Remise darf abgerissen werden, wenn Hauptgebäude denkmalgerecht saniert wird – Keine verschärften Abstandsregeln für Neubauten Bauvorbescheid über Zukunft der Villa Schwinn

Zweibrücken · Die Stadt hat den Investoren bereits rechtsverbindlich zugesagt: Sie dürfen die Remise der Villa Schwinn abreißen, wenn sie das Hauptgebäude denkmalgerecht sanieren. Die Wohn-Neubauten dürfen fast so hoch wie die Villa werden. Für den Mindestabstand gibt es keine besonderen Vorgaben. Denkmalfreunde sind entsetzt.

 1894 gebautes und heute denkmalgeschütztes Ensemble im Neurenaissance-Stil: Die Remise (vorn im Bild) darf abgerissen werden, wenn das Hauptgebäude der Villa Schwinn erhalten und denkmalgerecht saniert wird. (Die Perspektive auf diesem Weitweinkel-Foto übrigens täuscht: Die Villa ist natürlich wesentlich höher als die Remise.)

1894 gebautes und heute denkmalgeschütztes Ensemble im Neurenaissance-Stil: Die Remise (vorn im Bild) darf abgerissen werden, wenn das Hauptgebäude der Villa Schwinn erhalten und denkmalgerecht saniert wird. (Die Perspektive auf diesem Weitweinkel-Foto übrigens täuscht: Die Villa ist natürlich wesentlich höher als die Remise.)

Foto: Lutz Fröhlich

Während einige Zweibrücker Denkmalfreude weiter für den Erhalt des gesamten denkmalgeschützten Ensembles der Villa Schwinn kämpfen, hat die Stadtverwaltung unbemerkt von der Öffentlichkeit bereits Fakten geschaffen: Die Remise (Ex-Kutschenhalle) der Villa darf ganz oder in Teilen abgerissen werden, um Platz für Wohnungsneubauten zu schaffen.

Dass die Stadt dies erlauben wollte, ist zwar schon lange bekannt, ebenso wie die Auflagen, unter denen die Remise zerstört werden darf (siehe unten). Doch dass das Stadtbauamt dem privaten Investor bereits eine rechtsverbindliche Zusage gegeben hat, kommt erst jetzt durch eine Merkur-Anfrage ans Licht.

Mehrfach hatte die Stadt der Presse erklärt, es gebe eine Bauvoranfrage des Investors. Was ist daraus geworden? Eingereicht wurde die Bauvoranfrage am 20. Februar 2020 – und der Bauvorbescheid ebenfalls bereits vergangenes Jahr erlassen, am 16. Juli 2020, mailt der neue Stadtsprecher Jens John dem Merkur.

Bauvorbescheide nach § 72 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz haben rechtsverbindliche Auswirkungen. Das Innenministerium erklärt hierzu auf seiner Internetseite: „Vor Einreichung eines Bauantrages kann mit einer Bauvoranfrage ein schriftlicher Bescheid zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens (Bauvorbescheid) beantragt werden. Als vorweggenommener Teil der Baugenehmigung entfaltet ein positiver Bauvorbescheid Bindungswirkung für das spätere Baugenehmigungsverfahren.“

Und zwar vier Jahre lang. Entscheidet sich eine Kommune um, muss sie Schadenersatz zahlen.

Im konkreten Fall wollte der Investor (neben Stellplatzfragen) geklärt haben, ob der Denkmalschutz – unter dem das gesamte Villa-Schwinn-Ensemble einschließlich Remise steht – seinem Vorhaben im Weg steht, das Gelände mit rund 100 Wohnungen zu bebauen. Stadtsprecher John fasst auf Merkur-Anfrage zusammen, was dazu im Bauvorbescheid stehe: „Grundsätzlich ist ein Abbruch bzw. ein Teilabbruch der Remise möglich, sofern eine entsprechende Kompensation erfolgt.“ Gemeint sei mit diesem Ausgleich: „Grundsätzlich ist vor Erteilung einer Baugenehmigung ein denkmalpflegerisches Instandsetzungs- und Sanierungskonzept für das Hauptgebäude vorzulegen und verbindlich mit der Unteren Denkmalbehörde in Verbindung mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe abzustimmen. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer ansonsten in allen Teilen genehmigungsfähigen Planung und der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages. Die Grundstückseinfriedung ist zu erhalten, instand zu setzen und artgleich zu schließen. Eine parkartige Bepflanzung um die Villa ist auf den verbleibenden Restflächen anzulegen und mit der Unteren Denkmalbehörde abzustimmen. Die Höhe des nächstgelegenen Gebäudes soll der Traufhöhe der Villa entsprechen und das Staffelgeschoss ist von der Hofenfelsstraße gesehen um sieben Meter in seiner Breite zu verkleinern. Die Farbgebung ist mit der Unteren Denkmalbehörde abzustimmen.“

Zwar hatte Oberbürgermeister und Baudezernent Marold Wosnitza (SPD) schon im September 2020 erklärt, solche Vorgaben, insbesondere die Sanierung des Hauptgebäudes, müssten für einen Abriss der Remise erfüllt werden.

Pikant ist allerdings: Noch vor wenigen Wochen, im Mai 2021, sprach Wosnitza auf Merkur-Anfrage von einer Bauvoranfrage – ohne zu erwähnen, dass diese längst beschieden ist. Im September 2020 hatte Wosnitza dem Merkur erklärt, einen Runden Tisch unter anderem zur Villa Schwinn einzuberufen, zu dem auch für vier für den Erhalt der Remise kämpfende Zweibrücker Bürger/-innen eingeladen waren. In dem Merkur-Gepräch – zwei Monat, nachdem die Bauvoranfrage bereits positiv beschieden wurde – sagte Wosnitza: „Bislang gibt es nur eine Bauvoranfrage des Investors.“ Auch beim nichtöffentlichen Runden Tisch am 6. Oktober habe keiner der Stadt-Vertreter erwähnt, dass der Bauvorbescheid bereits erlassen wurde, berichtet Roswitha Chéret, die als Ortskuratorin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und Teil der Viererguppe mit am Runden Tisch saß. Im Gegenteil: „Ich habe damals zwei Mal nachgefragt, ob es keine Pläne gibt, die müsste es bei Bauvoranfragen doch eigentlich geben.“ Es hieß: Nein!“ Laut Antwort der Stadt auf die jetzige Merkur-Anfrage hielt die Stadt zwar nicht für notwendig, Modelle anzufordern, um die Wirkung der Neubauten auf die Villa Schwinn zu prüfen – aber „geprüft wurde auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen bestehend aus Grundrissen, Schnitten, Ansichten, Lageplan, Baubeschreibungen, Stellplatzberechnungen usw.“.

Chéret ist empört: „Uns wurde ins Gesicht gelogen. Es hieß wörtlich, dass nichts vorliege.“

Nach der bis vor Kurzem auf einer Internetseite einer Baugesellschaft zu sehenden Visualisierung der Neubauten (angeblich noch nicht die endgültige Fassung) sah es so aus, als würden diese so hoch und nah an die Villa Schwinn gebaut, dass diese an den Rand gedrängt wirkt. Der Merkur hat die Stadt deshalb auch gefragt, ob es im Bauvorbescheid Auflagen zu Höhe und Abstand gibt. Ergänzend zu den oben zitierten Sätzen teilt Sprecher John mit, zu den Abständen mache die Stadt keine über die allemeinen Regen in § 8 Landesbauordnung hinausgehenden Vorgaben, „weil der Abstand aus denkmalpflegerischer Sicht unter der Berücksichtigung aller anderen Aspekte als ausreichend angesehen wurde. Es wurde hier keine Minimalbetrachtung angestellt.“

Da alle Baugenehmigungsverfahren „ein Geschäft der laufenden Verwaltung“ seien, wurden weder Stadtrat noch Bauausschuss in die Entscheidung über den Bauvorbescheid eingebunden, erläutert John auf eine weitere Merkur-Frage. „Grundlage der Bauvoranfrage war jedoch im Kern der im Bau- und Umweltausschuss am 26.11.2019 (nichtöffentlich, Anm. d. Red.) vorgestellte Vorentwurf.“

 Das ist kein aktueller Protest, sondern eine Mahnung auf dem Hauptgebäude aus der Urzeit des denkmalgeschützten Villa-Schwinn-Ensembles: „Nicht Müh, nicht Fleiss, nicht Arbeit nützt, wenn Gott der Herr den Bau nicht schützt.“

Das ist kein aktueller Protest, sondern eine Mahnung auf dem Hauptgebäude aus der Urzeit des denkmalgeschützten Villa-Schwinn-Ensembles: „Nicht Müh, nicht Fleiss, nicht Arbeit nützt, wenn Gott der Herr den Bau nicht schützt.“

Foto: Lutz Fröhlich

Denkmalstiftungs-Ortskuratorin Chéret bedauert, dass angesichts der großen Bedeutung des Villa-Schwinn-Ensembles für die Reste des durch die Bombardierung am 14. März 1945 fast völlig zerstörten alte Zweibrückens keine Gremien der gewählten Volksvertreter in die Entscheidung involviert wurden. Auch wenn dies wahrscheinlich am Ausgang nichts geändert hätte: „Am Runden Tisch waren alle gegen uns, auch die Vertreter der Fraktionen.“

Chéret findet es „erschütternd“, dass der Bauvorbescheid den jetzigen „Solitär“ Villa Schwinn seiner Wirkung fast völlig berauben werde, weil die Neubauten fast genauso hoch werden dürfen und nicht mehr als die für Wohnbauten allgemein üblichen Abstandsregeln eingehalten werden müssen: „Genau das haben wir befürchtet. Die Villa Schwinn wird erdrückt!“

Georg Dhom, ebenfalls Mitglied der Bürger-Vierergruppe, bestätigt Chérets Erinnerung an den Runden Tisch und teilt ihre Kritik.

Dhom und Chéret betonen erneut, sie seien nicht grundsätzlich gegen Neubauten auf dem Gelände, zumal der Abriss einiger neuerer Nebengebäude wie der Ex-Tankstelle unbedenklich oder für die Wirkung der Villa sogar gut wären. Man werde aber weiter um den Erhalt der Remise und genug parkähnlichen Freiraum um das Villla-Schwinn-Hauptgebäude kämpfen. Gerade auch für die Industriestadt Zweibrücken sei das von der Fabrikanten-Familie Schwinn 1894 mitten in der Stadt gebaute Villa-Ensemble unbedingt erhaltenswert – mitsamt Remise, sagt Dhom: „Wir bleiben dran.“ Die Vierergruppe habe deshalb kürzlich auch an die Generaldirektion Kulturelles Erbe geschrieben (Obere Denkmalschutzbehörde). Die habe es auch schon geschafft, den Rosengarten unter Denkmalschutz zu stellen, „was zehn Jahre lang in Zweibrücken außer uns fast niemand wollte“ – und jetzt habe niemand mehr ein Problem damit.

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