Umstrittenes Wohnprojekt neben Villa Schwinn in Zweibrücken Stadt: Denkmalschützer haben das letzte Wort

Zweibrücken · Grundsätzlich steht zwar durch den Bauvorbescheid bereits fest: Die Remise der Villa Schwinn darf abgerissen werden. Allerdings nur, wenn die Denkmalschutzbehörde die verlangten Ausgleichsmaßnahmen für erfüllt hält. Die Stadt erklärt, warum ästhetische Fragen für den Bauvorbescheid keine Rolle spielten.

 Wenn die Remise abgerissen wird, muss im Gegenzug das Hauptgebäude der Villa Schwinn denkmalgerecht saniert werden. Besonders die nach dem Zweiten Weltkrieg angebrachten Eternitplatten (rechts im Bild) sollen danach der Vergangenheit angehören.

Wenn die Remise abgerissen wird, muss im Gegenzug das Hauptgebäude der Villa Schwinn denkmalgerecht saniert werden. Besonders die nach dem Zweiten Weltkrieg angebrachten Eternitplatten (rechts im Bild) sollen danach der Vergangenheit angehören.

Foto: Lutz Fröhlich

Oberbürgermeister Marold Wosnitza und Bauamtsleiter Christian Michels haben in einer Pressekonferenz den Bauvorbescheid verteidigt, der den Investoren bei Erfüllung bestimmter Auflagen garantiert, dass sie die Remise der Villa Schwinn abreißen dürfen.

Über den Bauvorbescheid hatte der Merkur am Mittwoch exklusiv ausführlich berichtet. Die Kernaussagen: Private Investoren wollen auf dem Villa-Schwinn-Gelände vier Wohnblocks errichten. Deren Traufhöhe darf bis zur Höhe der Villa Schwinn reichen, wobei das Staffelgeschoss des direkt benachbarten Neubaus sieben Meter schmaler sein muss. Ansonsten wurden keine besonderen Abstandsregeln vorgeschrieben. Die ebenfalls denkmalgeschützte Remise (Kutschenhaus) der Villa Schwinn darf abgerissen werden, wenn es Ausgleichsmaßnahmen gibt (denkmalgeschützte Sanierung der Villa, parkartige Bepflanzung auf verbleibenden Restflächen, Aufwertung der eisernen Grundstückseinfriedung). Die Investoren müssen hierfür ein Konzept mit der Unteren Denkmalschutzbehörde (beim Stadtbauamt) und der Oberen Denkmalschutzbehörde (rheinland-pfälzische Generaldirektion Kulturelles Erbe) abstimmen. Die Ortskuratorin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Roswitha Chéret, äußerte sich im Merkur erschüttert – nicht nur wegen der schon lange bekannten Absicht, den Remise-Abriss zu erlauben, sondern auch, weil die Villa Schwinn „erdrückt“ werde, wenn statt Bäumen und Wiese fast gleich hohe Häuser daneben kommen.

Weil für das Schwinn-Gelände kein Bebauungsplan existiert, greift Paragraph 34 Baugesetzbuch, erläutert nun Bauamtsleiter Michels. Darin heißt es: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.“

„In die Eigenart der näheren Umgebung einfügen“ – das bezweifelt die Viergruppe Zweibrücker Bürger/-innen um Chéret, die seit anderthalb Jahren warnt, dass die Investoren-Pläne den Denkmal-Charakter des Villa-Schwinn-Ensembles gefährden.

Doch ästhetische Geschmacks-Urteile können aus rechtlichen Gründen bei baurechtlichen Genehmigungen und deren Prüfung praktisch keine Rolle spielen, erläutert Bauamtsleiter Michels. Denn die beiden zentralen Kriterien für das „Einfügen“ in die Nachbarschaft seien die Art der Bebauung (zum Beispiel Wohnbebauung) sowie die „Baukörper-Kubatur“. Dies beziehe sich im Wesentlichen auf die Höhe, aber nicht einmal auf die Dachform, verdeutlicht Michels anhand eines Beispiels: „Auch in die schönste Landschaft geneigter Dächer kann man ein neues Haus mit Flachdach setzen.“ Zwar sehe die Landesbauordnung eine Ausnahme vor: Ein Neubau dürfe das Umfeld nicht verunstalten. Die Hürden hierfür seien aber „extrem hoch“ und gälten nur für Fälle, die allgemein anerkannt „erschreckend sind und weh tun, etwa wenn jemand ein Haus in Form eines ausgestreckten Hinterns bauen wollte“.

Allerdings, bestätigt Michels: Auch ästhetische Fragen können durchaus noch eine Rolle spielen, bevor neben der Villa Schwinn die Bagger rollen dürfen. Denn der Bauvorbescheid enthält ja die Auflage, ein denkmalgerechtes Instandsetzung- und Sanierungskonzept für das Hauptgebäude vorzulegen. Michels: „Da wird auch geprüft, ob die Außenwirkung dem Denkmal verträglich ist.“

Formell zuständige über die Prüfung und Erteilung von Baugenehmigungen ist das Bauamt. Bei dem Schwinn-Projekt aber gibt es durch den Bauvorbescheid in Zusammenhang mit dem Denkmalschutz sehr viele Wenn-dann-Regeln. Wer also trifft die Entscheidung, wenn es um die Frage geht, ob die Remise abgerissen werden darf und das Sanierungskonzept für das Hauptgebäude gut genug ist? Michels antwortet: „Letztlich hat die Untere Denkmalschutzbehörde das letzte Wort. Das ist nicht hinwegsetzbar.“

Diese Prüfung allerdings ist noch weit entfernt. Denn obwohl der Bauvorbescheid bereits am 16. Juli 2020 erteilt wurde, wie die Sadt diese Woche durch eine Merkur-Anfrage erstmals öffentlich erklärte, haben die Investoren noch keinen Bauantrag gestellt. Hierfür haben die Investoren aber auch vier Jahre Zeit, solange nämlich ist die Stadt an ihre Zusagen im Bauvorbescheid gebunden.

Dieser enthält außer den Denkmal-Fragen lediglich Regelungen zu Auto-Stellplätzen. Normalerweise müssen bei Mehrfamilienhaus-Neubauten in der Zweibrücker Innenstadt 1,25 Stellplätze pro Wohnung geschaffen werden. Für die Schwinn-Neubauten wird diese Zahl bei kleinen Wohnungen (bis 50 Quadratmeter) auf 1,0 reduziert. Wie viele Wohnungen insgesamt gebaut werden, ist durch den Bauvorbescheid nicht festgelegt.

Oberbürgermeister Wosnitza sagt, er habe „Verständnis für da söffentliche Interesse, ganz klar“ an den Schwinn-Plänen. Der OB betont aber, dass die von einer Baugesellschaft im Internet veröffentlichte Visualisierung der Neubauten (nach Bürger-Kritik gelöscht und als noch nicht abschließend erklärt) baurechtlich derzeit „keine Relevanz“ habe. Denn der Bauvorbescheid betreffe ausschließlich Stellplatz- und Denkmalschutz-Fragen, nicht aber architektonische Details.

 Christian  Michels ist Leiter des Bauamts  der Stadt  Zweibrücken.

Christian Michels ist Leiter des Bauamts der Stadt Zweibrücken.

Foto: Lutz Fröhlich

Nicht beteiligt an der Entscheidung über einen Bauantrag werden – wie schon beim Bauvorbescheid – die Volksvertreter. Baugenehmigungen seien rechtlich ein Geschäft der laufenden Verwaltung wie das Ausstellen von Führerscheinen, erläutern Wosnitza und Michels. Natürlich würden Stadtrats- oder Bauausschuss-Mitglieder aber informiert, wenn sie Anfragen stellen. Und Ratsmitglieder könnten versuchen, durch Gespräche mit Investoren politisch Einfluss zu nehmen.

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