Wiegesystem kämpft mit Fehlfunktionen

Saarbrücken · Läuft der Verkehr ab Mitte Mai wieder reibungslos über die Fechinger Talbrücke oder ist Stau angesagt? Für Letzteres sprechen Zahlen aus Rheinland-Pfalz. Dort sorgte das Wiegesystem, auf dem das an der A 6 basiert, immer wieder für Verkehrsbehinderungen.

Ab Mitte Mai soll die Fechinger Talbrücke zumindest wieder für Autos befahrbar sein. Doch der Weg über die dann notdürftig verstärkte, laut Saar-Verkehrsministerium nicht mehr einsturzgefährdete Brücke könnte zur Geduldsprobe werden. Es herrscht akute Staugefahr. Nicht nur wegen der reduzierten Geschwindigkeit, sondern auch wegen des dort neu installierten Warn- und Sperrsystems, das Lkw von der Brücke fernhalten soll.

Dieses Sperrsystem auf der A 6 basiert auf einer Anlage, die von Februar bis November an der Schiersteiner Brücke auf der A 643 zwischen Mainz und Wiesbaden installiert war. Auch diese Autobahnbrücke musste wegen erheblicher Mängel im Februar 2015 von einem Tag auf den anderen voll gesperrt werden. Genau wie jetzt im Saarland wurde nach einer schnellen Lösung gesucht, um die Brücke zumindest für Autos wieder freizugeben und Lkw herauszufiltern.

Mithilfe dieses Systems konnte der Verkehr über die Rheinbrücke wieder fließen. Immer wieder - zum Teil grundlos - blockierte es aber auch die Autobahn und sorgte für Staus. Die "Allgemeine Zeitung" in Mainz hat umfassend über diese Probleme berichtet. Über 400 Mal gingen in den ersten zwei Wochen nach der Inbetriebnahme der Messanlage die Schranken herunter. Das besagen Zahlen der hessischen und rheinland-pfälzischen Verkehrsministerien . Die Strecke wurde jeweils für fünf bis zehn Minuten gesperrt. Der Verkehr staute sich auf mehrere Kilometer. Der Hauptgrund für die Sperrungen waren uneinsichtige oder unaufmerksame Lkw-Fahrer, die trotz Verbots, Hinweisschildern und Warnleuchten versuchten, auf die marode Brücke zu fahren. Die Polizei musste die Lastwagen aus der verengten Messspur lotsen und die Schranken manuell öffnen. Auch Monate nach der Einführung des Sperrsystems kam es so zu etwa 20 kurzen Vollsperrungen am Tag - Staus inklusive. Mehrere Lastwagen blieben zudem in der Messgasse stecken und blockierten die Spur über Stunden.

Das Warn- und Sperrsystem Schierstein litt aber auch an Fehlfunktionen, die den Verkehr immer wieder zum Erliegen brachten. Zu hohe Temperaturen in den Sommermonaten machten dem System zu schaffen. Es blockierte mehrfach ohne Grund die Brücke. Gravierender - weil häufiger - waren aber Fehler des Wiegesystems. Fuhren Autofahrer in der Wiegespur zu dicht auf, wurden zwei Autos als ein Fahrzeug erfasst. Kam das Duo auf über 3,5 Tonnen, schlossen sich die Schranken. Dem saarländischen Verkehrsministerium und dem Landesbetrieb für Straßenbau sind die Probleme bekannt. "Wir gehen davon aus, das eine unmissverständliche Beschilderung und die Einsichtsfähigkeit des Transportgewerbes uns vor allzu vielen Blockaden und Staus bewahren", so Wolfgang Kerhoff, Sprecher des Verkehrsministeriums. Das System der Schiersteiner Brücke sei weiterentwickelt worden. "Insbesondere wurde versucht, die dort aufgetretenen Messfehler zu minimieren", sagte Kerkhoff. "Ob dies gelungen ist, muss die Praxis zeigen."

Die Messanlagen würden videoüberwacht, damit Kennzeichen von Falschfahrern festgestellt werden könnten. Bedient werden solle das System aber nicht von der Polizei , sondern von "beauftragten Fachkräften". Welche Kosten dem Land durch die Sperranlage entstehen, sei noch unklar. "Jeder dachte, ich würde einknicken und es doch nicht durchziehen", sagt Yvonne Brück vom Erlenbacher Hof. Sie hat am Montagabend das Gegenteil bewiesen. 60 bis 80 Leute hatte sie beim Ordnungsamt für die Demonstration der Anwohner an der Fechinger-Talbrücke-Umleitung angemeldet. Doch mehr als 120 kamen. Mit Schildern und Reden forderten sie, dass durchreisende Lkw konsequent über die A 8 und die A 620 umgeleitet werden. "An der Heringsmühle" sperrte die Polizei von 17 bis 18 Uhr in Höhe der Fußgängerinsel die L 108 für die Demonstranten. Einer davon war Hans Jörg Leismann. "Entweder hört Frau Rehlinger nicht zu, oder sie versteht uns nicht", sagt er. Der Fechinger und seine Frau haben täglich Angst, dass der Schulbus ihrer Tochter einen Unfall auf der schmalen Fahrbahn haben könnte. Rehlinger habe mehrfach betont, dass es ihr bei der Umleitungsregelung um das Menschliche gehe, sagt Kerstin Kohl-Leismann. "Aber gerade wir Menschen tragen den Schaden davon." Scharfe Kritik an Rehlingers Verhalten sprach auch Yvonne Brück aus. "Wir haben einen Brief mit über 200 Unterschriften bei ihr abgegeben und sie hat ihn einfach unter den Tisch gekehrt", sagt sie enttäuscht. Doch so leicht lassen sich die Anwohner nicht unterkriegen. Die Demonstration habe Wellen geschlagen, sagt Brück. Nächste Woche wollen die Anwohner entlang der L 108 Protestplakate aufhängen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Derweil fordern die Piraten das gleiche wie die Anwohner: Lkw auf der Durchfahrt sollen bis zur Freigabe der Brücke über die A 623 und die A 8 umgeleitet werden.

Meinung:

Hausaufgaben gemacht?

Von Merkur-Mitarbeiter Florian Rech

Bei der Wiederöffnung der Fechinger Talbrücke für Autos - voraussichtlich in der kommenden Woche - muss Anke Rehlingers "Brücken-Task-Force" erstmals vorzeigen, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hat. Funktioniert die Öffnung der vier Spuren einigermaßen reibungslos und ohne zu lange Rückstaus, haben die Verkehrsexperten die klaffende Wunde im Pendlerverkehr zwar notdürftig, aber schnell verarztet. Verlorenes Vertrauen der Bürger könnte so durch die zügige Problembehandlung zurückerkämpft werden. Kommt es aber durch den Einsatz des Sperrsystems und eventuelle Fehlfunktionen auf der A 6 zu mehr Staus als auf den Umleitungsstrecken zur Talbrücke, werden sich die Saarländer erneut an den Kopf fassen und auf LfS und Verkehrsministerium schimpfen. Zu Recht! Ein Versagen schon bei der Wiederöffnung wäre wohl nur eine Vorschau auf ein jahrelanges Chaos bei einem Brückenneubau.

Zum Thema:

Auf einen Blick Ein Warn- und Sperrsystem soll, sobald die Fechinger Talbrücke wieder geöffnet ist, verhindern, dass Fahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5 Tonnen auf die Brücke fahren. Während der Fahrt bei Tempo 40 werden die Fahrzeuge an zwei Stationen vor den A 6-Ausfahrten Fechingen und St. Ingbert-West gewogen und mit einem Laser vermessen. Lkw über 3,5 Tonnen werden durch Schilder dazu aufgefordert, an den dortigen Ausfahrten abzufahren. Bleibt ein Lkw dennoch auf der Autobahn, schalten sich zunächst Warnleuchten an. Fährt er trotzdem weiter, schließt sich eine Schranke. Der Verkehr zur Brücke steht still. Dem Fahrer drohen ein Bußgeld von bis zu 110 Euro und zwei Punkte im Verkehrsregister. fre

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