Auch Inspektion Zweibrücken betroffen Polizei immer wieder Opfer von Gewalt

Zweibrücken · Übergriffe gegen die Polizei: Das ist ein Problem quer durch die Republik. Auch in Zweibrücken sind Beamte betroffen. Hier war 2021 die Zahl der Attacken mit 32 besonders hoch. Doch auch 2022 rasteten Bürger aus. Teilweise müssen Taser und Spuckschutz-Hauben eingesetzt werden. Dennoch erleiden Ordnungshüter in Zweibrücken im Einsatz wiederholt Verletzungen.

 Enthemmte Menschen, die durchdrehen und die Polizei attackieren: ein gesellschaftliches Problem, das sich immer mehr zuspitzt. Auch die Inspektion in Zweibrücken muss Jahr für Jahr einige Fälle verzeichnen. Vor allem die Jahre 2017 und 2019 ragen negativ heraus.

Enthemmte Menschen, die durchdrehen und die Polizei attackieren: ein gesellschaftliches Problem, das sich immer mehr zuspitzt. Auch die Inspektion in Zweibrücken muss Jahr für Jahr einige Fälle verzeichnen. Vor allem die Jahre 2017 und 2019 ragen negativ heraus.

Foto: dpa/Carsten Rehder

Die Polizei, dein Freund und Helfer. Das war noch vor einigen Jahrzehnten ein geflügeltes Wort, das die meisten Bürger bei passender Gelegenheit zitierten, gerne auch einmal augenzwinkernd.

 Sicher: Wer hat nicht schon einmal geschnauft, wenn er anlässlich einer Verkehrskontrolle „herausgewinkt“ wurde. Oder wenn die Beamten einen bei einer Tempoüberschreitung erwischt hatten?

Trotz solcher kleinen Reibungen ist aber doch den allermeisten bewusst: Die Polizei ist dazu da, für Ordnung zu sorgen. Sie trägt entscheidend dazu bei, das Leben sicherer zu machen. Und Sicherheit ist ein Grundbedürfnis.

Aber die Zeiten haben sich verändert. Es gibt eine wachsende Zahl von Menschen, für die die Polizei kein „Freund und Helfer“ ist. Sondern der Repräsentant eines verhassten Staates. Ein Repräsentant, den man attackiert.

Alleine seit Anfang des vergangenen Jahres hat es mehrere schwerste Vorfälle gegeben. Der schlimmste Fall war die Ermordung zweier junger Polizeibeamte nahe Kusel – ein Wilderer, mittlerweile abgeurteilt, hatte die beiden Beamten bei einer Kontrolle kaltblütig erschossen.

Auch der jüngste Vorfall in Trier hat bundesweit die Menschen schockiert (siehe „Info“).

Eine Entwicklung also, die ernsthaft ist. Und die auch die Polizeiinspektion in Zweibrücken betrifft, wie das Polizeipräsidium Westpfalz in Kaiserslautern auf Anfrage unserer Zeitung erklärt.

Michael Hummel, Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Westpfalz, legte die Zahlen für den Fünf-Jahre-Zeitraum 2017 bis 2021 vor. Deutlich wird: Es ist kein Jahr ohne Attacken auf die Beamten der Rosenstadt-Inspektion vergangen. 2017 waren es 19 Fälle von Gewalt, 2018 24, 2019 23, 2020 21 und als negativer Höhepunkt wurden 2021 insgesamt 32 Attacken aktenkundig.

Bis auf 2020 gab es in jedem dieser Jahre aufgrund der Übergriffe Verletzungen bei den Beamten zu verzeichnen. 2017 waren es vier betroffene Polizisten, 2018 drei, 2019 zwei, 2020 null und 2021 drei.

Nicolai Zöller, Leiter der Inspektion in Zweibrücken, legte auf Anfrage unserer Zeitung jetzt die Zahlen für 2022 vor. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Wache 18 Gewalttaten gegen die Beamten; schwer verletzt wurde dabei niemand, aber neun Polizisten erlitten bei sechs Übergriffen leichte Verletzungen – auch, wenn sie ihren Dienst nach dem Vorfall fortsetzen konnten, so Zöller.

Präsidiums-Sprecher Hummel erklärt, dass die Attacken nicht immer rein körperlicher Natur sind. „Die psychischen Übergriffe (Beleidigung, Bedrohung) überwiegen bei der Gewalt gegen Polizeibeamte.“

Oft seien die Aggressoren enthemmt durch Rauschmittel. „Die Täter stehen überwiegend unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen und/oder Medikamenten“, so Hummel.

Aufgrund der Tatsache, dass die Widerständigen aufgeputscht sind und daher oft noch schwieriger zu bändigen sind, hat die Landesregierung im April 2018 damit begonnen, schrittweise die Wachen mit sogenannten Tasern auszustatten. Dabei handelt es sich um Waffen, die über eine Distanz einen elektrischen Impuls abgeben. Die Waffe ist hoch wirkungsvoll, der Aggressor wird damit zumeist sofort gestoppt.

Hummel sagt, die Beamten in Zweibrücken verfügten seit 2020 über Taser. Der Polizeisprecher zieht eine positive Bilanz: „Das Distanz-Elektroimpulsgerät hat sich im polizeilichen Alltag bewährt. Durch den Einsatz des Gerätes oder die bloße Androhung der Anwendung kann in vielen Fällen der Widerstand des polizeilichen Gegenübers gebrochen werden.“

Offenkundig ist bei Gewalttätern mittlerweile angekommen, dass der Einsatz dieser Waffe äußerst wirkungsvoll ist. Die Beamten mussten 2020, im Jahr der Einführung des Tasers in Zweibrücken, den Einsatz lediglich einmal androhen. 2021 schließlich mussten die Ordnungshüter die Waffe viermal gegen Tobende einsetzen; in zwölf Fällen reichte die Androhung, um die Betroffenen zur Vernunft zu bringen.

Inspektionschef Zöller ergänzte für das zurückliegende Jahr: 2022 mussten die Beamten den Einsatz des Tasers drei mal androhen, zweimal war der Einsatz nicht zu vermeiden.

Soviel zu den nackten Zahlen, was die Übergriffe gegen die Polizei, mögliche Verletzungen und den Einsatz neuer Waffen gegen immer aggressivere Menschen angeht.

Womit die wesentliche Frage offen bleibt: Woran liegt es, dass zunehmend Menschen die Hemmung verlieren?

Polizeipräsidiums-Sprecher Hummel sieht das Hauptproblem in einem grundsätzlichen „Respektverlust. „Auch Polizeibeamte werden mit den Folgen des gesellschaftlichen Wandels konfrontiert. Die Autorität der Polizei wird in Teilen oder gänzlich in Frage gestellt, ein Respektverlust droht.“  Dies treffe beileibe nicht nur die Ordnungshüter. „Mit Respektlosigkeit hat nicht nur die Polizei zu kämpfen, auch die Feuerwehr, die Rettungsdienste und andere Bedienstete der öffentlichen Verwaltung sind betroffen“, merkt Hummel an.

Die zurückliegende Corona-Pandemie könnte ein wichtiger Grund für die völlige Überhitzung von Gemütern sein. Kontaktverbote und Ausgehbeschränkungen hätten die Psyche Vieler belastet. „Ängste, Frustration, Unsicherheit und Überforderung könnten Indikatoren dafür sein, dass die Gewalt, aber auch die Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei zugenommen hat beziehungsweise zunimmt. Verstärkt wird dieser Eindruck, dass uniformierte Polizeikräfte, die beispielsweise auf Streife gehen oder mit dem Streifenwagen unterwegs sind, anlassunabhängig attackiert werden, sei es in beleidigender, bedrohender oder sonstiger Form.“

Es sei aber schwer, im Einzelnen auszumachen, was im Kopf der Täter vor sich gehe. „Erklärungsansätze, die die Kausalität von medialen und gesellschaftlichen Einflüssen für die ansteigende Gewalt gegen Polizeibeamte wissenschaftlich durch soziologische, sozialpolitikwissenschaftliche und kriminologische Untersuchungen fundiert belegen, liegen nicht vor. Auch valides Datenmaterial dazu fehlt.“

Erleichtert dürfte jeder Beamte sein, dass es in der Zeit zwischen 2017 und 2021 in Zweibrücken nicht zum Äußersten kommen musste – zum Einsatz der Schusswaffe. Es habe in diesem Fünf-Jahre-Zeitraum keinen Einsatz gegenüber Menschen gegeben, bilanziert Hummel.

Der Pressesprecher macht deutlich, dass die Polizeibeamten umfangreich trainiert werden, um im Ernstfall professionell reagieren zu können. „Im Umgang mit Gewalt gegen Polizeibeamte werden die Beamten sowohl während der Ausbildung, als auch in der Fortbildung beschult. Schon im Rahmen der Ausbildung werden die zukünftigen Polizeibeamten auf die besonderen Herausforderungen im Polizeialltag durch spezielle Trainings vorbereitet, in denen praxisnah für den Ernstfall geübt wird. Dazu gehören neben Kommunikations- auch Einsatztrainings. Die Einsatzkräfte der Polizei nehmen an Abwehr- und Zugriffstrainings, Selbstverteidigungs- und Festnahmetrainings teil, in denen sie auch in der Handhabung ihrer Einsatzmittel geschult werden.“ Hummel hebt hervor: „Grundsätzlich haben sich Polizeibeamte in alltäglichen Einsatzsituationen in jedem Einzelfall auf die Lage und die handelnden Personen einzustellen.“

Dies erfordere „gerade in dynamischen Interaktionsprozessen das Abwägen von Maßnahmen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Gleichzeitig haben die Einsatzkräfte auf Eigensicherung zu achten. Zielrichtung und Bestreben der Polizei ist es, in aggressiven Einsatzsituationen deeskalierend zu wirken. Hierzu werden Polizisten im Rahmen von Kommunikationstrainings vorbereitet. Nicht nur die Einsatzmittel, sondern auch die Schutzausstattung für die Polizei in Rheinland-Pfalz wurden „kontinuierlich verbessert. So war es beispielsweise aufgrund zunehmender Spuckattacken erforderlich, Spuckschutzhauben anzuschaffen.“

Ist einem Aggressor gar nicht mehr beizukommen, setzen die Beamten sogenannte Taser ein. Auf dem linken Foto demonstriert ein Polizist den Einsatz dieser Distanz-Elektroimpulsgeräte. Auch Spuckschutz-Hauben sind regelmäßig vonnöten. Sie werden tobenden Menschen übergezogen, damit diese die Polizisten nicht anspucken können. Die Beamten auf dem Foto rechts hält eine solche Spuckschutz-Haube in die Kamera.

Ist einem Aggressor gar nicht mehr beizukommen, setzen die Beamten sogenannte Taser ein. Auf dem linken Foto demonstriert ein Polizist den Einsatz dieser Distanz-Elektroimpulsgeräte. Auch Spuckschutz-Hauben sind regelmäßig vonnöten. Sie werden tobenden Menschen übergezogen, damit diese die Polizisten nicht anspucken können. Die Beamten auf dem Foto rechts hält eine solche Spuckschutz-Haube in die Kamera.

Foto: dpa/Oliver Dietze
Spuckschutz der Polizei Die Sprecherin des Bremer Innensenators Rose Gerdts-Schiffler f¬ahrt am 14.11.2014 in Bremen die neue Spuckschutzhaube der Bremer Polizei vor. Die leichte Haube mit dem groaen Gesichtsfeld soll Beamte davor sch¬atzen angespuckt zu werden. In Bremen wurde nun ein Pilotversuch mit den Hauben vom Typ "POL-i-VEIL" gestartet. Foto: Ingo Wagner/dpa (Zu dpa "Polizei setzt Spuckschutz ein" vom 17.11.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Spuckschutz der Polizei Die Sprecherin des Bremer Innensenators Rose Gerdts-Schiffler f¬ahrt am 14.11.2014 in Bremen die neue Spuckschutzhaube der Bremer Polizei vor. Die leichte Haube mit dem groaen Gesichtsfeld soll Beamte davor sch¬atzen angespuckt zu werden. In Bremen wurde nun ein Pilotversuch mit den Hauben vom Typ "POL-i-VEIL" gestartet. Foto: Ingo Wagner/dpa (Zu dpa "Polizei setzt Spuckschutz ein" vom 17.11.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: picture alliance / dpa/Ingo Wagner
 Der schrecklichste Fall von Gewalt gegen Polizei ereignete sich im Januar 2022 nahe Kusel, als ein Wilderer eine Beamtin und einen Beamten erschoss. Bundesweit war das Entsetzen  groß. Auch auf der Polizeiinspektion in Zweibrücken: Hier hatte eines der beiden Mordopfer, eine junge Beamtin zwei Praktika im Rahmen ihrer Ausbildung absolviert. Viele Bürger zeigten Anteilnahme und legten Blumen vor der Wache in Kusel ab.

Der schrecklichste Fall von Gewalt gegen Polizei ereignete sich im Januar 2022 nahe Kusel, als ein Wilderer eine Beamtin und einen Beamten erschoss. Bundesweit war das Entsetzen  groß. Auch auf der Polizeiinspektion in Zweibrücken: Hier hatte eines der beiden Mordopfer, eine junge Beamtin zwei Praktika im Rahmen ihrer Ausbildung absolviert. Viele Bürger zeigten Anteilnahme und legten Blumen vor der Wache in Kusel ab.

Foto: dpa/Harald Tittel

Die Polizei wird also intensiv geschult. Mental und körperlich. Aber die Beamten hoffen, dass sie diese Fähigkeiten nicht anwenden müssen. Dass der Bürger ihnen das entgegenbringt, was wohl ein jeder erwartet, egal, welchem Beruf er nachgeht: ein Mindestmaß an Respekt.

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