Gensch ist „vorsichtig optimistisch“ „Es ist Licht am Ende des Tunnels“

Der Zweibrücker Mediziner Christoph Gensch über die Corona-Lage, Impfstoffe und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln.

Das Foto zeigt Dr. Christoph Gensch im Frühjahr bei der „ersten Welle“ bei einem Abstrich am Corona-Testcenter des DRK. Gensch ist Zweibrücker Mediziner, ferner bringt er sich als CDU-Landtagsabgeordneter in der Enquete-Kommission des Mainzer Landtages in die Pandemie-Bekämpfung ein.

Das Foto zeigt Dr. Christoph Gensch im Frühjahr bei der „ersten Welle“ bei einem Abstrich am Corona-Testcenter des DRK. Gensch ist Zweibrücker Mediziner, ferner bringt er sich als CDU-Landtagsabgeordneter in der Enquete-Kommission des Mainzer Landtages in die Pandemie-Bekämpfung ein.

Foto: Norbert Schwarz

Herr Dr. Gensch, wie beurteilen Sie derzeit die Lage in Zweibrücken und der Südwestpfalz?

Christoph Gensch: Wir sind momentan an einem entscheidenden Punkt der Pandemiebekämpfung. Schaffen wir es mit den Maßnahmen aus dem Lockdown-Light, die Pandemie einzudämmen, schaffen wir es, die Welle zu brechen, oder schaffen wir es  nicht?  Momentan bin ich vorsichtig optimistisch, dass es uns gelingt, die Welle zu brechen. In Zweibrücken und der Südwestpfalz ist die Lage zwar  ernst. Im Vergleich zu vielen benachbarten Regionen (sowohl innerdeutsch als europäisch) haben wir allerdings bisher vergleichsweise niedrige Inzidenzzahlen gehabt. Hier gilt mein Dank allen Menschen vor Ort für die gute Mitarbeit.

Wer infiziert sich derzeit vor allem mit Corona?

Gensch: Ich kann momentan keine besonders betroffene Alters- oder Personengruppe erkennen. Die Infektionen betreffen momentan alle Alterschichten in etwa gleich stark.

Kommt das Gesundheitsamt noch mit der Kontaktnachverfolgung nach?

Gensch: Das Gesundheitsamt stößt momentan an Kapazitätsgrenzen. Die Kontaktnachverfolgung und Umfeldisolierung der positiv getesten Personen  gelingt laut meinen Beobachtungen gerade noch. Die komplette Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten gelingt allerdings nicht mehr, das heißt die  Frage „Wo hat der positiv Geteste die Infektion her?“  kann nicht beantwortet werden. Dies erschwert die Cluster-Eindämmung und damit die Seuchenbekämpfung. Wir brauchen niedrigere Infektionszahlen, um diese wieder zu gewährleisten.

Was sind die wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche?

Gensch: Es gibt die primärpräventiven Maßnahmen, die vermeiden sollen, dass ich mich überhaupt mit dem Coronavirus anstecke. Darunter fallen beispielsweise alle Maßnahmen der Kontaktreduzierung (Schließung von Freizeit- und Kultureinrichtungen), Händedesinfektion, Abstand halten, Masken tragen. Und dann gibt es den sekundärpräventiven Maßnahmenkomplex, der vermeiden soll, dass ein Coronapatient die Seuche weiter verbreitet. Dazu gehört die frühzeitige Erkennung von  coronapositiven Patienten, deren schnellstmögliche Isolierung, gefolgt von einer schnellen Isolierung der Kontaktpersonen

Was bedeuten denn die steigenden Fallzahlen für die beiden Krankenhäuser in Zweibrücken und Pirmasens?

Gensch: Ganz generell stellen steigende Fallzahlen eine Gefahr  für die medizinische Versorgung der Bevölkerung dar. Man muss wissen, dass uns die Erkrankung immer rund 14 Tage voraus ist. Dies liegt daran, dass von der Ansteckung bis zur Entwicklung der Krankheit einige Zeit vergeht (Inkubationszeit meistens etwa fünf Tage, selten bis zu 14 Tagen). Dies ist aber nicht das einzige Problem. Nach Ausbruch der Erkrankung dauert es weitere sieben bis zehn Tage, bis sich entscheidet, ob es bei einem milden Verlauf verbleibt und die Erkrankung abheilt, oder ob die Patienten stationär und intensivmedizinisch betreut werden müssen. Das heißt, an den Krankenhausbetten kommen steigende Fallzahlen erst mit einer erheblichen Zeitverzögerung an. In Rheinland-Pfalz hatten wir Anfang Oktober 53 Covid-erkrankte Patienten in Krankenhäusern zu behandeln, 15 davon auf einer Intensivstation, 11 davon beatmet. Drei Wochen später, Ende Oktober, wurden bereits 297 Covid-erkrankte Patienten in Krankenhäusern behandelt, 57 davon auf einer Intensivstation, 50 davon beatmet, mit stark steigender Tendenz. Wir haben ebenfalls gesehen, dass die Infektionszahlen in unseren europäischen Nachbarstaaten Ende Oktober explodiert sind. Dabei war abzusehen, dass diese Entwicklung auch Auswirkungen auf uns haben wird. So sieht ein beginnender unkontrollierter Anstieg aus, der eine Handlungskonsequenz erfordert und der auch für unsere Krankenhäuser zu einem Problem geworden wäre.

Bringen Nahrungsergänzungs-Mittel etwas, also etwa die Einnahme von Vitamin C und D oder andere Präparate?

Gensch: Einige amerikanische Ärzte empfehlen aufgrund erster Studiendaten unter anderem die Einnahme von Vitamin C, Vitamin D, Vitamin B-Komplexen und Zink zur Prophylaxe und auch während der symptomatischen Krankheitsphase einer Coronavirus-Infektion. Krankheitsverläufe sollen dadurch abgemildert werden. Ich bin diesbezüglich noch etwas skeptisch. Man sollte keinen durchschlagenden Erfolg erwarten. Schaden tut es allerdings auch nichts und eine Substitution von Vitamin C und D und Zink zur Stärkung der Abwehrkräfte macht medizinisch Sinn.

Gibt es denn bisher schon wirksame Medikamente?

Gensch: Es gibt Medikamente, die schwere Verlaufsformen der Erkrankung abmildern können, zum Beispiel Remdesivir. Zudem  gibt es Medikamente, die im intensivmedizinischen Kontext Sinn machen, um die überschießende Immunantwort gegen den Krankheitserreger einzudämmen. Diese überschießende Immunantwort wird medizinisch im Verlauf der Erkrankung oftmals zum größten Problem. Dann sollte man Cortisonpräparate geben. Ein hoch-wirksames Antivirusmittel gibt es bisher nicht.

  Es wurden bereits verschiedene Impfstoffe präsentiert – unter anderem von dem Unternehmen Biontech aus Rheinland-Pfalz. Sind diese Impfstoffe sicher?

Gensch: Momentan sind verschiedene Impfstoffe in der Entwicklung. Alle durchlaufen ein etabliertes Zulassungsverfahren und Testverfahren, welche bei allen neuen Medikamenten angewandt werden und höchsten Sicherheitsstandards entsprechen. In Europa stellen wir Vertrauen nicht her, indem wir medienwirksam die Präsidententochter mit irgendetwas impfen, sondern wir arbeiten in der Zulassung nach nachvollziehbaren und etablierten wissenschaftlichen Standards.  Einer der Impfstofftypen, der Impfstoff von Biontech, Curevac und Moderna ist ein m-RNA Impfstoff. Dieser Impfstoffart ist ein neuartiger Wirkstoff; bekannt ist dieses Therapieprinzip aus der Krebsforschung.

 Würden Sie sich gegen den Coronavirus impfen lassen?

Gensch: Ja, natürlich.

Ist eine Impfung gegen die allgemeine Grippe ratsam – und gegen Pneumokokken?

Gensch: Ja, eine Impfung gegen die Influenza-Grippe ist ratsam. Auch eine  Pneumokokken-Impfung ist ratsam. Sie schützen sich damit gegen zwei schwere Atemwegsinfektionen, die – wenn sie zeitgleich oder in unmittelbarer Folge einer Coronainfektion auftreten – den Krankheitsverlauf deutlich verschlimmern können. Stand 13. November wurden in Deutschland durch das Paul Ehrlich Institut 23,7 Millionen Influenza-Impfdosen freigegeben, so viele Dosen wurden meines Wissens noch nie verimpft. Die Nachfrage übersteigt das Angebot trotzdem bei weitem. Hierdurch kommt es momentan zu temporären Engpässen bei der Auslieferung.

Zum Schluss die Frage: Welche Ratschläge haben Sie an die Bevölkerung ganz allgemein in Sachen Schutz und Vorbeugung?

Gensch: Auch wenn es zunehmend schwerfällt, halten Sie bitte die Hygieneregeln ein: Waschen Sie sich die Hände, halten Sie Abstand, tragen Sie eine Maske, wenn Sie den Mindestabstand unterschreiten und vermeiden Sie unnötige Sozialkontakte! Versuchen Sie aber auch trotz der Einschränkungen das Leben zu genießen. Bunkern Sie sich nicht monatelang  zuhause ein, gehen Sie raus, kaufen Sie in regionalen Geschäften, gehen Sie in die Natur, treiben Sie Individualsport und – wenn es wieder erlaubt ist – besuchen Sie unsere Fitness- und Freizeiteinrichtungen und unsere Gaststätten. Es muss ja auch etwas geben, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Halten Sie durch! Es ist Licht am Ende des Tunnels!

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