Ausbau-Genehmigung für Fashion Outlet Statt Zweibrücker Outlet eigene Fehlplanungen an Problemen in Saar-Citys schuld?
Exklusiv | Zweibrücken · Die Erlaubnis zur Erweiterung des Fabrikverkaufzentrums enthält brisante Aussagen zum Protest aus Homburg und Neunkirchen. Dagegen folgt die Genehmigungsbehörde der Kritik Städte in der Pfalz und im Saarland. Es geht um die unklare Definition des Luxuswaren-Begriffs. Und sieht Handlungsbedarf wegen sich verschärfender Verkehrsprobleme.
„Die schärfsten Kritiker der Elche/waren früher selber welche“. Dürften deutsche Verwaltungsentscheidungen Humor zeigen, könnte dieser legendäre Zweizeiler des Satirikers F. W. Bernstein (1938-2018) als Überschrift über dem Kapitel „Vorschädigung der Innenstädte“ im von der Struktur- und Genehmigungsdirektion in Neustadt (SGD Süd) in Rheinland-Pfalz erlassenen „Raumordnerischen Entscheid mit integriertem Zielabweichungsbescheid über die geplante Erweiterung des Zweibrücken Fashion Outlet in der kreisfreien Stadt Zweibrücken“ stehen.
Nur geringe Auflagen bei Erweiterung Fashion Outlet in Zweibrücken
In dem Bescheid hatte die rheinland-pfälzische Landesbehörde die von dem Fabrikverkaufszentrum beabsichtigte Vergrößerung von 21 000 Quadratmeter auf 29 500 Quadratmeter reine Nettoverkaufsfläche gebilligt und nur geringfügige Auflagen gemacht (wir berichteten). Nun hat die SGD Süd den 120-seitigen Bescheid veröffentlicht. Und nimmt dabei – mithilfe von Gutachten – einige der Argumente kritischer Nachbarkommunen teils deutlich auseinander.

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Besonders brisant: Die Kritiker sehen durch den Ausbau des (je nach Definition) derzeit (zweit-)größten deutschen Outlet-Centers ihre Innenstädte, die heute schon durch das 2001 eröffnete Outlet vorgeschädigt seien, noch weiter gefährdet: Weitere Leerstände drohten. Dem entgegnet das von VIA Outlets (dem Zweibrücker Outlet-Betreiber) beauftragte 2023er-Nachgutachten des Fachbüros „ecostra“, die Kritiker Homburg und Neunkirchen seien auch selbst schuld an Vorschädigungen ihrer Innenstädte.
Gutachten des Betreibers: Neunkirchen und Homburg selbst schuld
„Der Gegendarstellung von ecostra kann gefolgt werden“, schreibt die SGD Süd in ihrem Bescheid. Und fasst zuvor die Gutachter so zusammen: „ecostra ist der Auffassung, dass die Stadt Homburg den Schutz ihrer eigenen Innenstadt in den letzten Jahrzehnten selbst nicht konsequent verfolgt habe. Beispielsweise seien in Homburg Fachmärkte für Bekleidung und Schuhe an verkehrsorientierten, dezentralen Standorten außerhalb der Innenstadt (u.a. K+K-Schuhe sowie Takko an der Berliner Straße und am Standort des Globus-Warenhauses in der Neunmorgenstraße Cecil und Street One) angesiedelt worden.
Ähnliche Entwicklungen habe es in der Stadt Neunkirchen gegeben. Es gebe also eindeutige Hinweise dahingehend, dass eigene planerische Fehlentscheidungen dieser Städte in der Vergangenheit mehr oder weniger Einfluss auf die Einzelhandelsentwicklung in der jeweiligen Innenstadt genommen haben und so die derzeitige Situation zumindest mitbeeinflusst worden sei.“
Einfluss aus Zweibrücken auf das Saarland nicht nur positiv
Die Genehmigungsbehörde räumt aber auch ein: „Aus Sicht der SGD Süd dürfte das Zweibrücken Fashion Outlet die Entwicklung des Einzelhandels in den Nachbarkommunen nicht nur positiv beeinflusst haben.“ Über die Vorschädigungen der umliegenden Einzelhandelsstrukturen durch das Outlet könnten jedoch „keine belastbaren Aussagen getroffen werden“.
Zu den Kommunen in der Region, die bei der SGD Süd Stellungnahmen gegen die Outlet-Vergrößerung eingereicht hatten, gehören Pirmasens, Kaiserslautern, Homburg, St. Ingbert, Blieskastel, der Saarpfalz-Kreis, Saarbrücken und Völklingen, aber auch das saarländische Wirtschaftsministerium und die Industrie- und Handelskammern IHK Pfalz und IHK Saarland.
Einwände aus dem Saarland am Gutachten
Die meisten von ihnen kritisieren auch, bereits die ersten „ecostra“-Gutachten (2019 bis 2022) hätten die durch den Outlet-Ausbau zu erwartenden Umsatzverluste für die Innenstädte im nahen und mittleren Einzugsbereich erheblich schöngerechnet. So hätten die Gutachter nicht eingehend genug die realen Situationen vor Ort berücksichtigt.
Alle „ecostra“-Gutachten waren zu dem Schluss gekommen, dass es zwar mehr oder weniger Umsatzeinbußen in den Innenstädten der Region geben könne – aber bei Weitem nicht in einem wesentlichen, raumordnungsrechtlich relevanten Ausmaß. Die Stadt Zweibrücken hatte am Ende noch selbst ein Gutachten beauftragt: Das Junker und Kruse überprüfte „die Auswirkungsanalyse ecostra 2023 auf ihre Plausibilität hin“, schreibt die SGD Süd.
Outlet hält Umsatzzahlen geheim
Dem Ergebnis von Junker und Kruse – es sei plausibel, dass auch im „worst case“ (schlimmsten Fall) durch die Outlet-Erweiterung keine erheblichen negativen Auswirkungen zu erwarten sind – stimmt die SGD zu. Allerdings gehört zu den Kruse-Ausführungen, denen die SGD folgt, auch Bedauern darüber, dass das Outlet seine Umsatzzahlen nicht offenlege.
Die SGD fasst hierzu Kruse zusammen: „Idealerweise würden reale Umsatzzahlen des vorhandenen Zweibrücken Fashion Outlet, die von dem Betreiber zur Verfügung gestellt würden, die Brisanz aus dieser Diskussion nehmen, doch auch hier, wie in fast allen vergleichbaren Verfahren, würden solche Zahlen nicht vorliegen.“
Hochpreisige Luxus- und Premiummarken – was dahitersteckt
Vollumfänglich geteilt hat die SGD Süd lediglich einen gegen die Ausbaupläne vorgebrachten Einwand – bezüglich der Outlet-Pläne, die Erweiterung vor allem für hochpreisige Luxus- und Premium-Marken zu nutzen. Mehrere Kritiker halten die im Antrag vorgeschlagenen Formulierungen für zu vage. Es heißt, die 40 bis 50 geplanten neuen Outlet-Läden sollten „primär im hochpreisigen Luxus- und Premiumsegment entstehen“, damit das Center „eine verstärkte Anziehungskraft für Kunden mit überdurchschnittlicher Kaufkraft aus großen Einzugsbereichen“ gewinne.
Die Stadt Saarbrücken hat zudem daran erinnert, dass die (Anm. d. Red.: schon vor der Eröffnung 2001 angekündigte) „angeblich Besonderheit“ des Zweibrücker Outlets, „nur oder zumindest primär Produkte von hochwertigen Markenherstellern des Luxus-/Premiumsegments anzubieten und damit nicht in unmittelbare Konkurrenz zu einer Vielzahl von Läden in klassischen Innenstädten zu treten, durch die Wirklichkeit bereits widerlegt“ werde, fasst die SGD die Saarbrücker Einschätzung zusammen: Zweibrücker Outlet-Marken „wie z. B. Adidas, Birkenstock, Betty Barclay, Brax, Calida, Cinque, Diesel, Falke, Gant etc.“ würden „anschaulich zeigen“, dass es sich „um den klassischen Angebotsmix einer typischen Innenstadt eines Mittel- oder Oberzentrums handele“.
Luxus-Definition soll bestimmt werden
Weil die SGD die Kritik teilt, hat sie zur Auflage gemacht: „Die Definition des Luxussortiments ist im Zuge der Bauleitplanung in einem städtebaulichen Vertrag festzulegen.“ Auch das ist allerdings eine Entscheidung, die den Outlet-Betreiber nicht hart treffen dürfte – er hatte in seinem Ausbau-Antrag in einem beigefügten Rechtsgutachten diesen Weg bereits selbst als Möglichkeit vorgeschlagen.
Und darin sogar noch weitergehender die Bereitschaft angedeutet, die Luxus-Definition könne „gegebenenfalls auf einem noch festzulegenden Prozentsatz auch der Bestandsflächen“ ausgeweitet werden.
Noch eine Auflage der Genehmigungsbehörde
Die SGD Süd hatte in ihrer Pressemitteilung nur die Auflagen erwähnt, die den geplanten Erweiterungsbau direkt betreffen (neben der Luxus-Definition Obergrenzen für einzelne Sortimentgruppen). Doch der nun auf der Homepage veröffentlichte 120-seitige Bescheid enthält noch eine weitere nennenswerte Auflage: „Die Ergebnisse und Erfordernisse der verkehrstechnischen und naturschutzfachlichen Untersuchungen sind in den nachfolgenden Bauleitplanverfahren zu beachten und umzusetzen.“
Hinter dieser auf den ersten Blick unscheinbaren Formulierung verbirgt sich in den Erläuterungen aber eine aufwendige Änderung: Die Anschlüsse an die Autobahn müssen umgestaltet werden! Hierzu fasst die SGD Süd das von Vertec wegen der Outlet-Erweiterung erstellte Verkehrsgutachten zusammen: „Für die beiden Anschlussrampen der Autobahn A 8 an die L 480 (K 3 und K 4) könne auf bestehender Geometrie die Kapazität und dementsprechend der Verkehrsfluss nicht gesichert werden.
Höheres Verkehrsaufkommen muss in den Griff bekommen werden
Dies sei bereits im Prognose-Nullfall 2030 (ohne Erweiterung Outlet) festzustellen. Auch innerhalb der Analyse zeige sich, dass die Knoten aufgrund der hohen Belastung an die Grenze der Leistungsfähigkeit stießen und es zu Problemen bzgl. Wartezeiten und Rückstau komme. Eine Anpassung zur Steigerung der Leistungsfähigkeit sei hier notwendig. Aus Sicht des Ingenieurbüros Vertec stünden ein Ausbau zu signalisierten Einmündungen und der Umbau in Kreisverkehrsplätze zur Auswahl.“ Aus verkehrsplanerischer Sicht seien Kreisel besser als Ampeln.
Notwendig war das Raumordnungs- mit Zielabweichungsverfahren, weil so große Einkaufsflächen in Rheinland-Pfalz eigentlich nicht außerhalb von Stadt- und Ortskernen erlaubt sind. Es galt deshalb zu prüfen, ob für das Outlet eine Ausnahme möglich ist, weil die Auswirkungen auf die Stadtkerne verträglich sind. Nachdem die SGD Süd grünes Licht gegeben hat, folgt nun als nächster Schritt die Änderung der kommunalen Bebauungspläne. Auch hier sind wieder Einwände von Nachbarn zu erwarten – und am Ende wohl auch Klagen, wie mehrere Kommunen schon angekündigt haben.
Auffällig ist: Ausgerechnet die beiden direkten Anlieger des Outlet-Geländes – die Stadt Zweibrücken und der Landkreis Südwestpfalz – begrüßen die Outlet-Erweiterung, fast alle Kommunen im anschließenden Umkreis sind dagegen.