Siebenpfeifferstraße Zweibrücken Mann kauft Straße und droht mit Sperrung – Urteil gibt Anwohnern Hoffnung

Zweibrücken/Rheinböllen · Ein Urteil aus Schleswig-Holstein macht den Anliegern der Siebenpfeiffer-Straße Hoffnung im Kampf gegen die Straßen-Sperrung.

Die rote Schlangeninie markiert den Ort einer möglichen Sperrung.

Die rote Schlangeninie markiert den Ort einer möglichen Sperrung.

Foto: Rainer Ulm

Noch immer schwebt das Damoklesschwert der Sperrung der beiden Zufahrten über den Anwohnern eines 100 Meter langen Teilstücks der Zweibrücker Siebenpfeifferstraße. Mit nicht weniger droht ihnen nämlich derzeit ein Mann aus Rheinböllen, sollten sie ihm nicht bis zum 3. Mai ein Kaufangebot für das Sträßlein zukommen lassen, dessen Eigentümer er seit dem 21. Juli 2022 sei. Ein Ultimatum, das die betroffenen Bewohner umtreibt, seit sie den auf den 3. April 2023 datierten und mit „Bekanntmachung“ überschriebenen Brief des Mannes in den Briefkästen fanden (wir berichteten).

Inzwischen haben die Anwohner den Zweibrücker Rechtsanwalt Sebastian Pick beauftragt, sie im Kampf gegen die aus ihrer Sicht unlautere Forderung des Straßeneigentümers zu beraten. Und die Chancen, diesen Kampf zu gewinnen, stehen gar nicht so schlecht. Zumindest, wenn man den aktuellen Zweibrücker Fall mit einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit vergleicht, der vor eineinhalb Jahren zugunsten der klagenden Straßen-Anwohner ausgegangen war.

Wie das „Hamburger Abendblatt“ am 7. Oktober 2021 berichtete, hatte sich ein „Investor“ in Oststeinbek im Landkreis Stormarn in Schleswig-Holstein die Straße „Zum Forellenbach“ angeeignet und den Anwohnern zum Kauf angeboten. Demnach habe er bis zu 10 000 Euro pro Haushalt gefordert. Als die Anrainer nicht zahlten, ließ er die Zufahrten zu den Häusern blockieren, um sie doch noch zum Kauf zu bewegen. Jedoch hatte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) dieser Praxis schließlich einen Riegel vorgeschoben.

Der 11. Zivilsenat des OLG urteilte: „Der Eigentümer darf die Nutzung seines Weges durch die anliegenden Grundstückseigentümer nicht behindern, wenn deren Grundstücke im Übrigen keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg haben.“ Denn die Anwohner verfügten über ein sogenanntes Notwegerecht am Straßengrundstück. „Die ordnungsgemäße Benutzung ihres Grundstücks erfordert auch, dass Kraftfahrzeuge zum Haus gelangen können“, so die Schleswiger Richter. Kurzum: Der Besitzer der Zufahrten darf diese weder blockieren noch Geld von den Anwohnern für deren Nutzung verlangen.

Im Fall Oststeinbek waren auf einer ehemaligen Ackerfläche 16 Atriumhäuser errichtet worden. Aber die Grundstücks-Zufahrten, an denen sich später der Streit entzündet hatte, waren nie in das Eigentum der Gemeinde übergegangen. Jahrzehntelang glaubten die Hauseigentümer, es seien öffentliche Straßen. Tatsächlich blieben die Zufahrten im Besitz des Landwirts. 1992 gaben die Erben des Bauern das Eigentum auf, weil sie nicht länger Steuern für das Straßengrundstück zahlen wollten, mit dem sie eigentlich nichts anfangen konnten. Die Zuwegungen wurden damit zu herrenlosem Land. Eine Tatsache, die sogenannte „Grundstücksjäger“ auf den Plan rief. Deren Geschäftsmodell ist es, sich herrenlose Grundstücke anzueignen und sie dann gewinnbringend weiterzuverkaufen. So war es auch in Oststeinbek. 2017 übernahm eine Firma die Stichstraßen und bot sie im Internet zum Verkauf an. Gezahlt hat der neue Eigentümer dafür selbst keinen Cent. Ist ein Grundstück herrenlos geworden, genügt es, einige Formulare auszufüllen und sich beim Grundbuchamt eintragen zu lassen. 2019 ersteigerte dann ein Ehepaar die Zufahrten für 6000 Euro über ein Immobilienportal. Über einen Immobilienmakler wurden die Straßenabschnitte den Anliegern dann zum Kauf angeboten – laut Anwohner für je 10 000 Euro. Als diese darauf nicht eingingen, ließ er die Wege zunächst mit Flatterband sperren und mit dem Schild „Privatweg“ versehen. Im April 2019 ließ der Makler schließlich per Kran Betonringe anliefern, um die Durchfahrt für Autos zu blockieren. Diese musste er allerdings kurze Zeit später wieder entfernen, nachdem mehrere Anwohner in einem Eilverfahren eine Unterlassungsverpflichtung erstritten hatten. Anschließend klagten die Anrainer beim Landgericht Lübeck. Dieses gab ihnen Recht. Doch die Eigentümer der Zufahrt legten Berufung ein und zogen vors OLG in Schleswig. Dieses hat die Lübecker Entscheidung bestätigt. Schlimmer noch für Straßen-Eigentümer: Das OLG ließ eine Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, die möglich wäre, nicht zu.

Doch soweit muss es im Fall Siebenpfeifferstraße gar nicht erst kommen. Auf Nachfrage unserer Zeitung stellte die Zweibrücker Hauptamtschefin Alessa Buchmann am Montag noch einmal klar: „Zugunsten eines Teiles der betroffenen Grundstücke ist im (städtischen, Anm. d. Red.) Baulastenverzeichnis eine Baulast eingetragen, die für diese Grundstücke die Zufahrt zu den öffentlichen Verkehrsflächen Siebenpfeifferstraße und Oselbachstraße über die Privatstraße öffentlich-rechtlich sichert.“ Sollten, wie vom Straßeneigentümer angedroht, die Zufahrten durch ihn – wie auch immer – illegal gesperrt werden, werde eine „baurechtliche Beseitigungsverfügung“ erlassen. Sollte auch sie nichts fruchten, schloss die Behördenleiterin auch eine sogenannte „Ersatzvornahme“ nicht aus, im Zuge derer die Stadtverwaltung die Absperrung beseitigt oder beseitigen lässt. „Aber soweit sind wir noch nicht“, sagte die Hauptamtschefin. Gleichwohl dürften ihre Worte und das zitierte Schleswiger OLG-Urteil den Anwohnern Hoffnung auf ein sehr stumpfes Damoklesschwert machen.

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