Willkür ade

Zweibrücken · Unsere heutige Rechtssprechung hat in dem 1815 in Kaiserslautern gegründeten und 1816 nach Zweibrücken übersiedelten Appellationsgericht ihren Anfang genommen. Somit umfasst der Rückblick auf „200 Jahre OLG“ die Geschichte eines der wohl bedeutendsten deutschen Gerichte.

 Das Denkmal am Zweibrücker Schloss erinnert an König Max I. Joseph, der das liberalere französische Recht garantierte. Foto: lf

Das Denkmal am Zweibrücker Schloss erinnert an König Max I. Joseph, der das liberalere französische Recht garantierte. Foto: lf

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Die napoléonische Ära ging für das städtische Bürgertum mit einer beträchtlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage einher (wir berichteten). Wachsendes Selbstbewusstsein prägte die überwiegend liberal gesinnten Bürger gerade in der Pfalz: Sie verstanden sich nach der Absetzung des Adels als neue Führungselite, politisch wie gesellschaftlich. Auch der Anschluss der linksrheinischen Pfalz an das Königreich Bayern 1816, festgelegt auf dem Wiener Kongress nach dem Sturz Napoleons, änderte daran nichts.

Als Standort des "Königlich Bairischen Appellationshofes" für den "Bayerischen Rheinkreis" (seit 1838: Pfalz), waren es Juristen, Richter wie Anwälte, die fortan die Entwicklung Zweibrückens prägten. Hier wurde auf Drängen der Bürger und der Juristen auch nach dem Sieg über Napoléon das französische Recht, zum Beispiel der "Code civil", beibehalten. Das Ergebnis der Französischen Revolution begründete die Gewaltenteilung, die das Gericht unabhängig machte vom Staat, das heißt von Willen und Willkür des Herrschers. Zum ersten Mal in der Geschichte wurden auf gesetzlicher Grundlage Gerichtsverhandlungen mündlich und in der Öffentlichkeit geführt. Erstmals wurden Bürger als "Geschworene" an der Urteilsfindung beteiligt. "Dies gehört auch heute noch zu den Stützpfeilern unserer Rechtsprechung, auf der unser Leben in Freiheit und Gerechtigkeit basiert", betont der heutige Oberlandesgerichts Präsident Willi Kestel die Bedeutung des Zweibrücker OLG. Damals, als die Pfalz zu Bayern gehörte, sei spannend gewesen, ob das französische Recht bleibe oder das bayerische Recht übernommen werden müsse. Während der Dichter Heinrich Heine eine von Zweibrücken ausgehende Revolution vermisst habe, sei es Ziel der deutschen Freiheitsbewegung des Vormärz gewesen, das Recht auf friedlichem und vor allem auf parlamentarischem Weg zu manifestieren.

Der bayerische König Max I. Joseph hatte bei seiner Regierungsübernahme die Gültigkeit der französisch-rheinischen Gesetze und Rechtseinrichtungen anerkannt und diese Garantie in der Verfassung von 1818 ausdrücklich bekräftigt. In der Folge machten sich die im französischen Recht ausgebildeten Juristen die Verteidigung der "rheinischen Institutionen" zur Aufgabe. So konnte sich Zweibrücken zu einem Zentrum des deutschen Liberalismus entwickeln.

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Auf einen BlickWesentliche Bausteine der Rechtsreform waren die Einführung der "Cinq Codes" (fünf Gesetze) sowie ein neues, freiheitlicheres Gerichtswesen, das auch das Appellationsgericht, Vorläufer des heutigen OLG, anwendete. Zu den fünf Kodifikationen gehörten der Code civil (1804, Zivilrecht), der Code de procédure civile (1807, Zivilprozessordnung), der Code de commerce (1808, Handelsrecht), der Code d'instruction criminelle (1809, Strafprozess-Gesetzbuch) und der Code pénal (1811, Strafgesetzbuch). Der Code civil hieß ab 1807 auch Code Napoléon. cvw

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