Solardach-Pflicht für John-Deere-Halle und Rückenwind für biologische Vielfalt Stadtrat ringt um ökologischere Politik

Zweibrücken · Zweibrücken schreibt für neue John-Deere-Halle erstmals Solarflächen vor. Kurioser Weg zum Beitritt in Bündnis für biologische Vielfalt.

John Deere (im Bild der Haupteingang) hat grünes Licht für den Bau der riesigen Halle auf dem benachbarten ehemaligen Oltsch-Gelände: Der Stadtrat hat hierfür einstimmig einen Bebauungsplan beschlossen.

Foto: Lutz Fröhlich

Seit ein, zwei Jahren ist sich der Stadtrat grundsätzlich einig: Angesichts von Klimawandel und Naturzerstörung muss einiges getan werden, um das Stadtklima auch in den kommenden Jahrzehnten angenehm zum Leben zu halten, und den Verlust von Artenvielfalt zu stoppen. Doch wie sich diese Ziele in konkrete Politik umsetzen lassen – und mit anderen Zielen wie Unterstützung von Bauvorhaben und Haushaltsdisziplin vereinbaren lassen, darüber gibt es immer wieder intensive Debatten. So auch in der jüngsten Stadtratssitzung bei zwei Tagesordnungspunkten.

So war sich der Stadtrat zwar einig, dass es eine tolle Sache sei, dass der Landmaschinen-Hersteller John Deere neben seinem Zweibrücker Werk seine Deutschland-Logistik zentralisieren und dafür eine neue Halle bauen möchte – was am Standort etwa 125 neue Arbeitsplätze schaffen soll (wir berichteten mehrfach). Das freute auch Grünen-Fraktionschef Norbert Pohlmann. Doch er kritisierte heftig, dass die Stadt, wie sie in ihrem Bebauungsplan-Vorschlag wörtlich schrieb, „wissentlich und bewusst“ darauf verzichten wolle, Photovoltaik-Flächen (zur Solarstrom-Erzeugung) auf dem Dach der Halle vorzuschreiben. Begründung der Stadt: Es reiche, dass die Dachfläche statisch so geplant werde, dass dort vollflächig Photovoltaik installierbar sei; zudem plane John Deere bereits konkret, dies auf zehn Prozent der Dachfläche zu tun, und prüfe für die Zukunft weitere Möglichkeiten. Doch „die Entscheidung des Global Players“ sei „noch nicht abschließend von der Unternehmensspitze in den USA abgesegnet“.

Das brachte (den sonst eher als ruhig bekannten) Pohlmann auf die Palme: „Ist es wirklich so, dass in Moline (Illinois) entschieden wird, was in einem Zweibrücker Bebauungsplan steht?!“ Dies fände er „sehr bedenklich“ und „nicht hinnehmbar“: „Sollte es dabei bleiben, können wir nicht zustimmen.“ Pohlmann betonte, dies sei keine Kritik an John Deere, sondern an der Stadtverwaltung. Er finde es auch „gut, was am Ende als Lösung rauskommen soll“, doch bei allem Vertrauen den Gesprächspartnern gegenüber müssten solche Dinge selbstverständlich auch festgeschrieben werden.

Der Nabu Zweibrücken (Naturschutzbund) hatte im Beteiligungsverfahren sogar gefordert, es müsse „zwingend zur Auflage gemacht werden“, die gesamte Dachfläche mit Photovoltaik zu bestücken, weil so „ohne zusätzlichen Flächenverbrauch“ ein „bedeutender Beitrag zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels“ leistbar wäre. Auch der UBZ als Untere Naturschutzbehörde hatte (allgemeiner) „Festsetzungen“ im Bebauungsplan für Solarflächen gefordert, weil sonst ein „erhebliches Potential zur nachhaltigen Flächen- und Ressourcennutzung verschwendet“ werde. Die geplante Halle wird 14 Meter hoch und hat eine Bruttogrundfläche von etwa 20 000 Quadratmeter.

Projektleiter Patrick Haffner berichtete, John Deere habe die Photovoltaik-Anlage für zehn Prozent der Dachfläche bereits bestellt. Dies sei „sinnvoll“, denn diese 200-Kilowatt-Peak-Anlage „deckt den Energiebedarf der Halle, die ist dann energieneutral“. Das Dach sei auch statisch für weitere Anlagen ausgelegt: „Ich habe aber als Projektleiter eine Gesamtsumme zur Verfügung, die kann ich nicht überschreiten.“ Ob und wann mehr belegt werde, sei offen. „Mehr müssen wir auch immer finanzieren können.“

Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) sagte, ihm sei angesichts der Bedeutung des Hallen-Neubaus für Zweibrücken sehr an einer einstimmigen Entscheidung gelegen – und schlug deshalb vor, die zehn Prozent festzuschreiben: „Wir schreiben einfach in den Bebauungsplan rein, was ohnehin Realität ist, und alle fühlen sich besser.“

Haffner sagte, damit könne John Deere sehr gut leben, wenn dadurch der „sehr enge Zeitplan, wir stehen in den Startlöchern und wollen loslegen“ nicht verzögert werde. Was Stadtverwaltung und Planungsbüro Agsta bestätigten: Es gehe nur um eine redaktionelle Änderung, die Verzögerung betrage nur einen halben Tag.

Bürgernah-Fraktionschef Dirk Schneider und FDP-Fraktionschefin Ingrid Kaiser stellten sich hinter den Änderungsvorschlag von Wosnitza und Pohlmann. Schneider regte an, weitere Flächen auf dem Hallendach könne John Deere vielleicht an andere Interessenten vermieten, zum Beispiel für eine „Bürgersolaranlage“, falls der Landmaschinen-Hersteller seine Solarflächen nicht selbst erweitern wolle.

SPD-Fraktionschef Stéphane Moulin sagte, er vertraue der Zehn-Prozent-Zusage John Deeres und wisse auch aus eigener Erfahrung, dass es manchmal „gewisse Zwänge bei Konzernentscheidungen“ gibt. Er hielte eine Festschreibung daher für verzichtbar, stimme aber zu, weil John Deere damit leben könne. Dem schloss sich Rolf Franzen (CDU) an.

Während der Rat vier weitere Tagesordnungspunkte abarbeitete, forumlierte die Stadtverwaltung bereits die Änderung, wonach „mindestens zehn Prozent der Dachfläche“ mit Photovoltaik bestückt werden muss. Der Stadtrat stimmte diesem neuen Satz und anschließend der gesamten Bebauungsplan-Satzung sowie dem geänderten Flächennutzungsplan jeweils einstimmig zu.

Damit enthält erstmals ein Zweibrücker Bebauungsplan eine Pflicht zum Installieren von Solaranlagen – bislang gab es dies höchstens als unverbindliche Soll-Empfehlung.

Biologische Vielfalt: In zwei Sitzungen hatte der Stadtrat dieses Jahr schon kontrovers diskutiert, ob Zweibrücken die Deklaration des bundesweiten Bündnisses „Kommunen für biologische Vielfalt“ unterzeichnen und dem Bündnis beitreten soll. So gab es Bedenken, ob man mit Unterzeichnen der Deklaration sich nicht womöglich zu rechtsverbindlich auf bestimmte Ziele festlege. Jetzt, in Sitzung Nummer drei, gab es für die Ratsmitglieder eine faustdicke Überraschung: Bei der von Harald Benoit (AfD) und Rolf Franzen (CDU) erbetenen rechtlichen Prüfung stellte sich nicht nur heraus, dass die Deklaration lediglich eine unverbindliche Selbstverpflichtung sei – sondern auch, dass der Stadtrat sie längst einstimmig verabschiedet hat und sie unterzeichnet wurde! Und zwar schon 2010 – als Franzen im Stadtvorstand der zuständige Bau- und Umweltdezernent war, wie Oberbürgermeister Wosnitza erwähnte.

Der jetzige Antragssteller Norbert Pohlmann (Grüne) räumte ein: „Man kann es lustig oder peinlich finden, dass wir jetzt drei Mal darüber sprechen, ob der Stadtrat der Deklaration zustimmt, und 15 der damaligen Ratsmitglieder sind heute noch dabei – ich auch.“ Ein „klarer Rückschritt“ sei aber, dass man 2021 so lange über die Bedenken diskutiere, während die Einstimmigkeit vor zwölf Jahren zeige, „dass der Erhalt der biologischen Vielfalt damals als Selbstverständlichkeit empfunden wurde“.

Pohlmann lobte aber auch, seitdem habe sich in Zweibrücken „einiges getan wie Blühwiesen und Verzicht auf Pestizide im Rosengarten“. Es gehe aber „nicht nur um Bienchen und Blühwiesen“: „Der Verlust biologischer Vielfalt ist existenzbedrohend für die Menschheit“, zum Beispiel wegen der Sauerstoffproduktion.

Die Deklaration sieht unter anderem eine „Begrenzung des Siedlungswachstums auf der ,grünen Wiese’ vor“ – sowie Erhalt und Schaffung „von naturnahen Flächen und Naturerlebnisräumen innerhalb des Siedlungsraumes auch im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel“.

Auch den Beitritt zu dem Bündnis prüfte der Stadtvorstand 2011 sah aber davon ab, denn der Mitgliedsbeitrag von 165 Euro sei keine „unabweisbare“ Ausgabe, wie dies das Haushaltsrecht bei verschuldeten Kommunen verlangt.

Jetzt meint die Rats-Mehrheit, dass den Kosten (weiterhin 165 Euro) auch finanzielle Vorteile gegenüberstehen, weil Zweibrücken durch den Erfahrungsaustausch mit den 290 Mitgliedskommunen weit mehr profitieren könne. Für den Beitritt stimmten 18 Räte (SPD, Grüne und Teile anderer Fraktionen), dagegen votierten fünf Ratsmitglieder (vier Enthaltungen).