„Wir haben einige Sachen in der Pipeline“

Zweibrücken · Eveline Lemke, erste grüne Wirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz, hat seit ihrem Amtsantritt im Mai 2011 einiges an Kritik einstecken müssen. Zuletzt, dass sie zum Insolvenzantrag des Zweibrücker Flughafens schweige (wir berichteten). Im Gespräch mit Merkur-Korrespondent Frank Giarra hat sie nun ihr Schweigen gebrochen und nennt sechs Bereiche, in denen Alternativen zum Flugbetrieb denkbar sind. Und Lemke erläutert ihre Strategie für grüne Wirtschaftspolitik. In Sachen erneuerbare Energien und Ausbildungskompetenz sei Möbel Martin in Zweibrücken vorbildlich.

Frau Lemke, gefällt es Ihnen im Gebüsch?

Eveline Lemke: Im Gebüsch?

CDU-Fraktionsvize Christian Baldauf meint, Sie hätten sich beim Thema Flughafen Zweibrücken in die Büsche geschlagen.

Lemke: Ich sehe gerade kein Gebüsch. Deshalb kann ich auch nicht im Gebüsch stecken.

Wie parieren Sie diesen Vorwurf?

Lemke: Wir können problemlos aufzeigen, welche Aktivitäten die Landesregierung in der Südwestpfalz entfaltet hat. In diese Region ist so viel Geld geflossen wie in fast keine andere. Auch heute ist sie noch Fördergebiet, weil es notwendig ist. Das haben wir gegenüber der EU durchgesetzt. Die Arbeitslosigkeit ist dort immer noch höher als in anderen Landesteilen.

Wie reagieren Sie auf die Insolvenz des Flughafens?

Lemke: Wir haben einige Sachen in der Pipeline, über die ich heute mit Ihnen noch nicht explizit reden kann.

Was könnte man anstelle eines Flughafens, den die EU-Kommission dort nicht will, entwickeln?

Lemke: Wir haben viele Transformationsprozesse, die wir im Land begleiten. Sie sind in der Innovationsstrategie des Landes verankert. Es gibt sechs Themenbereiche, in denen wir in der nächsten Förderperiode alle Mittel, die wir haben, im Sinne der EU-Strategie einsetzen. Die Themen umfassen erstens Gesundheitswirtschaft und Lebenswissenschaft, zweitens Energie, Umwelttechnik und Ressourceneffizienz, drittens Mikrosystemtechnik, Sensorik und Automatisation, viertens Automobil- und Nutzfahrzeugtechnik, fünftens Informations- und Kommunikationstechnik und sechstens Werkstoffe sowie Material- und Oberflächentechnik.

Ist das grüne Wirtschaftspolitik?

Lemke: Das ist eine absolut grüne Strategie! Sie zeigt Marktpotenziale auf und erschließt sie, zum Beispiel im Bereich Rohstoff- und Energieeffizienz oder Lebenswissenschaften.

Und der Flughafen?

Lemke: Der Flughafen ist ein Infrastrukturprojekt aus einer Reihe von Maßnahmen eines Konversionsprojektes.

Was macht speziell die Wirtschaftsministerin?

Lemke: Wir helfen Gründern an den Start, bieten Förderung bei Innovationsentwicklung und begleiten Unternehmen beim Wachsen. Das machen wir auch in Zweibrücken, die dortige Gewerbeentwicklung mit dem Factory Outlet Center ist ein Beispiel.

Sie sind die erste grüne Wirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz. Was unterscheidet grüne von roter, schwarzer oder gelber Wirtschaftspolitik?

Lemke: Wir haben die Zukunftsaufgabe der CO-Minderung, der Energieeffizienz und Technologiefragen viel stärker miteinander verknüpft. Daraus entstehen Synergien auch für die Wirtschaftskraft und die Wertschöpfung in den Regionen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Lemke: Gerade eben habe ich der geschäftsführenden Gesellschafterin von Möbel Martin, Silvia Martin, eine Wirtschaftsmedaille verliehen. Sie nutzt in Zweibrücken Geothermie unter ihrem Geschäftshaus und gewinnt Wärme aus der Lüftung zurück. Sie tut mehr als sie muss und spart enorm viele Tonnen CO. Unternehmerisches Handeln und Klimaschutz müssen sich nicht widersprechen. Zudem hat Frau Martin durch Ausbildungskompetenz gepunktet.

Was meinen Sie mit Ausbildungskompetenz?

Lemke: Die Welt wird komplexer, die Probleme auch und der Fachkräftemangel steht vor der Tür. Silvia Martin bildet Mitarbeiter überdurchschnittlich aus und fort. Das ist die richtige Strategie, so sichern wir den Wirtschaftsstandort. Die Landesregierung sorgt dafür, dass Studium auch ohne Abi mit einer guten Ausbildung möglich ist. Innovation geht nur mit Wissen.

Hat sich Wirtschaftspolitik Ihrer Ansicht nach verändert?

Lemke: Ja! Heute gibt es weniger Geld zu verteilen. Deshalb legen wir großen Wert auf Innovationsentwicklung.

Und wie?

Lemke: Da gibt es einen Trick, und der heißt: netzwerken, netzwerken, netzwerken.

Was heißt das konkret?

Lemke: Das heißt, Netzwerke verschiedener Unternehmen zu unterstützen und Cluster zu bilden, wie beim Innovationscluster Metall-Keramik-Kunststoff im Westerwald. Wir sind steinreich auch an Wissen und Technologien, man muss das Potenzial nur heben und es aus der Forschung in die Produktion bringen - und ich bin eine Schatzsucherin von Wissensideen.

Welche Schätze suchen Sie?

Lemke: Ich suche Technologien und Lösungen, die gebraucht werden, um Rohstoffe oder Energie zu sparen. Hier liegt derzeit das größte Wertschöpfungspotenzial.

Welches Ziel verfolgen Sie?

Lemke: Dauerhafte Wertschöpfung vor Ort ist mein Ziel! Nehmen Sie die Energiewende: 350 Milliarden Euro geben die Bundesbürger jährlich für Einkäufe von Gas und Erdöl aus. Dieses Geld geht an russische Oligarchen oder arabische Scheichs - ich will, dass es hier bleibt. Einnahmen aus erneuerbaren Energien landen bei uns und stärken die Kommunen. Die Erträge aus der Windkraft sind ein Beispiel dafür. Wir brauchen keine Kriege für Öl. Wir können unsere volkswirtschaftliche Kraft hier sammeln. > Seite 18: weiterer Bericht

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