„Wir rechnen mit zivilem Ungehorsam“

Zweibrücken · Bis zum Bundesverwaltungsgericht und dann noch einmal bis zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ging der Streit zwischen Zweibrücken und einer privaten Grundstückseigentümerin um einen Schwarzbau. Jetzt will die Stadt einen Schlussstrich ziehen.

Der Anbau mit Balkon an einem privaten Haus am Rand von Zweibrücken wird seinen zehnten Geburtstag aller Voraussicht nach nicht erleben. Ginge es um eine Person, würde man im Anschluss wahrscheinlich etwas schreiben wie "nach langer, schwerer Krankheit". Denn schon beim Bau war klar, dass die Maße andere waren als in der Baugenehmigung festgelegt und daher das ganze Unternehmen baurechtlich zumindest wackelig. Und auch danach bestand das Leben der Bauherren zu einem nicht unerheblichen Teil aus Kampf. Dem Kampf um den Schwarzbau.

2005 hätten die Weichen schon anders gestellt werden können. Als der Bauantrag für Garage, Anbau, Balkon mit 3,5 Meter "Ausladungstiefe" nur in geschrumpfter Form, nämlich mit einer Tiefe von zwei Metern genehmigt wurde. Gebaut wurden, übrigens nach den Planungen eines Mitarbeiters einer städtischen Tochterfirma im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit, 3,50 Meter Balkon . Zu viel, meinte man beim Bauamt. "Dort oben gibt es keinen Bebauungsplan", erläutert Stadtsprecher Heinz Braun. "Man hat sich angeguckt, wie das im Vergleich zu den anderen Bauten ist. Man hat gesagt, das sticht so weit heraus, dass das störend ist." Das sei, unterstreicht Braun, auch keine Ermessensentscheidung gewesen.

Nächster Eintrag in der Chronologie des städtischen Rechtsamtes zu diesem Fall: der Antrag auf eine Tektur-, also eine Änderungsgenehmigung aus dem August 2007. Die Stadt lehnte ab und die Sache ging vor Gericht. Vor das Verwaltungsgericht in Neustadt, das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (das sogar zu einem Ortstermin nach Zweibrücken kam), das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das Ergebnis, soweit es sich aus den Unterlagen der Stadt ergibt: ein Sieg nach dem anderen für Zweibrücken . Ende November 2012 bekam die Familie eine Beseitigungsverfügung zugestellt und ging auch gegen diese juristisch vor. Dieses Verfahren zog sich bis in den Juni 2014 hin.

Dass der Anbau heute in der monierten Form noch steht, hat die Hauseigentümerin, die sich bisher nicht zu den Vorgängen äußern will, diversen Fristen zu verdanken. Denn wenn sie den Anbau nicht selber zurückbauen lässt, wie es in Baurechts-Deutsch heißt, muss die Stadt das auf dem Wege der so genannten Ersatzvornahme selber tun - auf Kosten der Bauherrin. Und ihr vorher die Gelegenheit geben, selber tätig zu werden. Da die Eigentümerin nicht den Eindruck erweckte, sie wolle diese Gelegenheit nutzen, wurden die nötigen Bauarbeiten im Frühjahr ausgeschrieben. Mittlerweile hat man sich für ein Unternehmen entschieden. Die Kosten schätzt die Stadt auf etwa 40 000 Euro (wir berichteten).

"Wir werden nicht darauf verzichten, das Recht umzusetzen", gibt sich Oberbürgermeister Kurt Pirmann kämpferisch, den offenbar besonders ein Angebot der Familie erbost, den Anbau gegen Zahlung einer erklecklichen Bußgeldzahlung zu dulden: "Recht ist nicht käuflich!" Zum juristischen Hintergrund erläutert Braun: Gegen Bußgeldzahlungen dulden dürfe die Bauverwaltung nur solche Schwarzbauten, die grundsätzlich genehmigungsfähig wären, für die aber, warum auch immer, keine Baugenehmigung vorliegt. Das sei hier nicht der Fall.

Und so scheint alles auf einen Showdown am 14. Juli hinauszulaufen. Für diesen Tag ist laut Braun die Ersatzvornahme angekündigt. Nach den Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre kalkuliert die Stadt bereits Schwierigkeiten dabei ein. "Wir rechnen mit zivilem Ungehorsam", sagt Pirmann: Womöglich werde der Anbau am Stichtag nicht ausgeräumt sein, würden Strom und Gas nicht abgeklemmt. Aufhalten dürfte das die Bauarbeiter nicht. Wenn sie fertig sind, wird der Balkon nur noch zwei Meter tief sein, werden die Wände des darunter liegenden Anbaus abgerissen und die Fenster ausgebaut sein. Eine klaffende Wunde. Nach zehn Jahren Kampf.

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