Klimawandel: Was kommt auf uns zu? Auch Zweibrücken drohen mehr Hochwasser

Zweibrücken/Lambsborn · Wir haben den Merkur-Meteorologen gefragt, was das Eifel-Hochwasser und der Klimawandel für Zweibrücken bedeuten – eine Stadt, die auch früher schon flutgefährdet war. Doch Hochwasser ist nicht das einzige Wetterkapriolen-Problem, worauf es sich in unserer Region wohl verstärkt einzustellen gilt.

 Dieses undatiertes Foto einer Überschwemmung in der Hauptstraße (offensichtlich aus der Vorkriegszeit) zeigt: Hochwasser ist kein neues Problem für Zweibrücken. Aber nur mit Glück ist hier jetzt nicht so viel Starkregen gefallen wie in der Eifel, wo wohl auch die Klimakrise eine Rolle spielte.

Dieses undatiertes Foto einer Überschwemmung in der Hauptstraße (offensichtlich aus der Vorkriegszeit) zeigt: Hochwasser ist kein neues Problem für Zweibrücken. Aber nur mit Glück ist hier jetzt nicht so viel Starkregen gefallen wie in der Eifel, wo wohl auch die Klimakrise eine Rolle spielte.

Foto: Gerhard Schlachter

Hitzewellen, Dürren und Wolkenbrüche, unser Wetter spielt immer mehr verrückt. Die jüngsten verheerenden Unwetter in Deutschland sind ein Indiz dafür, dass unser Wetter droht, aus den Fugen zu geraten. Sturzflutartige Regenfälle mit Mengen zwischen 100 und 200 Liter pro Quadratmeter innerhalb eines Tages haben im südlichen Ruhrgebiet, der Eifel, im östlichen Sachsen und auch im Berchtesgadener Land verheerende Schäden verursacht.

Teilweise sah es in den verwüsteten Bereichen schlimmer aus als zu Kriegszeiten. Viele Menschen verloren in kurzer Zeit ihr Hab und Gut und mussten sogar mit ihrem Leben bezahlen, weil Bäche und unscheinbare Flüsschen binnen kürzester Zeit zu reißenden Fluten anschwellten und viele Menschen nicht nur aus dem Schlaf rissen, sondern sie regelrecht überrollten.

So traurig und unfassbar wie sich dieser Horror darstellt, so wahr und real haben ihn leider auch die Betroffenen erlebt. Selbst frühzeitige Warnungen von Wetterdiensten konnten an den Folgen nicht viel ändern – auch deswegen nicht, weil solche Ereignisse, sowie deren Intensitäten und deren Auftreten Tage vorher sehr schwierig zu berechnen sind und nicht jeder von uns entsprechenden Warnungen auch ein bestimmtes Maß an Glauben schenkt.

Glücklicherweise blieb unsere Region von diesem Inferno verschont. Trotzdem sollte man sich in Zweibrücken und den umliegenden Orten nicht zu sicher fühlen. Unwetterlagen kann es auch hier geben. Beispielsweise ließ im Dezember 1993, kurz vor Weihnachten, ein zweitägiger Dauerregen von meist über 100 Liter pro Quadratmeter in Zweibrücken den Schwarzbach und Hornbach über die Ufer treten. Die Wassermassen drangen damals bis in die Fußgängerzone vor.

Auch im Bliestal herrschte zu dieser Zeit, wie schon häufiger in den letzten 30 Jahren, „Land unter“. Auch andere Flüsse im Südwesten erreichten in Verbindung mit Starkregen und Schneeschmelze in den Vogesen häufig Rekordmarken.

In Erinnerung bleibt auch das Unwetter vom Sonntag, 11. Juni 2000, an dem in Zweibrücken der gesamte Turnerjahrmarkt, sowie Teile des Minigolfplatzes und der Rennwiese unter Wasser standen. An jenem Vormittag fielen am Minigolfplatz 103 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In den letzten 25 Jahren liegt die durchschnittliche Regenmenge in der Westpfalz im Monat Juni zwischen 60 und 65 Liter pro Quadratmeter und die normale Jahresniederschlagssumme zwischen 850 und 900 Liter pro Quadratmeter.

Für das Ausmaß solcher Szenarien wie jetzt in der Eifel spielen oft mehrere Faktoren eine Rolle und nicht nur alleine die Niederschlagsintensität. Bei der jüngsten Flutkatastrophe vor allem in der Eifel war eine windschwache Wetterlage mit einem langsam ziehenden Tief, namens „Bernd“ die Ursache, welches vom Atlantik bis nach Mitteleuropa vordrang und hier munter seine Kreise drehte. Unterschiedliche Luftmassen prallten dabei aufeinander, so dass sich eine markante Luftmassengrenze formieren konnte. Während die schwere Kaltluft über dem Westen träge am Boden lag, wurde von Osten feuchte Warmluft angesaugt.

Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte. Da es für diese Luftmasse keine andere Ausweichmöglichkeit gab, musste sie nach oben aufsteigen. Sie glitt sozusagen auf die vorhandene Kaltluftschicht, kühlte bei ihrer Vertikalbewegung ab und kondensierte, wobei es zur Wolken- und Niederschlagsentwicklung kam. Ein weiterer Faktor bietet die Orographie, also die Beschaffenheit der Erdoberfläche mit dem Verlauf und der Anordnung von Gebirgen, sowie den Fließverhältnissen von Gewässern.

Die vorherrschende nördliche Strömung drückte die in der schwülen Luftmasse über Norddeutschland entstandenen Gewittercluster an den Nordrand der Eifel. Gleichzeitig konnten diese sich über den Ballungsgebieten des Westens noch explosionsartig aufladen. Durch den Stauvorgang im Luvbereich des Mittelgebirges wurden die Wolken ausgepresst wie ein nasser Schwamm. Je höher also die Hänge oder Berge und die Niederschlagsaktivität im Einzugsgebiet eines Bachlaufs oder Flusses, umso intensiver die daraus resultierenden Sturzfluten und somit leider auch das Ausmaß der Schäden, sowie die Zahl der Opfer.

Theoretisch müsste man also nahezu bei jeder heranrückenden Gewitterfront warnen, dass zumindest punktuell im Land mit einem Unwetter zu rechnen ist. Unwetter beschränken sich in der Regel auf relativ kleine Flächen, schon Nachbarorte können verschont bleiben.

Und die nächste Gewitterfront ist bereits im Anrollen. Schon am Wochenende könnten auch in der Westpfalz stellenweise wieder kleinräumige Überschwemmungen drohen und Keller volllaufen.

Unser Klima verändert sich also. Eine positive Abweichung der Lufttemperatur zwischen 1,0 und 1,5 Grad konnte im Vergleich zum langjährigen Mittel aus der Klimareihe von 1960 bis 1990 gegenüber den letzten 30 Jahren bereits festgestellt werden. In fast jedem Monat, außer dem September hat sich die Luft in unserer Zweibrücker Region im Durchschnitt um mindestens ein Grad erwärmt.

Der Hauptanstieg der Temperaturkurve fand bereits Ende der 1980er Jahre statt. Seitdem pendelt sie nahezu durchwegs auf höherem Niveau gegenüber früheren Jahrzehnten. Die letzten drei Jahre, zusammen mit 2014, zählten jedoch zu den wärmsten Zeiten in unserer Region seit Beginn der Aufzeichnungen. Die größten Abweichungen nach oben lassen sich im Frühjahr feststellen, während es im Herbst nur zu einem leichten Temperaturanstieg kam. Vor allem ab 1990 ist eine Zunahme von Wetterkapriolen zu registrieren. Die Zahl von Wärmerekorden ist seitdem deutlich gestiegen, während Kälterekorde im Vergleich dazu fast eine Ausnahmeerscheinung bilden.

 Der Meteorologe Michael Agne betreibt in Lambsborn eine Wetterstation und schreibt für den Merkur zweimal wöchentlich eine lokale Wettervorhersage.

Der Meteorologe Michael Agne betreibt in Lambsborn eine Wetterstation und schreibt für den Merkur zweimal wöchentlich eine lokale Wettervorhersage.

Foto: Michaela Weber

Desweiteren hat in unserer Region die Zahl der Sommertage (25,0 Grad und mehr) um etwa acht bis zehn Tage im Jahr zugenommen, die Zahl der heißen Tage (30,0 Grad und mehr) ist etwa um vier bis sechs Tage gestiegen. Außerdem treten sehr heiße Tage oder Wüstentage mit über 35,0 Grad, sowie tropische Nächte mit Tiefstwerten von 20,0 Grad und mehr regelmäßiger auf. Die Zahl der Frosttage (Tiefstwert weniger als 0,0 Grad) ist im Vergleich zu früher um etwa neun bis zwölf Tagen im Jahr geschrumpft. Die Zahl der Eistage (Höchstwert eines ganzen Tages weniger als 0,0 Grad) hat sich um etwa fünf bis sechs Tage verringert.

Bei der jährlichen Niederschlagsmenge hat sich jedoch in den vergangenen 25 Jahren gegenüber dem früheren Sollwert zwischen 1960 und 1990 eher wenig verändert. Die damaligen Mengen lagen in der Westpfalz so wie jetzt im Durchschnitt etwa zwischen 850 und 900 Liter pro Quadratmeter während eines ganzen Jahres. Wegen der global gestiegenen Temperaturen müsste allerdings mehr Niederschlag fallen, um den Wasserhaushalt auszugleichen.

Zudem ist im Zweibrücker Land im Winter und Frühling seitdem eine höhere Sonnenscheindauer zu verbuchen. Im Sommer stieg sie nur leicht an und im Herbst hat sich gegenüber früheren Zeiten kaum was verändert. Nur im Oktober und November ist ein leichter Rückgang der Sonnenausbeute zu verzeichnen. Daher ist der Herbst auch die Jahreszeit mit dem geringsten Temperaturanstieg gegenüber den langjährigen Mittelwerten.

Besonders in den Sommermonaten sind die Anzahl der Niederschlagstage und die Summen deutlich zurückgegangen. Dafür haben die sonnigen Tage zugenommen. Mehr Sonnenschein bedeutet auch höhere Temperaturen. Allein in den letzten sieben Jahren gab es fünf Sommerjahreszeiten, die deutlich zu warm und zu trocken waren. Es fiel abgesehen stärkerer lokal auftretender Gewittergüsse oft nur so um die Hälfte des jahreszeitlichen Niederschlags. Außerdem machte die Sonne häufig zahlreiche Überstunden. Die anderen beiden Jahre, nämlich 2016 und 2017 lagen noch ziemlich im Normalbereich. In 2016 gab es sogar zu wenig Sonnenschein. Der Sommer 2017 brachte einen leichten Niederschlagsüberschuss.

Die globale Erderwärmung hat natürlich auch Auswirkung auf Wassertemperaturen und Meeresströmungen. Der Golfstrom beziehungsweise dessen Verlängerung Richtung Nordeuropa, der Nordatlantikstrom, transportiert warmes Wasser vom Golf von Mexiko bis an unsere Küsten – was auch Auswirkungen auf Zweibrücken hat, denn dieser Effekt beschert einem Großteil Nordwesteuropas ein relativ mildes Klima. Forscher befürchten jedoch schon seit längerem, dass Schmelzwasser aus der Polarzone, insbesondere Grönland und übermäßige Niederschläge im Bezug auf den Klimawandel diese Meeresströmung stören könnte.

Meeresforscher haben schon vor Jahrzehnten herausgefunden, dass die Strömungen im Atlantik empfindlich auf große Mengen von Süßwasser an der Meeresoberfläche reagieren. Da der Abfluss von Schmelzwasser aus Grönland aufgrund der Klimaveränderungen und Regenfälle über dem Ozean zugenommen haben, wird vermutet, dass dies den Nordatlantikstrom verlangsamen oder womöglich sogar umkehren und den Wärmetransport nach Europa blockieren könnte. Indizien dafür zeigen sich bereits insbesondere bei Schlüsselkomponenten des Golfstroms.

Ein abgeschwächtes Golfstrom-System kann auch auf unsere Region einschneidende Folgen haben. Hält der Trend an, könnte er die Wettermuster Europas entscheidend verändern. Die neu entstandene Temperaturverteilung im Meer beeinflusst die Luftströmungen und führt so dazu, dass etwa Tiefdruckgebiete mit Windfeldern auf anderen Bahnen ziehen. So könnte unter anderem das Sturmrisiko steigen. Dadurch verschiebt sich natürlich auch die Position und Intensität von Hochdruckgebieten.

Wegen diesen Konstellationsschwankungen sind auch paradoxe Folgen für unser künftiges Klima denkbar: Ein kälterer, weniger vom Golf- und Nordatlantikstrom erwärmter Atlantik kann in Zukunft weitere sommerliche Schönwetterperioden und zum Teil extreme Hitzewellen mit dementsprechend großer Trockenheit oder Dürren auslösen, weil dadurch der Zustrom von Warmluft aus dem Süden begünstigt wird und zum Wolkenauflösungsprozess führt.

Sollte sich die globale Klimaerwärmung gegenüber dem langjährige Mittel so fortsetzen wie in den letzten Jahren, ist davon auszugehen, dass uns in der Region Zweibrücken naher Zukunft eine weitere Anhäufung von Wetterkapriolen bevorsteht. Die Schneetage im Winter nehmen bei fortschreitender Erwärmung ab. Außerdem könnten auftretende Stürme mit intensiven Regenfällen und daraus resultierenden Hochwassersituationen an Flüssen überfallartiger und bedrohlicher ausfallen als früher.

In den Frühjahrs- und Sommermonaten zeichnen sich dagegen häufigere Trockenperioden und längere Dürrephasen ab. Daraus resultieren eine höhere Waldbrandgefahr sowie Ernteausfälle. Lokal auftretende Gewitter nehmen oftmals Unwettercharakter mit Starkregen, Hagelschlag und Sturmböen an, wobei Schäden vorprogrammiert sind. Dies wird aber in der Regel eher punktuell der Fall sein.

Extremwetterlagen nehmen jedoch insgesamt zu. Außerdem treten immer mehr heiße Tage, auch von teilweise über 35 Grad auf, sowie tropische Nächte bei denen die Temperaturen kaum unter 20 Grad sinken. Eventuell könnten sich durch die voraussichtliche Klimaentwicklung möglicherweise auch Insekten mit Krankheitserregern ausbreiten, sowie eine leichte Veränderung im Bereich der Flora (Pflanzenwelt) ergeben.

Andererseits sollte man einer unnötigen Panikmache erst mal entgegentreten, denn solche Schwankungen in der langen Geschichte unseres Klimas sind durchaus normal. Höhen und Tiefen gab es im Temperaturverlauf immer schon, genauso wie Wetterkapriolen.

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