„Wer weiß, ob wir das noch mal erleben“

Zweibrücken · Erschöpft, aber absolut zufrieden zeigen sich die Zweibrücker am Morgen nach dem vierten WM-Titel der Fußball-Nationalmannschaft bei einer Erkundungstour durch die Innenstadt.

Dem lautstarken Freudentaumel folgt eine angenehme Stille. Einen Tag danach gibt es aber immer noch nur ein Gesprächsthema. Beim Schlendern durch die im Vergleich zur Nacht sehr ruhige Zweibrücker Fußgängerzone - vor gerademal acht Stunden haben unzählige Fans hier lautstark den vierten WM-Titel der deutschen Fußball-Elf bejubelt - lausche ich, wie sich die Menschen in Cafés über Götzes Siegtreffer unterhalten, über die "fragwürdige" Wahl Messis zum besten Spieler des Turniers ereifern.

Viele tragen ihre Augenringe als Zeichen der kurzen Nacht ungeniert spazieren. Auch ich. Ein müde wirkender Maler Thomas Gerster lehnt an seinem Wagen, blättert die Zeitung durch und schüttelt ungläubig den Kopf, wenn er die Bilder aus Rio sieht. Er habe bis tief in die Nacht gefeiert. "Heute geht alles etwas langsamer - aber wenigstens wissen wir warum", erklärt er und bringt ein erfrischendes Lächeln zustande. Dadurch, ebenso wie die Vitamine des gerade erstandenen frischen Orangensafts ermuntert, flaniere ich beschwingter weiter. Vorm Rathaus werden Zeichen der nächtlichen Feier beseitigt. Aus dem offenen Fenster ist zu hören, dass vor dem Stadtvorstand, der bereits tagt, die Arbeit an solch einem Morgen nicht haltmacht. Auch Paketbote Harry Clauer ist schon unterwegs, obwohl es spät wurde mit den Fußball-Kollegen. "Den Schlaf kann ich heute nachholen", sagt er. Es habe sich gelohnt: "Wer weiß, ob wir das noch mal erleben."

Einige WM-Überreste sind zu erkennen. An Häusern wehen schwarz-rot-goldene Fahnen, vor Geschäften Deutschland-Shirts, am Reformhaus entdecke ich "WM-Feier-Knabberspaß". Sieht gut aus - und stärkt sicher auch einen Tag nach dem vollbrachten Werk noch. "Klar", bestätigt Inhaber Klaus-Peter Stoltz. Der selbst noch geschwächt ist vom langen Fußballabend. "Alle sind heute ein bisschen müde, aber es war toll." In der Buchhandlung nebenan zeugt eine komplette Wand von dem Großereignis. Noch fehlen die Exemplare mit dem Weltmeister 2014. Doch ab Ende der Woche, schätzt die Verkäuferin, überschlagen sich Verlage, die Ersten herauszugeben. Kurz vor der Redaktion renne ich fast, die Augen wieder halb zu, gegen Sportamtsleiter Thomas Deller. Der erstaunlich fit, so als hätte er weder Nerven noch Schlaf gelassen. Hat er aber, sagt er. Wir fachsimpeln über das Finale, den verdienten Sieg und, dass Löw nach dem Höhepunkt eigentlich abtreten müsste. "Egal, schön wars", schiebt er nach, um dann wieder in den heute entschleunigten Alltag überzugehen.

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