Stadträte sehen in UBZ-Engagement Vorbild für Bürger Artenvielfalt braucht auch Toleranz für Unkraut

Zweibrücken · Der UBZ verzichtet bei der öffentlichen Grünpflege auf Pestizide und mäht seltener, damit Bienen und andere Insekten Nahrung finden. Bürger sollten sich daran ein Vorbild nehmen statt über „Unkraut“ zu klagen, findet der Bauausschuss. Der UBZ plant die kostenlose Ausgabe von Blumenwiese-Samen.

 Auch auf dem Waldfriedhof bei Wattweiler lässt der UBZ Teilflächen längere Zeit ungemäht, damit Insekten Nahrung finden. Einige Bürger stört das – weil sie den Eindruck haben, die Anlage sei ungepflegt.

Auch auf dem Waldfriedhof bei Wattweiler lässt der UBZ Teilflächen längere Zeit ungemäht, damit Insekten Nahrung finden. Einige Bürger stört das – weil sie den Eindruck haben, die Anlage sei ungepflegt.

Foto: UBZ

Von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit ist eine Million vom Aussterben bedroht. Noch nie in der Geschichte der Menschheit war das Artensterben so groß wie heute. Dieses Studienergebnis des UN-Weltbiodiversitätsrats hat letzte Woche für Beunruhigung gesorgt. Ein sehr passender Zufall war deshalb, dass am Mittwochabend der UBZ (Umwelt- und Servicebetrieb Zweibrücken) auf CDU-Antrag im Bau- und Umweltausschuss über seine „Maßnahmen zur biologischen Artenvielfalt in Zweibrücken“ berichtete.

Was Grünflächen-Abteilungsleiter Stefan Hell alles aufzählte, war weit mehr, als viele Ausschussmitglieder erwartet hatten. Hell erinnerte zunächst an die überregionalen Diskussionen um das Bienensterben und verdeutlichte, dass der UBZ ein besonderes Augenmerk auf die insektenfreundliche Gestaltung des Stadtgrüns lege. „Insekten dienen einer Vielzahl von Tieren als Nahrung und, ganz wichtig, erhalten als Blütenbestäuber einen Großteil unserer Pflanzenwelt und sichern damit einen Teil unserer Lebensgrundlagen.“ 80 Prozent der Blüten- und Nutzpflanzen (Getreide, Obst und Gemüse) seien auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Das aber funktioniert nicht, wenn es nur kurz gemähten Rasen gibt – Bienen und andere Insekten brauchen geeignete Blüten. Deshalb lege der UBZ auf öffentlichen Grünflächen verstärkt blütenreiche Wiesen und Säume an. Allein im Herbst 2018 und Frühjahr 2019 habe der UBZ auf 4000 Quadratmetern im Stadtgebiet blütenreiche Mischungen ausgesät, unter anderem am Bahnhofsvorplatz, im Prinzenpark und an den Gymnasien. Hell: „Das sieht teils wie Unkrautflächen aus, aber es sind ja Wiesenkräuter, die werden im Sommer schön blühen, aber werden im Herbst welk und schauen dann unschön aus.“

Nicht nur diesbezüglich wolle der UBZ in der Öffentlichkeit mehr um Verständnis dafür werben, dass der Einsatz für Artenvielfalt manchmal ungewohnte Nebenwirkungen hat. So setze der UBZ auch bei der Grünpflege auf das Motto „weniger ist mehr“. Auf Pestizide verzichte der UBZ schon seit 2012 komplett – weil die manuelle Pflege wesentlich aufwendiger sei, bleibe auch mal ein ungewolltes Unkraut länger als früher stehen. Auf Teilflächen werde seit einiger Zeit zudem deutlich seltener gemäht, „an der Albert-Schweitzer-Grundschule zum Beispiel ist dadurch ein artenreicher Blumenrasen entstanden“, auf einer Fläche an der 22er-Straße wüchsen nun sogar Lupinen. Am Waldfriedhof würden Rasenflächen teils gemäht, teils lasse man Wiesen wachsen (Foto oben). Und generell lasse man auf den früher kahlen Friedhofswegen mal einen Löwenzahn und mehr wachsen. In solchen Fällen gebe es öfter Beschwerden von Bürgern. Hier hofft Hell auf einige steigende Akzeptanz, wenn man verdeutlicht, dass Zweibrücken damit einen Beitrag gegen das Artensterben leistet. „Das ist nicht einfach, aber wir sind hartnäckig.“ Der Leitgedankte sei: „Nicht jedes Wildkraut muss entfernt werden!“ 

Neue Bäume pflanze der UBZ möglichst einheimische (nur in der Stadt wegen der Trockenheit auswärtige). Bei Schulen und Kindergarten verwende man gerne Obstbäume: „Kinder sollen auch mal sehen, wie ein Apfel wächst, statt ihn nur aus dem Supermarkt zu kennen.“ Und im Wildrosengarten habe der UBZ vergangenes Jahr 20 Apfelbäume gepflanzt, „weil alte Birken und Linden abgängig waren“.

Bei Sträuchern und Hecken setzte der UBZ auf eine Mischung aus Früh-, Sommer- und Herbstblühern, um in jeder Jahreszeit etwas zu bieten. Der UBZ hat aber nicht nur ein Herz für Tiere, sondern auch für größere Tiere: In den letzten zehn Jahren wurden 57 Fledermauskästen, 87 Vogelnistkästen, vier Wildbienenhäuser und ein (gespendetes) Insektenhotel aufgestellt.

Hell machte allerdings auch klar, dass der UBZ selbst nur auf wenige Grünflächen direkten Einfluss hat. Insgesamt gebe es in Zweibrücken 71 Quadratkilometer Bodenfläche, nur 0,6 km2 davon seien öffentliche Grünanlagen (einschließlich Friedhöfe). Trotzdem sei „Zweibrücken eine grüne Stadt“. Und das nicht nur wegen der 53 Quadratkilometer „Landschaft/Wald“: Auch in Wohngebieten ist viel Grün, zeigte Hell auf Luftbildern auf die vielen Hausgärten. Von denen allerdings – das sah man auch – sind viele von Rasenflächen geprägt, wo Bienen kaum Nahrung finden.

CDU-Fraktionschefin Christina Rauch sagte, sie finde „die Vorbildfunktion der Stadt ganz wichtig“, insbesondere beim Verzicht auf Pestizide (die auch viele für Insekten lebenswichtige Pflanzen vernichten). Rauch fragte, ob der UBZ Saatenmischungen an Bürger verteilen könne. Vorstandschef Werner Boßlet berichtete: „Wir legen gerade ein Förderprogramm auf und werden dies in der ersten Verwaltungsratssitzung nach der Wahl vorstellen.“ Die Sorten sollten aus der Region kommen, weil davon auch die heimischen Insekten deutlich mehr haben. Was allerdings auch deutlich mehr Kosten verursacht: Ein Kilogramm Samen koste 180 bis 250 Euro, pro Quadratmeter benötige man sieben Gramm. Boßlet wies die Vermutung von Wolfgang Ohler (SPD) klar zurück, der UBZ spare durch das Prinzip „weniger ist mehr“ Geld: Früher habe es gereicht, auf einer Fläche einmal mit jährlich mit einem Mann Pestizid zu versprühen, heute müsse man dort vier Mal jährlich in aufwendiger Handarbeit ran. Um die Mehrausgaben zu kompensieren, spare man punktuell anderswo, etwa bei Verkehrsinsel-Bepflanzungen „oder wir pflanzen auch mal an einer Stelle und zehn statt zwanzig Rosen“.

SPD-Fraktionsvize Thorsten Gries lobte, wie „der UBZ seit Jahren für die Artenvielfalt arbeit“. Er hoffe, dass dem „UBZ der schwierige Spagat zwischen ,Unkraut’ nicht mähen und Artenvielfalt fördern weiterhin gelingt, wir unterstützen das“. Dirk Schneider (SPD) regte an, auch Dachflächen zu begrünen.

Grünen-Fraktionschef Norbert Pohlmann bedauerte, dass der UBZ erst auf Antrag über seine „tollen Ansätze“ berichte. Man müsse „die Bevölkerung mitnehmen, Motivation schaffen – denn jeder Einzelne muss mitmachen, die privaten Grünflächen sind ja wesentlich größer als die öffentlichen“.

FWG-Fraktionschef Kurt Dettweiler sprach von einem „großartigen Vortrag“. Er hoffe auf ausführliche Berichterstattung der Presse: „Man bekommt die Kritik von Bürgern, ,es wird nicht gemäht’, ja mit.“

Hedi Danner (SPD) kritisierte, dass die CDU, die sich nun erfreulicherweise für Artenvielfalt einsetze, erst im vorigen Bauausschuss den Grünen-Antrag abgelehnt habe, in Neubaugebieten Schotterwüsten- Vorgärten zu verbieten. Christina Rauch rief: „Wir wollen Freiwilligkeit!“

 Am Neubaugebiet Auf Äckerchen bei Hengstbach hat der UBZ eine Streuobstwiese angelegt. Seltenes Mähen lässt eine bienenfreundliche Blumen wachsen.

Am Neubaugebiet Auf Äckerchen bei Hengstbach hat der UBZ eine Streuobstwiese angelegt. Seltenes Mähen lässt eine bienenfreundliche Blumen wachsen.

Foto: UBZ

Andreas Hüther (CDU) bezweifelte, dass auch auf den Sportplätzen kein Pestizid eingesetzt wird – Boßlet antwortete: „Was unterstellen Sie? Seit 2012 wird auf keiner öffentlichen Fläche noch ein Mittel eingesetzt!“

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