Bundestagswahl: Sechs Zweibrücker Politiker im Merkur-Gespräch Die einen hoffen, die anderen bangen

Zweibrücken · Sechs Lokalpolitiker erklären, wieso die Stimmen bei ihrer Partei am besten aufgehoben sind und wie sie den Wahlkampf bewerten.

  Mit der Erststimme entscheidet man, wer aus dem Wahlkreis in den Bundestag einzieht – mit der Zweitstimme über das Kräfteverhältnis der Fraktionen.

Mit der Erststimme entscheidet man, wer aus dem Wahlkreis in den Bundestag einzieht – mit der Zweitstimme über das Kräfteverhältnis der Fraktionen.

Foto: dpa/Sven Hoppe

In knapp zwei Wochen, am 26. September, endet die Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit der SPD, der CDU und den Grünen hoffen drei Parteien auf deren Nachfolge. Die FDP könnte am Ende das Zünglein an der Waage sein. Ein potenzieller Koalitionspartner könnte auch Die Linke sein, im Gegensatz zur AfD. Sechs Politiker aus Zweibrücken beziehen kurz vor der Wahl Stellung.

Walter Rimbrecht, SPD

Er wirkt glücklich. Vielleicht spürt er auch eine gewisse Vorfreude – auf das, was bald kommen könnte. In elf Tagen. Dann, am 26. September ist Bundestagswahl. Gut möglich, dass Walter Rimbrecht, SPD-Stadtrat in Zweibrücken, dann jubeln wird. Nach aktuellen Umfragen liegt Rimbrechts Partei auf Platz eins (26 Prozent). Fünf Punkte vor der CDU, dem wohl ärgsten Konkurrenten. Von einem „sehr guten Gefühl“ spricht er beim Blick auf den Wahlkampf: „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, dass wir in der SPD mal so einig waren.“

Dass die Sozialdemokraten bei den Menschen wieder ziemlich en vogue sind, liegt laut Rimbrecht „auch am attraktiven Kanzlerkandidaten Olaf Scholz“. „Er besitzt große Erfahrung, lässt sich nicht provozieren, ist sehr verlässlich.“ Neben dem Aushängeschild Scholz attestiert Rimbrecht seiner Partei auch ein gut komponiertes Wahlprogramm. Rimbrecht hebt das Thema Steuern hervor: „Es ist ganz eindeutig, dass die SPD Steuerzahler entlasten und höhere Einkommen stärker belasten möchte. Das ist der Unterschied zur CDU, FDP und AfD.“

Rimbrecht ist aktuell positiv gestimmt. Auch seine Niederlage gegen Parteikollegin Angelika Glöckner im Kampf um die Direktkandidatur für den Wahlkreis 210 bei der vergangenen Bundestagswahl habe er verkraftet: „Inzwischen bin ich überzeugt, dass das richtig ist.“ Sollte die SPD-Politikerin wieder in den Bundestag einziehen, gewönne auch Zweibrücken. „Neben der Entschuldung der Stadt und der Einführung des Mindestlohns von zwölf Euro wollen wir auch die grundlose Befristung abschaffen. Das ist gerade für junge Familien notwendig“, sagt Rimbrecht. Damit wäre auch Zweibrücken geholfen: „Durch unbefristete Verträge würden soziale Kosten, wie etwa Hartz IV, der Stadt nicht mehr so zur Last fallen“, erläutert Rimbrecht.

Herbert Beckmann, CDU

Nicht ganz so glücklich ist Herbert Beckmann von der CDU. „Auf den Wahlkampf schaue ich mit gemischten Gefühlen“, sagt er: „So einen Absturz habe ich nicht erwartet. Ende Juli lag die CDU noch bei 27 Prozent, die SPD bei 16. Woran das liegt? „Teils am Kandidaten Armin Laschet. Teils daran, dass wir zu spät auf unser Programm aufmerksam gemacht haben“, vermutet Beckmann.

Dass Kanzlerkandidat Laschet, aktuell Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, mit einem achtköpfigen Team in den Endspurt zur Bundestagswahl geht, findet Beckmann gut: „Ich war schon immer ein Verfechter von Teamarbeit. Vieles entwickelt sich erst im Gespräch.“

Bei der Frage, weshalb man die CDU wählen solle, sagt Beckmann nach kurzem Zögern: „Wir stehen für die Industrie, Sachlichkeit und Stabilität.“ Dann verweist er auf die 16-jährige Merkel-Ära: „So gut ging es den Menschen schon lange nicht mehr.“

Beckmann ist weiterhin davon überzeugt, dass die Christdemokraten die beste Wahl darstellen. Das gilt auch für Florian Bilic, den Wahlkreis-Direktkandidaten der CDU. „Er ist ein sehr engagierter junger Mann, der sich für die Region einsetzt“, findet Beckmann und verweist auf Bilics Plan für Zweibrücken: „Er möchte unter anderem die Bildung und die Digitalisierung vorantreiben.“ Ob er das darf? Bleibt abzuwarten.

Norbert Pohlmann, Die Grünen:

Das gilt auch in der Frage, ob die Grünen mit Annalena Baerbock die Bundeskanzlerin stellen werden. In den Umfragen rangiert die Partei aktuell auf Platz drei. Verharrt bei 16 bis 17 Prozent. Anfang Mai waren es noch zehn Prozentpunkte mehr gewesen. „Dass die Umfragewerte so nach unten gehen, dafür habe ich keine Erklärung“, gesteht Norbert Pohlmann, Grünen-Fraktionschef im Zweibrücker Stadtrat.

Doch Pohlmann glaubt weiter, dass die Grünen zur Bundestagswahl SPD und CDU überholen könnten. Frei nach dem Motto: Wenn zwei sich streiten, freut sich die Dritte. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die Leute enttäuscht von den Grünen sind.“ Im Gegenteil. „Wir stehen samstags üblicherweise am Infostand in der Stadt und da gibt es viele positive Rückmeldungen.“ Mit den Grünen an der Spitze könnte sich einiges zum Positiven verändern, ist sich Pohlmann sicher. Nicht nur im Bereich Klimaschutz: „Wir wollen auch soziale Gerechtigkeit, etwa faire Löhne für Männer und Frauen.“

Pohlmann hofft ebenso auf viele Stimmen für Susanne Bendig. Die Grünen-Direktkandidatin im Wahlkreis. „Das wäre ein deutliches Zeichen, dass grüne Politik auch vor Ort unerlässlich ist.“ Auf der Agenda stehe etwa die Mobilität: „Es geht darum, Auto, Bus und Bahn besser zu verknüpfen“, erklärt Pohlmann: Gerade für die Menschen auf dem Land, die auf das Auto angewiesen sind, sei das wichtig.

Adriana Storero, Die Linke:

„Ich kann es ehrlicherweise nicht verstehen“, sagt Adriana Storero. Über das Telefon kann man ihr Kopfschütteln nur erahnen. Der Parteivorsitzenden der Linken in Zweibrücken ist es ein schieres Rätsel, weshalb ihre Partei in den Umfragen so schlecht dasteht. Bei etwa sechs Prozent herumdümpelt. Und damit nur knapp die Parlamentshürde von fünf Prozent überspringt. „Gerade habe ich wieder einen Artikel gelesen, dass viele Menschen in Zweibrücken mit einem Bruttoeinkommen von unter 2000 Euro im Monat auskommen müssen“, sagt sie und verweist hier auf das Wahlprogramm ihrer Partei: „Wir wollen mittlere und niedrige Einkommen steuerlich entlasten“, erinnert Storero: „Gerade wenn man aus einer strukturschwachen Region wie hier kommt, kann man eigentlich nur Links wählen.“ Weitere Punkte, die für ihre Partei sprächen: „Die Grundrente von 1200 Euro oder der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.“

„Soziale Gerechtigkeit wählen“, damit wirbt auch Frank Eschrich. Er kandidiert als Linken-Direktkandidat im Wahlkreis. Storero hofft, dass sich viele für den dienstältesten Linken-Politiker in Rheinland-Pfalz entscheiden. Und damit gegen politische Kräfte wie die CDU und FDP. „Parteien, die geringe und mittlere Einkommen überhaupt nicht entlasten“, warnt Storero. Stattdessen, laut Wahlprogramm, Politik für Besserverdienende machten. Auch deshalb hofft die 39-Jährige, dass die beiden Parteien auf der Oppositionsbank landen. Sie „befürwortet“ ein rot-grün-rotes Bündnis: bestehend aus SPD, Grünen und ihrer Partei. „Das wäre eine soziale Regierung“, die einiges bewegen könnte.

Harald Benoit, AfD

Er sehe den Wahlkampf aktuell ziemlich entspannt, sagt Harald Benoit. Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Zweibrücker Stadtrat hofft bei der Bundestagswahl auf ein Ergebnis zwischen „elf und 13 Prozent“. Ein Ziel, das keineswegs utopisch ist, womit sich auch Benoits Entspannung erklären lässt. Denn aktuell liegt die Partei laut einer neuen Forsa-Umfrage bei elf Prozent.

Mit dem Wahlkampf der AfD ist Benoit insgesamt zwar zufrieden, und dennoch übt er auch Kritik. Besonders an Tino Chrupalla, der zusammen mit Alice Weidel das Spitzenkandidaten-Duo der AfD bildet. „Er ist mir teilweise zu sehr rechts“, bedauert Benoit.

Uneingeschränkt positiv spricht er dagegen von dem Wahlprogramm seiner Partei. So hebt er etwa den „patriotischen Gedanken hervor“. Benoit nennt ein Beispiel: „Wir sollten uns erstmal um die 200 000 Obdachlosen kümmern, bevor wir Afghanen helfen.“

Ingrid Kaiser, FDP

Eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung werden wohl die Freien Demokraten einnehmen. „Die FDP kann das Zünglein an der Waage werden“, vermutet Ingrid Kaiser, Fraktionschefin der FDP im Zweibrücker Stadtrat. In Umfragen steht die Partei, die seit 1949 in 16 Bundeskabinetten vertreten war, bei 13 Prozent. Im Januar krebste die FDP noch bei sieben Prozent herum. Im Dezember bei sechs. „Wir können recht zufrieden sein“, findet Kaiser.

Auch hier in Zweibrücken spürt Kaiser, dass die FDP bei immer mehr Menschen gut ankommt: „Ich erhalte positive Reaktionen“, sagt sie. „Ein Zugpferd“ ist laut Kaiser der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat Christian Lindner: „Ich bekomme mit, dass er die Menschen ihn positiv wahrnehmen.“

Von den Bürgern positiv wahrgenommen werden: Dieses Ziel verfolgt auch die Direktkandidatin Erika Watson. Was die Menschen erwarten können, sollte sie in den Bundestag einziehen? „Fragen Sie am besten Frau Watson selbst; die kann das besser erklären“, gesteht Kaiser.

Watson präsentiert dem Merkur eine breite Palatte an Ideen. Sie fordert „mehr Erzieherinnen an Kitas“. Mehr „IT-Administratoren an Schulen“. Oder ein „digitales Verwaltungsamt, damit die Menschen ihr Auto etwa selbst abmelden können“.

Watson wirkt motiviert. Wie ihre Vorredner. Doch glücklich werden sie in elf Tagen wohl nicht alle sein.

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