Weihnachten im goldenen Käfig

Zweibrücken · Fern von der Heimat und den Lieben Weihnachten zu feiern, ist hart. Das mussten viele Menschen in der Kriegs- und Nachkriegszeit am eigenen Leib erfahren. Rudi Weinmann traf es da 1944 noch recht gut.

 Rudi Weinmann 1944 in seiner Kriegsgefangenen-Kluft. Darunter der Weihnachtsgruß des deutschen Kommandanten der Kriegsgefangenen im Camp Ellis. Fotos: privat

Rudi Weinmann 1944 in seiner Kriegsgefangenen-Kluft. Darunter der Weihnachtsgruß des deutschen Kommandanten der Kriegsgefangenen im Camp Ellis. Fotos: privat

Es gibt Weihnachtsfeste, die man niemals vergisst. Das mag das eine oder andere aus der eigenen Kindheit sein, das erste Fest mit dem Partner oder den Kindern. Für Rudi Weinmann aus Böckweiler gehört dazu ein Weihnachtsfest, das sich in diesem Jahr zum 70. Mal jährt. Der heute 89-Jährige war, wenige Monate nach dem Beginn seines Einsatzes als Soldat in Italien, in amerikanische Gefangenschaft geraten. Per Schiff wurden er und seine Kameraden nach Amerika gebracht. "Sechs Wochen hat die Fahrt gedauert", sagt er sich kopfschüttelnd. Als das Schiff am Zielhafen ablegte, kamen sich die deutschen Soldaten vor, als seien sie in ein Volksfest geraten. Das galt allerdings nicht ihnen, sondern den amerikanischen Soldaten, die zeitgleich im gleichen Hafen gen Europa verabschiedet wurden. "Das war wie im Paradies", erinnert sich Weinmann an die ersten Stunden in der Neuen Welt. Die Soldaten wurden in eine Badeanstalt gebracht und konnten sich erstmals seit Wochen wieder richtig waschen. "Es gab Lux-Seife und weiße Handtücher."

Einen Tag und eine Nacht ging es im geräumigen Zug quer durchs Land bis zum Camp Ellis in Illinois. Dort gab es für die Kriegsgefangenen unvorstellbar gutes Essen - und Arbeit: Weinmann und seine Kameraden mussten in der Region bei der Pfirsich-Ernte helfen. Ständig bei anderen Farmern, damit sich Landwirt und Landser nicht zu nahe kamen, wie Weinmann sagt. Sogar Sold gab es für die Arbeit: Er als Gefreiter bekam 70 Cent pro Tag - was sich bei seiner Entlassung auf 280 Dollar summierte. Die dann allerdings im Verlauf einer anschließenden Gefangenschaft in Frankreich versickerten.

Zu Weihnachten gönnten die Amerikaner den Deutschen eine Feier - mit noch besserem Essen als sonst. "Es hat auch alles zu Trinken gegeben. Nur keinen Alkohol", erzählt Weinmann. Die Amerikaner und der deutsche Kommandant gaben sich wirklich Mühe, eine schöne Weihnachtsfeier zu organisieren. Sogar einen Weihnachtsgruß gab es. "Aber es ist keine Weihnachtsstimmung aufgekommen", bedauert der 89-Jährige. "Wir haben ja alle an unsere Angehörigen gedacht. Es wusste ja keiner, wie es denen geht." Bis diese Ungewissheit beseitigt war, sollte es noch eine ganze Weile dauern:

1945 verbrachte Rudi Weinmann in französischer Kriegsgefangenschaft. 1946 war er endlich wieder in der Heimat . Mit der ganzen Familie.

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