Wiederkehrende Beiträge rechtswidrig?

Zweibrücken · Das Bundesverfassungsgericht nennt größere Straßen und Bahnanlagen als Hindernisse für die Bildung einer Abrechnungseinheit für Straßenausbau-Beiträge, die Bürger zahlen müssen. In Zweibrücken durchschneidet sogar eine Autobahn eine Einheit. Doch die Stadt hält an ihren Plänen fest.

Nacht achtjährigem Streit schien Ende 2013 plötzlich alles klar zu sein: Der Stadtrat stimmte überraschend deutlich (80 Prozent) für wiederkehrende Beiträge in Zweibrücken . Das bedeutet: Künftig zahlen Grundstückseigentümer nicht mehr viel Geld auf einmal, wenn "ihre" Straße erneut wird, sondern jährlich einen kleinen Beitrag für alle Straßen.

Doch das neue System droht zu platzen. CDU-Fraktionschef Christoph Gensch erklärte vorgestern Abend im Stadtrat: "Ich habe Zweifel, ob die Planung rechtskonform ist." Denn laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25.6.2014 müssten Beitragszahler einen direkten Vorteil davon haben, wenn Straßen saniert werden, sagte Gensch. Er sehe nicht, welchen Vorteil zum Beispiel Bewohner auf dem Kreuzberg von einer Straße unten in Ixheim hätten. Folge des Urteils sei wohl: "Städte müssen kleinere Abrechnungseinheiten bilden." Gensch fragte, wie die Stadt "diese Problematik" sehe. Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD ) kündigte eine schriftliche Antwort an, zeigte sich aber gelassen: Man dürfe nur nicht wie etwa Landau die gesamte Stadt ohne Vororte "in einen Topf werfen". Zweibrücken sei "keine Großstadt", weshalb er glaube, dass die geplanten sechs Abrechnungseinheiten "haltbar" sind (fünf für die Vororte Mittelbach-Hengstbach, Mörsbach, Oberauerbach, Rimschweiler, Wattweiler plus einen für das ganze übrige Stadtgebiet). "Wenn einer klagt, wird sich zeigen, wer recht hat." Gensch betonte, es gebe sogar Urteile gegen kleinere Städte als Zweibrücken : Schifferstadt und Saarburg. Daraufhin deutete Pirmann an, dass er im Falle einer erfolgreichen Klage von Zweibrückern gar keine Zukunft für wiederkehrende Beiträge sähe: "Das kann kein Puzzlespiel sein! Sonst muss man es lassen."

Stadtsprecher Heinz Braun erklärte gestern auf Merkur-Nachfrage, die Satzung für das neue Beitragssystem komme wohl im Januar in den Stadtrat, Änderungen infolge der Urteile seien nicht geplant.

Wie Merkur-Recherchen in den Urteilen zeigen, geht die Stadt damit allerdings ein hohes Risiko ein. Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nennt als Voraussetzung für eine Abrechnungseinheit, dass mit den Straßen darin "ein konkret-individuell zurechenbarer Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist". Das hänge nicht von der Zuordnung zu einem Gebiet, "sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines zusammenhängenden bebauten Gebiets, der Topographie wie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der typischen tatsächlichen Straßennutzung". Auch dürften keine Gebiete "mit strukturell gravierend unterschiedlichem Straßenausbauaufwand zusammengeschlossen werden".

Aufgrund des BVerfG-Urteils hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 10.12.2014 Abrechnungseinheiten in Saarburg (6900 Einwohner, sechs Einheiten) und Schifferstadt (19 500 Einwohner, drei Einheiten) für rechtswidrig erklärt.

In Schifferstadt seien Bahngleise eine "Zäsur", weshalb eine Abrechnungseinheit zu groß sei. Zudem benötige ein Gewerbegebiet eine eigene Abrechnungseinheit, weil durch die erhöhte Verkehrsbelastung dort "ein höherer Ausbauaufwand als im übrigen Stadtgebiet" bestehe. Auch ein Neubaugebiet brauche eine eigene Einheit. In Saarburg sei die Saar eine zu große "Zäsur", wohl aber nicht die Bahnlinie.

Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz empfiehlt infolge dieser drei Urteile zu beachten, dass insbesondere keine Autobahnen Abrechnungseinheiten durchschneiden. Genau dies ist in Zweibrücken der Fall.

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