Corona-Schutz: Zweibrücken setzt bei Pflegepersonal (und auch ganzer Bevölkerung) auf Aufklärung statt Zwang Wosnitza und Gensch klar gegen Impfpflicht

Zweibrücken · Auch in Zweibrücken lassen sich in Altenheimen deutlich mehr Bewohner als Pflegekräfte gegen Covid-19 impfen. Doch die Stadt hält den Söder-Vorschlag einer Personal-Impfpflicht für kontraproduktiv – und will stattdessen mit Aufklärung mehr Vertrauen schaffen.

 Während manche Leute sauer sind, dass sie noch nicht jetzt gegen das gefährliche, hochansteckende Coronavirus geimpft werden dürfen, weil erst einmal Risikogruppen wie Pflegekräfte dran sind, lehnen etliche von diesen die Impfung bislang ab. Im Bild Impfdosen im Landeseimpfzentrum Zweibrücken.

Während manche Leute sauer sind, dass sie noch nicht jetzt gegen das gefährliche, hochansteckende Coronavirus geimpft werden dürfen, weil erst einmal Risikogruppen wie Pflegekräfte dran sind, lehnen etliche von diesen die Impfung bislang ab. Im Bild Impfdosen im Landeseimpfzentrum Zweibrücken.

Foto: Stadtverwaltung Zweibrücken

Deutschland hat ein Problem: Die für die Bekämpfung der zuletzt immer mehr Menschenleben fordernden Corona-Pandemie wichtigen Impfungen sind zwar erfolgreich angelaufen. Aber um die Pandemie durch eine „Herdenimmunität“ zu besiegen, ist nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO erforderlich, dass sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung impfen lassen.

Doch die ersten Erfahrungen zeigen: Bundesweit ist nur etwa die Hälfte des Pflegepersonals in Altenheimen impfbereit – obwohl es medizinisch überdurchschnittlich gebildet ist und man vermuten könnte, dass die Impfbereitschaft (zu eigenen Schutz und zum Schutz der Senioren) überdurchschnittlich hoch ist. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.

Klar ist also: Es besteht Handlungsbedarf, um höhere Impfquoten zu erzielen. Aber wie? Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat vergangene Woche eine Diskussion über Impfpflicht für Pflegekräfte angestoßen. Der potenzielle Kanzlerkandidat sagte der Süddeutschen Zeitung und dem ZDF-Morgenmagazin, angesichts der „zu hohen Impfverweigerung“ bei Pflegekräften solle der Deutsche Ethikrat über eine Impfpflicht für Gruppen in in „hochsensiblen Bereichen“ wie Alten- und Pflegeheimen debattieren – schließlich gehe es dort „um Leben und Tod“.

Bei den beiden führenden Zweibrücker Coronaschutz-Politikern stößt Söders Vorstoß allerdings auf entschiedene Ablehnung. Das ergaben Merkur-Anfragen an Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) und Christoph Gensch. Der CDU-Ratsfraktionschef und promovierte Mediziner koordiniert nicht nur für die Zweibrücker Ärzteschaft die Corona-Bekämpfung, sondern ist als Landtagsabgeordneter auch stellvertretender Vorsitzender der rheinland-pfälzischen Corona-Enquetekommission. Beide setzen statt Zwang darauf, durch verstärkte Aufklärungsbemühungen Impfskeptiker zu überzeugen.

„Von einer Impfpflicht halte ich überhaupt nichts!“, sagt Wosnitza. Er finde es „sehr bedauerlich, dass durch teils politisch motivierte Fehlinformationen“ vor allem via Social Media „Verunsicherung in der Bevölkerung losgetreten worden ist“. Damit meine er wissenschaftlich völlig unbelegbare Behauptungen wie dass der Impfstoff zu wenig getest sei und dass angeblich Folgeschäden wie etwa Unfruchtbarkeit drohten – oder auch Verschwörungstheorien wie dass mit der Impfung Microsoft-Chips implantiert würden. „Die Impfquote wäre deutlich höher, wenn nicht bewusst solche Kampagnen betrieben würden“, glaubt Wosnitza.

Solche Diskussionen auch noch mit einer Impfpflicht zu befeuern, werde nicht das notwendige Vertrauen schaffen, die Impfbereitschaft zu erhöhen, ist der Oberbürgermeister überzeugt.

Stattdessen kündigt er an: „Wir müssen verstärkt in die Aufklärungsarbeit gehen.“ Zum Beispiel durch Mediziner, die in Alten- und Pflegeheime gehen. Es gehe um Informationsvermittlung, aber auch um Menschen, die sich schon impfen gelassen haben, als Vorbilder. Man entwickele in Zweibrücken gerade eine Aufklärung-Strategie, geplant sei auch eine Plakat-Aktion.

In Zweibrücken und Zweibrücken-Land (wofür das Zweibrücker Impfzentrum auch zuständig ist) hätten bereits rund 5000 Menschen ihre erste (von zwei erforderlichen) Impfdosen erhalten, berichtet Wosnitza. Damit seien in nur anderthalb Wochen schon über 20 Prozent der in der ersten Impfwelle Berechtigten (über 80-Jährige und andere Risikogruppen wie Pflegekräfte in Heimen) geimpft. Schwere Nebenwirkungen seien seines Wissens noch bei niemand aufgetreten.

In Zweibrücken war die Impfquote beim Personal in den Alten- und Pflegeheimen bei den ersten Impfungen zwar etwas höher als im Bundesschnitt – aber auch hier ließen sich in allen Heimen bei den eigens dort zur Durchimpfung angesetzten Impfterminen deutlich mehr Bewohner als Pflegekräfte piksen: Die Personal-Impfquote lag im Wichernhaus bei 75 Prozent, im Awo-Haus am Rosengarten sowie im Contwiger Haus Sarepta bei jeweils nur rund 60 Prozent (wir berichteten).

Dass es Impfskeptiker auch unter Pflegekräfte gibt, überrascht den Oberbürgermeister allerdings nicht: „Auch Pflegepersonal ist ist ein Querschnitt der Bevölkerung. Warum sollte das da anders sein?“

Auch Christoph Gensch hat auf die Merkur-Frage, was er von Söders Anregung einer Impfpflicht für Pflegekräfte hält, eine klare Antwort: „Nichts. In der momentanen Situation sollten wir die Impfbereitschaft durch Aufklärung und Vertrauen steigern und nicht durch eine Pflicht.“

Gensch war auch bei den Impfungen in den hiesigen Altenheimen aktiv. Was ist nach seiner Einschätzung der Grund dafür, dass die Impfbereitschaft bei den Bewohnern größer als beim Pflegepersonal ist? Inwieweit hat Gensch Verständnis dafür?“ Der Mediziner mailt als Antwort auf diese Fragen: „Ich glaube, dass gerade die jüngeren Mitarbeiter skeptisch bezügliche des neuartigen Wirkstoffs sind. Dies ist häufig so. Jedem neuen Wirkprinzip in der Medizin wird am Anfang eine gewisse Skepsis entgegengebracht. Zum Beispiel habe ich das erlebt, als Alternativpräparate zu Marcumar (vereinfacht: Mittel zur Hemmung der Blutgerinnung) auf den Markt gekommen sind. Was hat man diesen Präparaten nicht alles unterstellt? Heute sind sie Standard. Ein weiteres Problem sind Fake-News und pseudoseriöse Quellen mit wissenschaftlichem Anstrich in den sozialen Medien. Hiermit werden viele Zweifel und Unsicherheit erzeugt.“

Das Vertrauen in den Impfstoff lasse sich „durch Information, Transparenz und Aufklärung“ steigern, „wenn es nötig ist auch durch mehrere Gespräche“. Davon ist Gensch nicht nur überzeugt – er verweist auch auf erste praktische Erfahrungen: „Im Wichernhaus haben wir mittlerweile eine Impfbereitschaft des Personals von 82 Prozent. Die Kollegin Anastasia Ecker hat weitere Mitarbeiter in zusätzlichen Gesprächen am 11. Januar aufgeklärt. Ich selbst habe im Awo-Haus einen erneuten Aufklärungstermin mit den Mitarbeitern am 18. Januar. Weitere Termine von uns Impfärzten in den Pflegeheimen zu zusätzlichen Aufklärungsgesprächen sind schon terminiert beziehungsweise werden noch abgestimmt.“

Gensch informiert weiter: „In und um Zweibrücken liegt die Impfquote der Mitarbeiter in drei von vier Pflegeheimen bereits bei mindestens 75 Prozent. Das ist das Ergebnis einer engagierten Aufklärungsarbeit durch zahlreiche Personen und topmotivierte Heimleitungen, die ihrer Vorbildfunktion mehr als gerecht werden. Im Johann-Hinrich-Wichern-Haus haben wir mittlerweile eine Impfbereitschaft des Personals von 82 Prozent, im DRK-Pflegeheim in Mörsbach liegt die Impfquote der Mitarbeiter bei 80 Prozent und im Hause Sarepta in Contwig bei 75 Prozent. Lediglich im Awo-Haus liegt die Mitarbeiter-Impfquote noch etwas darunter bei 57 Prozent. Dies ist im Landesdurchschnitt immer noch ein guter Wert. Auch hier macht die Heimleitung hervorragende Arbeit und kommt ihrer Vorbildfunktion nach.“

Gensch betont aber auch: „Wir sollten vermeiden, die Leute zu drängen oder zu überreden. Wer noch Zeit braucht, Vertrauen in die Richtigkeit der Impfung zu entwickeln, dem sollten wir diese Zeit auch geben. Wir überzeugen durch Argumente – nicht durch Druck!“

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