Aktion in Canada-Siedlung Die Begeisterung für das Impfen lässt nach

Zweibrücken · Besondere Impfaktion an der Tafel in der Canada-Siedlung: Nur zwölf Bürger wollen sich Vakzin verabreichen lassen. Die beiden Ärzte und DRK-Team rätseln über Gründe. Hausarzt Fess: „Es wird immer schwerer, bestimmte Gruppen in der Bevölkerung zu erreichen.“

 Harrten am Donnerstag in der Canada-Siedlung in Zweibrücken geduldig stundenlang aus: Das DRK-Team unter der Leitung von Jan-Hendrik Prager (rechts) sowie die beiden Ärzte Lutz Fess (5. von rechts) und Mario Kratz (3. von links).

Harrten am Donnerstag in der Canada-Siedlung in Zweibrücken geduldig stundenlang aus: Das DRK-Team unter der Leitung von Jan-Hendrik Prager (rechts) sowie die beiden Ärzte Lutz Fess (5. von rechts) und Mario Kratz (3. von links).

Foto: Mathias Schneck

Es ist alles vorbereitet. Die Impfstation ist aufgeschlagen. Die Vakzine gekühlt, die Spritzen gerichtet. Zwei Ärzte stehen Gewehr bei Fuß, ebenso ein siebenköpfiges Team des DRK. Fehlen nur noch die Impfwilligen. Aber die werden sich an diesem Donnerstagnachmittag zieren.

Um 13 Uhr startet die Impfaktion des DRK in der Canada-Siedlung, schräg gegenüber den Räumen der Tafel. Bis 16.30 Uhr wird das neunköpfige Impfteam ausharren – eigentlich sollte die Aktion bis 18 Uhr gehen. Aber es werden in dreieinhalb Stunden nur zwölf Impfwillige erscheinen, wie Jan-Hendrik Prager, Leiter der mobilen Impftteams des DRK Südwestpfalz, abends Bilanz zieht.

An den Helfern liegt es nicht. Die legen sich ins Zeug. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Tafel steht zusätzlich neben einem in mehreren Sprachen verfassten Schild, das an der Tafel auf die Impfaktion aufmerksam macht. Der Mitarbeiter spricht immer wieder Menschen, die die Tafel aufsuchen (hier ist immer donnerstags ab 14.45 Uhr Lebensmittelausgabe) an: Ob sie Bescheid wüssten? Die Impfstation sei schräg gegenüber der Tafel.

Doch die allermeisten winken ab. „Kein Interesse“. In der ersten Stunde kommen immerhin noch acht Personen, allesamt aus der Canada-Siedlung. In den folgenden zweieinhalb Stunden sind es noch vier weitere.

Lutz Fess tigert vor der Impfstation auf und ab. Er grübelt. Woran liegt es, dass die Impfbegeisterung so abzukühlen scheint? „Keine Ahnung“, meint der erfahrene Zweibrücker Hausarzt. Aber etwas schwant ihm doch: „Es wird immer schwerer, bestimmte Gruppen in der Bevölkerung zu erreichen.“ Fess ist diese Verweigerungshaltung ein Rätsel. „Viele begreifen offenbar nicht die Schwere, die diese Krankheit in ihrem Verlauf nehmen kann“, sagt er.

Fess selbst hat in seiner Praxis sicher schon 1400 Bürger gegen das Corona-Virus geimpft. Die niedergelassenen Ärzte in Zweibrücken insgesamt hätten insgesamt 10 000 Mal gepikst. Und das Impfzentrum im Ex-City-Outlet habe dank des Engagements von Matthias Freyler, Impfkoordinator der Rosenstadt, viele weitere Bürger geimpft. Aber nun kommt die Kampagne quasi vor einer Wand der Verweigerung zum Stehen.

Dr. Mario Kratz aus Homburg, der gemeinsam mit Fess an diesem Nachmittag die Vakzine verabreicht (Biontech sowie Johnson & Johnson) pflichtet seinem Kollegen bei: „Um eine Herdenimmunität zu erreichen, müssten wir deutlich mehr Menschen impfen, es müssten 80 bis 85 Prozent sein. Davon sind wir noch ein weites Stück entfernt.“ Kratz sieht kommunikative Fehler in der Politik, ferner habe „das Hin und Her der Stiko“ bezüglich der Impfung von Kindern ab zwölf Jahren für Verunsicherung gesorgt. Erst sperrt sich die Stiko, dann, so Kratz, „ein plötzlicher, radikaler Kurswechsel“. Das sei „nicht schlüssig gewesen“, klagt Kratz. Die Bürger würden so etwas aufmerksam verfolgen.

In diesem Moment kommt Fess schnaufend aus der Richtung Tafel zurück. „Keine Chance“, sagt er knapp. Er habe eben eine Passantin angesprochen, diese habe sich allerdings äußerst störrisch gezeigt.

Wie zur Bekräftigung läuft just in dem Moment eine junge Frau an ihr Auto. Ob sie schon geimpft sei, will Fess wissen. Die Frau winkt lachend ab. Sie habe eine Impfung erhalten. Aber dann muss doch eine zweite erfolgen. „Müsste“, korrigiert die Frau. Sie wolle lieber einmal abwarten.

 Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Tafel wies Passanten in der Siedlung auf das Schild (in mehreren Sprachen verfasst) hin und zeigte ihnen, wo das Impfzelt genau stand.

Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Tafel wies Passanten in der Siedlung auf das Schild (in mehreren Sprachen verfasst) hin und zeigte ihnen, wo das Impfzelt genau stand.

Foto: Mathias Schneck

Wie wird es weitergehen? Gibt es nochmals einen Lockdown? Fess und Kratz schütteln den Kopf. Fess sagt: „Das ist politisch und wirtschaftlich nicht mehr zu machen.“ Er sieht einen anderen Weg.  „Ich würde es begrüßen, wenn die 2G-Regel deutschlandweit eingeführt würde“, sagt er. Also Einschränkungen für Getestete. Gut möglich, dass die Politik diesen Weg gehen wird. Der Druck auf die Impfunwilligen dürfte steigen.

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