Zahl der Süchtigen steigt weiter

Zweibrücken · Im vergangenen Jahr nahmen 313 Menschen die Drogenhilfe der Stadt in Anspruch. Die Diakonie sieht aber keine Szene in Zweibrücken. Der langjährige Drogenberater Paul Schmidt nennt vor allem Alkohol als das Haupt-Suchtmittel.

 Die Zahl der Süchtigen ist in Zweibrücken 2016 erneut gestiegen. Zwei Anlaufstellen in der Stadt beraten Betroffene. Paul Schmidt, seit 35 Jahren in dem Bereich tätig, warnt im Gespräch mit unserer Zeitung vor allem vor Alkohol. Die Gefahr, die von dieser Droge ausgehe, werde vielfach unterschätzt. Foto: dpa

Die Zahl der Süchtigen ist in Zweibrücken 2016 erneut gestiegen. Zwei Anlaufstellen in der Stadt beraten Betroffene. Paul Schmidt, seit 35 Jahren in dem Bereich tätig, warnt im Gespräch mit unserer Zeitung vor allem vor Alkohol. Die Gefahr, die von dieser Droge ausgehe, werde vielfach unterschätzt. Foto: dpa

Foto: dpa

Die Drogenhilfe der Stadt hat im vergangenen Jahr erneut mehr Süchtige verzeichnet. Das erklärt Stadtsprecher Heinz Braun im Gespräch mit unserer Zeitung. 2016 hätten 313 Menschen wegen einer Drogensucht in Zweibrücken offizielle Hilfe bei der Stadt gesucht. 2015 waren es noch 275 Betroffene, 2014 wurden 199 Süchtige gezählt.

Anlaufstelle für die Hilfesuchenden war die Suchtberatungsstelle "Wendepunkt", die von der städtischen Mitarbeiterin Karin Bieg geleitet wird.

Die meisten gingen zu der Beratungsstelle, weil sie von Opiaten abhängig sind. Dies war bei 133 Betroffenen der Fall (2015: 134). An zweiter Stelle folgt mit 40 Abhängigen der Konsum von Cannabis (2015: 38). Den dritten Platz belegen mit ebenfalls 40 Fällen Konsumenten mit einem "polyvalenten Verhalten", also Abhängige, die mehrere Drogen gleichzeitig nehmen - 2015 waren es 27 Fälle. Alkohol folgt mit 36 Abhängigen auf Platz vier (2015: 20).

Nach Rücksprache mit den Mitarbeitern der Suchberatungsstelle weiß Stadtsprecher Braun: "Ein langfristiger Trend bei der Drogenproblematik ist, dass der reine Konsum von Heroin rückläufig ist." Dieses rasch abhängig machende Suchtmittel sei in früheren Jahren in Zweibrücken öfter konsumiert worden. Gegentrend: "Amphetamine und Ecstasy sind stärker im Kommen", so Braun.

Dass offenbar kaum noch Abhängige in Zweibrücken auf Heroin zurückgreifen, könnte ein Grund dafür sein, dass nur selten Drogentote zu verzeichnen sind. Denn Heroin kann mit seiner extrem aggressiven Wirkung bereits in sehr geringen Dosierungen zu tödlichen Vergiftungen führen. Der letzte Fall eines Drogentoten wurde offiziell im April 2014 in Zweibrücken (am Hauptbahnhof) dokumentiert.

Woher stammen eigentlich die Drogen, die die Betroffenen in Zweibrücken konsumieren? Braun räumt ein, dass es diesbezüglich keine Erkenntnisse gebe. Es seien nur Spekulationen möglich, es würden wohl vermehrt Rauschmittel im sogenannten "Darknet" geordert - einem Bereich des Internets, in dem vielfach illegale Geschäfte abgewickelt werden.

In der Drogenberatungsstelle "Wendepunkt" stehen Hilfesuchenden in Karin Bieg und ihrem Mitarbeiter Michael Schneider zwei Ansprechpartner zur Verfügung. Für Karin Bieg, die früher in der Prävention arbeitete, habe die Stadt nun mit Laura Bachmann für Ersatz gesorgt. "Frau Bachmann geht in die Schulen, um die Jugendlichen zu sensibilisieren und zu warnen", nennt Braun ein Beispiel für die Arbeiter der Präventionskraft.

Neben den städtischen Mitarbeitern der Prävention und der Beratungsstelle "Wendepunkt" gibt es in Zweibrücken noch eine zweite Anlaufstation für Drogenabhängige, die Hilfe suchen: die Beratungsstelle der Diakonie.

Paul Schmidt arbeitet schon seit 35 Jahren in diesem Feld, seit 26 Jahren ist er in der Diakonie Berater für Menschen, die von ihrer Abhängigkeit loskommen wollen. Schmidt bilanziert, er habe im vergangenen Jahr mit 183 Klienten zu tun gehabt, die mehrfach seine Beratung aufgesucht hätten, 29 Betroffene hätten einmalig Hilfe bei ihm gesucht. "Etwa zwei Drittel waren Männer, ein Drittel Frauen", sagt Schmidt. Ganz klar sei Drogenkonsum in erster Linie ein männliches Problem. Schmidt führt nicht, wie die Stadtverwaltung, Statistik über die Art der Drogen, die die von ihm Betreuten konsumierten.

Der erfahrene Suchtberater will den Scheinwerfer, der auf Opiate, Cannabis oder Kokain gerichtet ist, wegdrehen und auf ein Problemfeld richten, das zu oft aus dem Blickfeld gerate: Alkohol.

"In der Statistik steht, dass es in Zweibrücken in den vergangenen Jahren nur hin und wieder einen Drogentoten gab", bemerkt Schmidt - aber das sei nur die halbe Wahrheit. "Es wird völlig ausgeblendet, wie viele Menschen jedes Jahr - auch in Zweibrücken - am Alkohol zugrunde gehen", bedauert er. Alkohol werde in seiner zerstörerischen Wirkung nach wie vor vollkommen unterschätzt, vielfach auch verharmlost. "Dabei hat Alkohol ernstere Kollateralschäden zur Folge als andere Drogen", weiß er aus seiner jahrzehntelangen Praxis. Alkohol zerstöre meist nicht nur den Trinker, sondern wirke sich oft auch auf Familienangehörige, Verwandte oder Bekannte extrem negativ aus.

Schmidt ist nicht der Auffassung, "dass es in Zweibrücken eine Drogenszene gibt. Das kann ich nicht bestätigen. Wir haben Süchtige, gewiss. Aber keine Szene."

Es sei denn, man rechne die, die sich Abend für Abend vor dem Fernsehen mit Fusel volllaufen ließen, zu dieser Szene, merkt der Suchtexperte trocken an.

Schmidt hält nichts davon - wie jüngst in der Lokalpolitik gefordert - die Polizei aufzustocken, um sich stärker um das Thema Drogen, Dealer und Konsumenten/Beschaffungskriminalität zu kümmern. Zum einen ist Schmidt dagegen, weil es, wie gesagt, eine solche Szene seiner Meinung nach nicht gibt. Zum anderen ist für Schmidt "Prävention viel wichtiger, da sollten wir unsere Anstrengungen verschärfen!".

Zum Thema:

Zwei Beratungsstellen für Abhängige in Zweibrücken Zwei Anlaufstellen gibt es in Zweibrücken für Menschen, die ein Suchtproblem haben. Zum einen die städtische Beratungsstelle "Wendepunkt" mit den beiden Mitarbeitern Karin Bieg, Telefon (0 63 32) 871-564, und Michael Schneider, Telefon (0 63 32) 871-565. Die beiden Helfer sitzen im Rathaus, Herzogstraße 13. Zum anderen ist die Diakonie in der Wallstraße 46 Ansprechpartner. Hier steht Paul Schmidt für alle Anfragen unter Telefon (0 63 32) 1 23 18 bereit. Für beide Anlaufstellen gilt: Die Beratung erfolgt streng anonym und ist für die Betroffenen kostenlos.

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