Missbrauchs-Prozess Verurteilte Mutter geht auch gegen jüngstes Urteil vor

Zweibrücken/Pirmasens · Die Frau soll gemeinsam mit ihrem Mann über Jahre vier ihrer Kinder misshandelt haben.

 Jahrelang sollen die Angeklagte und ihr Mann vier ihrer Kinder gequält haben.

Jahrelang sollen die Angeklagte und ihr Mann vier ihrer Kinder gequält haben.

Foto: dpa/Nicolas Armer

Die Akte kann offenbar doch noch nicht geschlossen werden. Die 62-Jährige, die am 11. Juli in einem zweiten Revisionsverfahren von der Sechsten Großen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken wieder wegen schwerer Misshandlung vier ihrer sechs Kinder und Betrugs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden war (wir berichteten), will auch diesmal gegen das Urteil vorgehen. Dass hat Uwe Fischer, Sprecher und Vizepräsident des Landgerichts, auf Nachfrage unserer Zeitung am Donnerstag mitgeteilt.

Möglicherweise reine Verzögerungstaktik der Frau. Denn solange das Urteil nicht vollständig rechtskräftig ist, bleibt die 62-Jährige auf freiem Fuß. Die gebürtige Pirmasenserin, die mit ihrer Familie mehrere Jahre in Frankreich, der Südwestpfalz und Zweibrücken gelebt hatte, war erstmals Ende Juni 2017 von der Ersten Großen Strafkammer und Mitte Juli 2021 in einem ersten Revisionsverfahren von der Zweiten Großen Strafkammer verurteilt worden. Die Frau hatte jedoch auch gegen die zweite Gerichtsentscheidung Rechtsmittel eingelegt, weshalb es im Juli zu dem zweiten Revisionsverfahren kam.

Zwar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) diese zweite Revision der Angeklagten am 15. Februar hinsichtlich der verhängten Strafe insgesamt verworfen, das Urteil aber dennoch aufgehoben und nochmals ans Landgericht zurückverwiesen, um so eine weitere mögliche Anrechnung der Verfahrensdauer, kurz „Kompension“ genannt, zu ermöglichen.

In der ersten Entscheidung des Landgerichts vom 30. Juni 2017 hatte die Erste Große Strafkammer der Angeklagten wegen der langen Prozessdauer sechs Monate als verbüßt angerechnet, wodurch ihre tatsächliche Zeit hinter Gittern bereits damals statt vier, lediglich drei Jahre und sechs Monate betragen hätte. Weil die Frau aber damals in Revision gegangen war, landete das Verfahren gemäß der Entscheidung des BGH erneut im Landgericht, diesmal bei der Zweiten Großen Strafkammer. Denn der BGH hatte das erste Urteil teilweise aufgehoben.

Letztendlich bestätigte die Kammer am 15. Juli 2021 das Urteil – es blieb also bei den vier Jahren Haft für die Frau. Eine nochmalige Aufstockung des von der Ersten Strafkammer im Juni 2017 gewährten sechsmonatigen Haftrabatts lehnte die Zweite Strafkammer damals ab. Weshalb der BGH eine weitergehende Kompension geprüft haben wollte. So geschehen am 11. Juli vor der Sechsten Strafkammer des Landgerichts, die der 62-Jährigen drei Monate Haftverschonung oben draufgelegt und ihr damit eine insgesamt neunmonatige Kompension gewährt hatte (wir berichteten). Deshalb müsste die Frau tatsächlich „nur“ noch drei Jahre und drei Monate im Gefängnis verbringen. Was der 62-Jährigen, die inzwischen in einem kleinen Ort im Landkreis Neustadt an der Weinstraße lebt, immer noch zu lange zu sein scheint. Sie hält sich für unschuldig. Die 62-Jährige beteuerte auch am Ende des jüngsten Verfahrens im Juli, „niemals meine Kinder geprügelt“ zu haben.

Laut Anklage soll sie vier ihrer sechs Kinder im Zeitraum von 1989 bis 2011 gemeinsam mit ihrem 2018 verstorbenen Ehemann unter anderem mit Baseballschlägern, Handfegern, Stöcken und Fäusten gequält oder die Misshandlungen zumindest geduldet haben. Zudem soll die Frau – ebenfalls gemeinsam mit ihrem Ehemann – zwei ihrer Töchter veranlasst haben, sich gegenüber Gutachtern des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) wie behinderte Kinder zu verhalten und Windeln zu tragen, um insgesamt 50 000 Euro Pflegegeld zu kassieren. Ebenso soll die Frau dem ältesten ihrer Söhne ein Küchenbrett vor die Stirn gehalten haben, um es ihrem Mann zu ermöglichen, dem Kind mit einem Fleischhammer gegen die Stirn zu schlagen. So sollten laut Anklage verräterische Abdrücke verhindert werden, um eine Gehirnerschütterung, die der Junge davontragen sollte, als Folge eines „Unfalls“ darstellen zu können. Der perfide Anlass: Das Ehepaar wollte unbedingt das Krankentagegeld einstreichen, das die Versicherung vereinbarungsgemäß bei einer stationären Behandlung des Sprösslings zahlt.

In dem eher unwahrscheinlichen Fall, dass der BGH der neuesten Revision der Frau stattgeben sollte, müsste sich das Landgericht der Sache ein viertes Mal annehmen. Eine Entscheidung ist jedoch erst in einigen Monaten zu erwarten.

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