommen habe man bereits Altenheime, Kitas und Krankenhaus, so Wosnitza.

Weitere Hochwasserschutzmaßnahmen infolge des Konzepts würden derzeit geprüft, Ende des Jahres sollen Ergebnisse vorliegen. Zum Beispiel fände Wosnitza wichtig, in den – in Zweibrücken an sich gut funktionierenden – Digitalfunk auch Stadtwerke und UBZ einzubinden, die man in Katastrophenlage ja brauche.

Der Oberbürgermeister hatte auch noch eine überraschende Neuigkeit parat, die nicht nur bei Hochwasser hilft: „Wir haben eine komplett neue Sirenen-Planung machen lassen.“ Noch Anfang August hieß es, die sieben defekten Sirenen würden instandgesetzt, drei neue kämen hinzu. Jetzt sind komplett neue Sirenen geplant – und das gleich 21 Stück, „um das ganze Stadtgebiet abdecken und jeden Bürger erreichen zu können“. Wahrscheinlich verzichtet wird dagegen auf die bislang geplant Sprachdurchsagen-Funktion: „Die hat nur ein Drittel der Reichweite wie Alarmtöne.“ Deshalb müsse man „wie früher“ den Leuten wieder beibringen, für welche Gefahr welche Sirenentöne stehen. Wahrscheinlich werde es aber auch mehr Fahrzeuge für Sprachdurchsagen geben.

In Arbeit seien auch Hochwasserschutz-Maßnahmen zur Trinkwasser-Versorgung und eine Sandsäcke-Lagerstätte für die Region.

 Die Hochwassergefahrenkarte zeigt für Zweibrücken sogar ein höheres Risiko als für das durch das Jahrhundertwasser im Ahrtal besonders hart getroffene Dorf Schuld (siehe Bild weiter unten).

Die Hochwassergefahrenkarte zeigt für Zweibrücken sogar ein höheres Risiko als für das durch das Jahrhundertwasser im Ahrtal besonders hart getroffene Dorf Schuld (siehe Bild weiter unten).

Foto: Geoportal der Bundesanstalt für Gewässerkunde/Screenshot https://geoportal.bafg.de/karten/HWRM/
 Die Hochwassergefahrenkarte zeigt für Zweibrücken (Bild darüber) sogar ein höheres Risiko als die für das durch die Katastrophe im Ahrtal besonders hart getroffene Dorf Schuld. Bei „Maximalereignissen“ sind in Zweibrücken noch mehr Bereiche als auf dieser Karte markiert gefährdet.

Die Hochwassergefahrenkarte zeigt für Zweibrücken (Bild darüber) sogar ein höheres Risiko als die für das durch die Katastrophe im Ahrtal besonders hart getroffene Dorf Schuld. Bei „Maximalereignissen“ sind in Zweibrücken noch mehr Bereiche als auf dieser Karte markiert gefährdet.

Foto: Geoportal der Bundesanstalt für Gewässerkunde/Screenshot https://geoportal.bafg.de/karten/HWRM/
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