Wider die Willkür

Zweibrücken · Der Pfälzer Ludwig Christian Koch war der allererste deutsche Generalstaatsanwalt. Bis zum Zeitpunkt seiner Amtseinhebung war nicht rechtsverbindlich geklärt, wer in welchen Fällen Anklage gegen wen erheben durfte; vielfach entschied die Willkür der Obrigkeit und des Königs. Kochs Nachfolger im Amt des Generalstaatsanwalts ist heute Horst Hund.

Wer an das Jubiläum 200 Jahre Oberlandesgericht und die freiheitlichen Errungenschaften der Revolution denkt, hat meist die Pressefreiheit, öffentliche und mündliche Gerichtsverfahren vor einem aus Bürgern zusammengesetzten Geschworenengericht sowie die von der Obrigkeit unabhängige Gleichbehandlung aller Bürger im Sinn. Was in diesem Zusammenhang erstaunlicher Weise weniger ins Bewusstsein dringt, ist die Bedeutung der viel zitierten "Gewaltenteilung", nach welcher die Gerichte von der Regierung unabhängig und rein dem Gesetz verpflichtet sind.

Gab es Gerichte schon lange und ist der Richterberuf bereits in der Bibel erwähnt, so fällt die Gründung einer Generalstaatsanwaltschaft mit der Gründung des pfälzischen Appellations-/Oberlandesgerichts 1815 zusammen: die Generalstaatsanwaltschaft in Zweibrücken blickt auf eine ebenfalls 200-jährige Geschichte zurück und ist die erste und älteste Staatsanwaltschaft in Deutschland überhaupt. Begründet wurde sie mit Genehmigung der bayerischen Regierung auf dem damals in der Pfalz erhaltenen, französischen Recht. Der Pfälzer Ludwig Christian Koch ist somit der allererste deutsche Generalstaatsanwalt.

Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht rechtsverbindlich geklärt, wer in welchen Fällen Anklage gegen wen erheben durfte, sondern vielfach entschieden die Willkür der Obrigkeit und des Königs. Die damaligen Strafgerichte entschieden im Rahmen eines "Inquisitionsprozesses" geheim und schriftlich über ebenso schriftliche Anklagen.

Das Volk hatte sein Vertrauen in dieses Verfahren verloren und klagte in der frühen Mitte des 18. Jahrhunderts über gerichtliche Willkür bei der preußischen Staatsregierung. "Insbesondere den Einzelrichtern wurde - ob zu Recht oder zu Unrecht dürfte kaum zu entscheiden sein - ,Unfleiß, Parteilichkeit und Selbstüberhebung' vorgeworfen", weiß der amtierende Generalstaatsanwalt, Horst Hund. Die preußische Staatsregierung verringerte daraufhin die Kompetenz für den Einzelrichter und schuf eine Staatsanwaltschaft mit der neuen Befugnis, "im Interesse des öffentlichen Wohls" Rechtsmittel einzulegen. Ausdrücklich wird der Staatsanwalt als "Organ des Justizministers" bezeichnet; dieser wurde auch tätig bei den ständig zunehmenden "Beschwerden über Übergriffe der Polizeibehörden und ihrer Beamten", insbesondere "willkürlich vorgenommene oder unmotiviert lange dauernde polizeiliche Verhaftungen". Die Polizei wurde verpflichtet, die Staatsanwaltschaft über alle Kriminalsachen zu unterrichten und ihren Weisungen zu folgen. So ist es bis heute.

Die Staatsanwaltschaften sind verpflichtet, wegen jeder verfolgbaren Straftat einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Der Staatsanwaltschaft steht bei der Beurteilung des Anfangsverdachts jedoch ein Spielraum zu. So ist sie in gesetzlich verankerten Fällen befugt, ein Verfahren im Regelfall ohne Beteiligung der Strafgerichte allein aufgrund staatsanwaltlicher Entscheidung einzustellen. Das Gericht hingegen darf erst tätig werden, wenn eine Anklage erhoben ist.

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