Weihnachten allein An Weihnachten allein: „Einsamkeit ist lebenswichtig“

Familie, Geborgenheit, Liebe? Viele verbringen Weihnachten allein. Wir verraten, wie das Fest trotzdem schön wird.

 Die frei gewählte Einsamkeit, auch zu Weinachten, kann sehr heilsam sein.

Die frei gewählte Einsamkeit, auch zu Weinachten, kann sehr heilsam sein.

Foto: Pixabay

Laut einer repräsentativen Umfrage verbringen drei Prozent der Deutschen zwischen 14 und 75 Jahren Weihnachten allein zu Hause. Hochgerechnet sind das etwa 2,4 Millionen Menschen. Doch sind die alle einsam?

Alleinsein bedeutet nicht immer, einsam zu sein:
Natürlich nicht. Nur, weil man allein ist, heißt das nicht, dass man einsam ist. Als einsam gilt nur jemand, der das Alleinsein als schmerzhaft empfindet, der sich isoliert oder nirgendwo zugehörig fühlt. Dabei ist das Gefühl der Einsamkeit nicht per se etwas Schlechtes, es ist sogar lebenswichtig. Einsamkeit treibt uns an, bringt uns dazu, uns neu zu organisieren. Ohne das Gefühl von Einsamkeit würden wir wahrscheinlich alle nur noch vor dem Fernseher, dem Computer oder dem Smartphone hocken.

Dennoch: Werden ringsherum die Kerzen am Christbaum entzündet, Geschenke ausgetauscht und das Weihnachtsessen genossen, empfinden viele Alleinstehende ihr Alleinsein besonders bewusst und intensiv.

Gerade für Menschen mit „frischen Verlusten“ mag es hilfreich sein, ihre Gefühle einmal ganz bewusst wahrzunehmen, dabei vielleicht einen kleinen Weihnachtsbaum schmückt, eine große Kerze entzündet, sich festlich anzieht und sich selbst etwas Leckeres zu essen vorbereitet – den Zauber der Christnacht ganz bewusst erlebt. Allein. Alle Gefühle spürt, die an diesem Abend an die Oberfläche treten: Trauer, Einsamkeit, Verlust, Hilflosigkeit, Abhängigkeit, Angst vor der Zukunft. Auch diese gehören zu unserem Leben dazu und wollen gefühlt werden. Da wir sie als unangenehm empfinden, neigen wir dazu, sie als „schlecht“ zu verurteilen und möglichst „weg zu drücken“.

Einsamkeit hilft, sich neu zu finden:
Zudem kann die frei gewählte Einsamkeit sehr heilsam sein, beispielsweise wenn jemand sein Leben neu überdenken will oder wenn eine Beziehung in die Brüche gegangen ist. Die Einsamkeit kann helfen, sich neu zu organisieren. Von einem Selbstfindungstrip an Weihnachten sollte man allerdings Abstand nehmen. Wenn möglich sollte man den in den Sommer verschieben. Weihnachten ist einfach zu emotional aufgeladen. Ansonsten könnte man am Ende doch traurig allein zu Hause sitzen.

Und wer dann einmal bewusst und entschieden durch diese Gefühle hindurch gegangen ist, wird feststellen, dass sie ihre Schrecken verlieren. Statt mit dem Schicksal zu hadern, laden etwa Coaches dazu ein, sich über schöne Erinnerungen zu freuen. Dankbarkeit für viele schöne gemeinsame Stunden, dafür, dass wir sie erleben durften, die Wärme im Raum, das Essen auf dem Tisch, das eigene Leben. „Dinge sind, wie sie sind“, stellte bereits der griechische Philosoph Aristoteles (384-322 v. Christus) fest. Erst unsere Bewertung, das, was wir daraus machen, lässt sie für uns gut oder schlecht erscheinen.

Freiheit statt Anpassung: Nachdem eine Beziehung sich gelöst hat, kann es ein Geschenk sein, das Weihnachtsfest einmal ganz nach den eigenen Wünschen zu gestalten, ohne in die Erwartungshaltung des Partners und der Schwiegerfamilie eingebunden zu sein.

Ein schöner Spaziergang auch durch die winterliche Natur ist oft hilfreich, um die Stimmung anzuheben. Eine Freundin von mir spielt regelmäßig ein Spiel: Jedes Jahr „zwischen den Jahren“ notiert sie sich ihre schönsten Erlebnisse im vergangenen Jahr. Das können große Dinge sein wie eine erlebnisreiche Reise, aber auch die Kleinigkeiten im Alltag:
Das nette Wort an der Supermarktkasse, der Busfahrer, der gewartet hat, als sie angerannt kam, der Nachbarsjunge, der die schwere Einkaufstasche getragen hat. Auf einem anderen Blatt notiert sie – mindestens – zehn Dinge, auf die sie sich im neuen Jahr freut.
Auch hier reicht die Bandbreite von einem neuen Projekt, einem Besuch bei Freunden bis hin zu dem schönen Neujahrskonzert im Fernsehen oder dem Stück Kuchen, das sie am Nachmittag genießen wird. Mein Lieblingsspruch von ihr: Das Leben ist Einstellungssache. Und sie hat beschlossen, dankbar und glücklich zu sein, ganz gleich, was geschieht. cvw/cms

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